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Mohnlandschaften. Auch wenn es auf den ersten Blick anders scheint: Auf dem Feld bei  Haselfelde (Märkisch-Oderland) wächst vor allem Raps.

© Patrick Pleul/dpa

Trockenheit in Brandenburg und Berlin: Die Region scheint auszutrocknen

2017 wird wohl das vierte Trockenjahr in Folge für Berlin und Brandenburg. Weil es zugleich immer wärmer wird, schrumpfen viele Gewässer deutlich. Zufall oder Klimawandel? Eine Analyse.

Potsdam/Berlin - Am Bad im Weißen See wird der Nichtschwimmerbereich allmählich zur Fußgängerzone, am Straussee will die Strausberger Stadtverwaltung gemeinsam mit der TU den Wasserschwund ergründen, am Döllnsee in der Schorfheide ähneln die Stege zunehmend Brücken, und überall in der Berliner Peripherie werden kleine Seen zu Teichen, Tümpel zu Sümpfen und Sümpfe zu Wiesen. Manches Gewächs verdorrt, weil ein sporadischer Schauer nicht die Wurzeln erreicht. Und schon gar nicht das Grundwasser, aus dem Berlin das Gros des Wasserbedarfs für dreieinhalb Millionen Menschen deckt. Während die Spree als Nachschublieferantin noch einigermaßen im Soll ist, kommt über Havel und Dahme nur halb so viel wie sonst im Juni. Die Region scheint auszutrocknen. Alles Zufall – oder Klimawandel? Zeit, tiefer in die Materie einzutauchen.

Laut dem Wetterdienst Meteogroup hat es seit 2001 in Berlin und Brandenburg zwar insgesamt so viel geregnet wie im langjährigen Mittel (1961 bis 1990), aber die letzten drei Jahre waren viel zu trocken: Statt knapp 600 Liter pro Quadratmeter und Jahr fielen kaum 500. Die – noch – ausgeglichene Langfristbilanz ist wohl dem sehr nassen Jahr 2007 zu verdanken. Und nimmt man die besonders viel zu trockene erste Jahreshälfte 2017 hinzu, ist Berlin schon jetzt im Minus.

Der Müggelsee hat sich um zwei Grad erwärmt

Das Grundwasser wird deshalb noch lange nicht knapp, und drei bis vier aufeinanderfolgende Trockenjahre gab es nach Auskunft der Berliner Wasserbetriebe (BWB) schon Anfang des 20. Jahrhunderts immer mal wieder. Nur war es damals deutlich kühler: Die Jahresmitteltemperatur ist schon um ein ganzes Grad gestiegen, und beispielsweise der Müggelsee hat sich allein in den letzten 40 Jahren um gut zwei Grad erwärmt. Klingt wenig, aber macht viel aus, wie der Meteorologe Jörg Riemann erklärt: Wenn sich Wasser um ein Grad erwärme, nehme die Verdunstung um acht Prozent zu. Die ebenfalls wärmer gewordene Luft verstärke den Effekt, weil sie mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann – und zwar exponentiell, sodass ihre Kapazität beispielsweise bei Erwärmung von 30 auf 31 Grad mehr als doppelt so stark wächst wie bei 20 zu 21 Grad. Die Wasserbetriebe melden unter Verweis auf das einschlägig spezialisierte Ingenieurbüro DHI-Wasy, dass sich beispielsweise im Einzugsgebiet des Wasserwerks Friedrichshagen seit 2014 nicht einmal mehr halb so viel Grundwasser neu gebildet habe wie einst üblich.

Die langjährigen Datenreihen sprechen also dafür, dass zurzeit eine mutmaßlich nur temporäre Wetterschwankung – die Trockenheit – mit einer langfristigen Klimaveränderung – der Erwärmung – zusammentrifft. Diese Kombination setzt vor allem jenen Gewässern zu, die keine nennenswerten Zuflüsse besitzen, sondern aus Niederschlägen und Grundwasser gespeist werden. Das bedeutet zumindest für die großen Berliner Gewässer leichte Entwarnung, weil sie im Verbund von Havel, Spree und Dahme liegen. In diesem zwar sehr mäßig, aber breit durchströmten Urstromtal seien die wetterbedingten Grundwasserschwankungen deutlich geringer als in den Höhenlagen etwa des Barnim. Exemplarisch zeigt sich dieser Befund in Werneuchen: Dort beginnt das Grundwasser laut dem Potsdamer Landesumweltamt aktuell erst in knapp sechs Metern Tiefe – 1,24 Meter tiefer als sonst im Juni. So wird klar, warum vor allem die beliebten Seen im nördlichen Umland regelrecht zu verschwinden scheinen. Doch auch an allen anderen Messstellen in Brandenburg liegen die aktuellen Grundwasserpegel unter den sonst üblichen Werten.

Kombination aus Klimaschwankungen und Veränderungen in der Waldstruktur

Alles schon mal dagewesen, lautet salopp gesagt eine Erkenntnis des Geoforschungszentrums Potsdam. Wissenschaftler haben für den Großen Fürstenseer See im Quellgebiet der Havel herausgefunden, dass der Wasserspiegel vor rund 5000 Jahren vier Meter über dem heutigen lag – aber vor knapp 10 000 Jahren sogar drei bis vier Meter tiefer als heute. Als Ursache vermuten die Forscher eine Kombination aus Klimaschwankungen und Veränderungen in der Waldstruktur: Die nach der Eiszeit zunächst stark dominierenden Kiefernwälder verbrauchten deutlich mehr Wasser als die nachfolgenden Laubwälder. Insofern tun die Berliner Forsten seit einigen Jahren das Richtige, indem sie die von Kiefern dominierten Berliner Wälder zu Mischwäldern umgestalten.

Bleibt die Frage, warum es seit 2014 so wenig regnet. Vor allem Landregen, also stunden- oder gar tagelanger, mäßiger Niederschlag, kommt kaum noch vor. Die dafür nötigen Atlantik-Wetterlagen seien seltener geworden, sagt der Meteorologe Riemann: Tiefs müssten vom Ozean nach Skandinavien ziehen und auch uns reichlich Regen bringen. Stattdessen findet die Wetterküche immer häufiger in anderen Regionen statt, etwa im Osten (trocken und sonnig) oder im Südwesten (schwülwarm). Die sommerlichen Azorenhochs, die dem Mittelmeerraum seit jeher die berühmten Schönwettersommer verschaffen und das Gegengewicht zu den Atlantiktiefs bilden, hätten sich so weit nordwärts verschoben, dass die Hauptstadtregion auf der meteorologischen Weltkugel nach Süden gerutscht ist. Wem das Sommerwetter in Brandenburg und Berlin zunehmend spanisch vorkommt, der liegt also gar nicht so verkehrt.

Im Winter sollte es viel regnen

Wie groß der menschgemachte Anteil an all dem ist, beurteilt Riemann zurückhaltend: Selbst die Erwärmung – vom weltweit als äußerste Schmerzgrenze geltenden Zwei-Grad-Ziel hat die Region schon die Hälfte aufgebraucht – könne sowohl an mehr Treibhausgasen als auch am Wachstum der Stadt liegen. Der Wind in der Region sei übers Jahr im langjährigen Vergleich etwa konstant, aber tatsächlich sei er böiger geworden – was wiederum mit den unruhigeren Wetterlagen zu tun haben könne, die Schauer und Gewitter bringen statt gemütlichen Landregen.

Für den Wasserhaushalt zählt auf lange Sicht vor allem, wie viel es im Winter regnet, weil sich dann am ehesten neues Grundwasser bildet. Viele Menschen in der Region dagegen dürfte eher interessieren, wie der Sommer wird. Ein gutes Indiz dafür könnte die Siebenschläferzeit liefern: Oft wird Ende Juni der Trend für den Sommer gesetzt. Dann sei ohnehin ein Umschwung fällig, sagt Riemann: „Länger als acht Wochen hält keine Wetterlage.“

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