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Verockerung. An einigen Stellen wie hier am Steinitzfließ bei Drebkau nahe dem Tagebau Welzow-Süd ist der sogenannte Ockerschlamm, der aus Eisenhydroxid besteht, laut BUND bereits rund 30 Zentimeter tief. Bei Fischen setzt sich der rostbraune Schlick auf die Kiemen und führt zum Erstickungstod.

© BUND

Brandenburg: Tödlicher Schlamm

BUND und Greenpeace haben Vattenfall angezeigt. Der Konzern soll deutlich mehr Chemiekalien eingeleitet haben als erlaubt

Von Matthias Matern

Potsdam/Cottbus – Ab einer Konzentration von zwei bis drei Milligramm Eisenocker pro Liter Wasser tritt die markante rostbraune Verfärbung ein, bei einem Eisenanteil von zwölf Milligramm ist tierisches Leben unmöglich. Mehr als 26-mal so viel Eisenocker hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) nach eigenen Angaben Mitte Juni an einer der zahlreichen Stellen gemessen, an denen der schwedische Energiekonzern Vattenfall überschüssiges Grubenwasser aus dem nahen aktiven Tagbau Welzow-Süd in die Natur pumpt. Auch an mehreren anderen Stellen wurde der ohnehin laxe Grenzwert von fünf Milligramm pro Liter, den das brandenburgische Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe 2008 festgelegt hat, zum Teil deutlich überschritten. „Man kann die Verockerung selbst aus dem Weltraum sehen“, sagt Axel Kruschat, Geschäftsführer des BUND Brandenburg.

Wie berichtet haben der BUND und die Umweltschutzorganisation Greenpeace wegen der unerlaubten Einleitung von Chemikalien und des daraus resultierenden Umweltschadens gegen Vattenfall Anzeige erstattet. Dem Konzern werfen die Naturschützer aber nicht nur vor, gleich mehrfach Grenzwerte überschritten zu haben – an einer Stelle maßen sie sogar 79 Milligramm Eisen pro Liter. Die Umweltschützer haben nicht nur an den Stellen gemessen, wo das Tagebauwasser in zum Teil geschützte, natürliche Wasserläufe eingeleitet wird. Nur in vier von insgesamt elf Fällen stimmten Mess- und Einleitstellen überein. Manchmal betrug die Entfernung knapp anderthalb Kilometer. „Vattenfall ist nicht in der Lage oder nicht willens, beim Tagebau Welzow-Süd gesetzliche Mindeststandards einzuhalten“, sagt Axel Kruschat.

Vattenfall hat inzwischen die Vorwürfe von BUND und Greenpeace zurückgewiesen. „Prinzipiell leiten unsere Tagebaue kein unbehandeltes Grundwasser in Ökosysteme oder Zuflüsse zur Spree ein“, sagt Ingolf Arnold, Leiter Geotechnik bei der Vattenfall Europe Mining AG. Vor der Einleitung erfolge entweder der Eisenrückhalt und die pH-Wert-Anhebung in einer Grubenwasserbehandlungsanlage oder es kämen bei nur gering eisenbelastetem Wasser an der Einleitstelle „naturräumliche Verfahren zum Eisenrückhalt“, zum Beispiel Barrieren aus aufgehäuften Steinen, zum Einsatz. „Somit wird sichergestellt, dass die Konzentration für gelöstes Eisen innerhalb des behördlich vorgegebenen Grenzwertes liegt und die Sichttiefe der Gewässer nicht negativ beeinträchtigt wird“, so Arnold.

Erstmals für Schlagzeilen gesorgt hatte die sogenannte Verockerung vor rund zwei Jahren, als sich mehere Wasserarme im Oberspreewald rostbraun färbten und in der Tourismusregion die Sorge wuchs, Urlaubsgäste könnten sich abschrecken lassen. Bislang hieß es stets, der Grund für den hohen Eisengehalt sei der Grundwasseranstieg rund um stillgelegte Braunkohletagebaue. „Die aktuellen Messungen zeigen nun, dass auch laufende Tagebaue Gewässer verockern. Die Mär von den sauberen Vattenfall-Tagebauen ist endgültig unhaltbar“, so Greenpeace-Energieexperte Niklas Schinerl.

Vattenfall dagegen sieht in seinem Wassermanagement sogar einen Beitrag zum Erhalt des ökologischen Gleichgewichts. Zum sicheren Betrieb seiner fünf Tagebaue in der Lausitz fördere Vattenfall jährlich rund 400 Millionen Kubikmeter Wasser, heißt es in einer Stellungnahme des Konzerns. „Etwa ein Viertel des gehobenen Grundwassers mit bester Qualität wird direkt im Umfeld der Tagebaue zur Stützung und zum Schutz landschaftsprägender Gewässer und Schutzgebiete als ,Ökowasser’ verteilt“, so Vattenfall weiter. Außerdem: „Der weitaus größte Teil wird in den Grubenwasserbehandlungsanlagen von Vattenfall nach dem Stand der Technik gereinigt, für die weitere Nutzung als Trink- und Brauchwasser aufbereitet sowie zur Aufrechterhaltung ökologischer Mindestabflüsse in die Spree und ihre Nebenarme abgegeben.“

BUND-Wasserexperte Winfried Lücking sieht aber vielmehr die Trinkwasserqualität durch die Tagebaueinträge gefährdet – nicht zuletzt für die Millionenstadt Berlin, die ihre Leitungen mit Spreewasser speist. Grund ist der steigende Sulfatgehalt in der Spree, den die Umweltschützer ebenfalls auf die Braunkohleförderung zurückführen. Auch an den Einleitstellen konnten teils deutlich erhöhte Sulfatwerte festgegstellt werden. Zu viel Sulfat im Trinkwasser kann zu Erbrechen und Durchfall führen. Wie berichtet, sieht man sich im Wasserwerk Briesen (Oder-Spree), das auch Frankfurt (Oder) versorgt, deshalb bereits gezwungen, dem Spreewasser Grundwasser beizumischen. Und das Problem könnte sich noch verschärfen, da Vattenfall weitere Tagebaue plant. „Bei den Genehmigungen für die neuen Tagbaue Nochten II in Sachsen und Welzow-Süd II sind mögliche Folgen für das Berliner Trinkwasser gar nicht berücksichtigt worden“, kritisiert Lücking. Stefan Taschner vom Berliner Bürgerbegehren Klimaschutz sieht deshalb jetzt auch den Berliner Senat in der Pflicht, über die gemeinsame Raumordnungsbehörde, der Gemeinsamen Landesplanung, Druck auf Brandenburg auszuüben. „Der Senat muss handeln und der Hebel heißt Gemeinsame Landesplanung.“

Für zahlreiche Fische und Pflanzen im Umfeld der Einleitstellen rund um den Tagebau Welzow-Süd I aber kommt wohl jegliche Hilfe zu spät. Mit einem gesonderten Gutachten im kommenden Frühjahr will der BUND aufzeigen, wie groß die entstandenen Umweltschäden tatsächlich sind. Dass sie gravierend sind, steht zumindest für Jens Kießling, Umweltgutachter und Mitglied im Beirat des Aktionsbündnisses Klare Spree, außer Frage: „Der Ockerschlamm ist wie ein Leichentuch. Die Tiere ersticken einfach.“

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