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Trojaner: Schnüffelsoftware nicht im Masseneinsatz

Die Sicherheitsbehörden halten den in Brandenburg eingesetzten Trojaner für rechtmäßig. In zwei Fällen kam er zum Einsatz, in einem gab es dabei aber eine Panee. In zwei weiteren Verfahren wurde die Schnüffelsoftware trotz richterlicher Genehmigung nicht genutzt.

Potsdam - Nach Bekanntwerden zweier Einsätze des umstrittenen Staatstrojaners im Auftrag Brandenburger Ermittlungsbehörden suchten Justizministerium und Generalstaatsanwaltschaft am Mittwoch fieberhaft nach weiteren Fällen. Zwar will Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) die Ergebnisse frühestens am heutigen Donnerstag bekannt geben. Doch nach PNN-Informationen über die weit fortgeschrittene Prüfung ist die Schnüffel-Software in keinem anderen Fall genutzt worden.

In einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) und des Zolls, die wegen Steuerbetrugs durch illegalen Zigarettenhandel einen Verdächtigen per internationalem Haftbefehl suchen, kam es zu seiner Panne. Der Computer des Verdächtigen wurde durch das Überspielen des Trojaners beschädigt und die Festplatte lahmgelegt. In dem anderen Fall wurde die Software Ende 2010 vom Zoll bei den erfolgreichen Ermittlungen gegen eine internationale Betrüger-Bande eingesetzt, die mit gefälschen Potenzmitteln im Internet handelte. In zwei weiteren Verfahren kam es trotz Erlaubnis durch Gerichte gar nicht erst dazu, dass Ermittlungsbehörden mit Trojanern die Internettelefonate zweier Verdächtiger abhörten. Einmal, weil ein Verdächtiger diese Internetfunktion überhaupt nicht nutzte, ein anderes Mal, weil die Virenfunktion des Computers den Trojaner blockierte.

Justizminister Schöneburg schließt bislang aus, dass mehr als nur Internettelefonate abgehört wurden. Zu mehr sei die im Auftrag brandenburgischer Behörden eingesetzte Software nicht in der Lage, hieß es aus Kreisen der Sicherheitsbehörden. Auch das Bundesfinanzministerium und das ihm unterstellte, in beiden Brandenburger Fällen und bundesweit mit insgesamt 16 Computer-Schnüffelaktionen befasste Zollkriminalamt (ZKA) versicherten, dass die Trojaner nur der Überwachung von verschlüsselten Telefonaten über das Internet gedient hätten und nur dazu fähig seien.

Doch die Oppositionsfraktionen im Landtag, aber auch die Linke-Regierungsfraktion bleiben nach der vom Chaos Computer Club (CCC) erhobenen Kritik gegen eine Version des Staatstrojaners skeptisch und verlangen von der Landesregierung Aufklärung. In den nächsten Woche wird sich der Innenausschuss der Landtags damit befassen, auch der Rechtsausschuss ist eingeschaltet. Nach den Erkenntnissen des CCC kann die vom Landeskriminalamt Bayern eingesetzte, aber vom selben Hersteller stammende Software mehr als sie darf – bis hin zur äußerst sensiblen, vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Online-Durchsuchung.

CDU-Rechtsexperte Danny Eichelbaum forderte vom Innen- und Justizressort Auskunft darüber, welche technischen Möglichkeiten ein Trojaner gehabt hat. „Je länger wir an der Sache dranbleiben desto dramatischer wird diese“, sagte Eichelbaum „Wir wissen gar nicht, was für ein Trojaner das ist, seit wann er im Auftrag der brandenburgischen Behörden eingesetzt wird und ob die Vorgaben aus Karlsruhe eingehalten werden.“ Der FDP-Innenpolitiker Hans-Peter Goetz sagte, es müsse ausgeschlossen werden, dass ein Missbrauch möglich sei. Zudem sei völlig unklar, wer den Zoll beim Einsatz des Staatstrojaners kontrolliere. Goetz forderte auch Aufklärung über die einzelnen Fälle, in denen die Software zum Einsatz kam. „Das muss man uns als Parlament belegen“, sagte er. Grüne-Innenexpertin Ursula Nonnemacher drängte auf einen Verzicht auf den Staatstrojaner, solange Zweifel bestehen und bis eine neue Regelung auf Bundesebene gefunden wurde. Das Probleme bestehe weiterhin, dass die Software nicht kontrollierbar sei und es weiterhin Einfallstore für Missbrauch für Online-Durchsuchungen gebe. „Das Vertrauen ist erschüttert“, es gebe ein Unbehagen, ob der Einsatz solcher Trojaner überhaupt zu vertreten sei, sagte sie. „Auch das Land Brandenburg sollte eine Denkpause einlegen.“ Linke-Innenexperte Hans-Jürgen Scharfenberg, dessen Partei „solche Maßnahmen“ generell „kritisch“ sieht, forderte, dass Brandenburg die Software gar nicht erst einsetzt und sich auch nicht beschaffen sollte.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte die Bundesländer aufgefordert, die enttarnte Spionagesoftware nicht mehr einzusetzen. Zunächst müsse geklärt werden, ob das Programm mehr könne als gesetzlich zulässig sei. Brandenburgs Innenministerium will die Debatte auf Bundesebene abwarten, hält einen Einsatzstopp aber nicht für nötig, weil die Sicherheitsbehörden derzeit keinen Trojaner im Einsatz hätten. Zudem verfüge das Land nicht über die Software. Die Experten in Justiz- und Innenministerium sehen auch deshalb keinen Bedarf für eine ausdrückliche Anordung zum Verzicht auf die Trojaner, weil die Hersteller von Anti-Viren-Programmen längst reagiert haben – spätestens, als die Internet-Aktivisten vom CCC den Quellquode der Spionage-Software veröffentlich haben.

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