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Tiere in Berlin: „Spatzen sind eigentlich Spätaufsteher“

Was machen Vögel nachts? Warum nur sind sie morgens so laut? Wildtierexperte Derk Ehlert erklärt zum Langen Tag der Stadtnatur die Berliner Vogelwelt. Ein Interview.

Der Lange Tag der Stadtnatur an diesem Wochenende geht noch bis Sonntag 15 Uhr. Hunderte Veranstaltungen in allen Bezirken laden Naturfreunde jeden Alters dazu ein, draußen Spaß zu haben, Neues zu lernen oder sich sportlich zu betätigen.

Zu den gefragtesten Highlights gehören erfahrungsgemäß die naturkundlichen Schiffstouren über den Tegeler See mit Derk Ehlert, dem Naturexperten der Berliner Umweltverwaltung. Wir haben mit ihm über die teils erstaunlichen Höhenflüge der Berliner Vogelwelt gesprochen.

Schlafen Vögel eigentlich nachts?
Ja, alle, sogar Nachtigallen. Die meisten schlafen aber nur kurz, manche nur wenige Sekunden. Und viele können mit einer Hirnhälfte schlafen, während die andere wach bleibt. Die Tiefschlafphasen der Vögel dauern höchstens wenige Minuten. So lange wie wir Menschen schläft jedenfalls kein Vogel. Was für die zählt, ist die Helligkeit, um Futter suchen oder jagen zu können. Dunkelheit ist für Vögel kein Erholungsfaktor, sondern nur Wartezeit, bis es wieder hell wird.

Muss ich mich mit Spatzen abfinden, die frühmorgens vor dem Schlafzimmerfenster herumlärmen?

Spatzen sind eigentlich Spätaufsteher. Wenn die um halb fünf aufwachen, sind sie längst nicht die Ersten. Ich würde empfehlen, es vor dem Weiterschlafen mit einem Ohr zu genießen: Bei Sperlingen ist viel Kommunikation zu hören, Revierabgrenzung beispielsweise. Und wenn Spatzen wirklich laut sind, haben sie schon gefrühstückt.

Die Feldlerchen, die den ganzen Tag hoch über dem Tempelhofer Feld trällernd in der Luft stehen, sind deutlich dezenter. Landen die überhaupt manchmal?

Das tun sie zwischendurch immer wieder. Mit dem Gesang stecken sie ihr Revier ab. Außerdem können sie gleichzeitig singen und fressen, was bei uns Menschen ja eher nicht so gut aussieht. Es lohnt sich übrigens, mal morgens um sechs aufs Tempelhofer Feld zu gehen, da ist der Gesang am intensivsten. Irgendeine Lerche ist eigentlich immer zu hören, weil wir über 100 Brutpaare auf dem Feld haben. Das ist eine der größten Populationsdichten in Deutschland. Abends ist es übrigens auch spannend: Wenn wir Menschen raus müssen aus dem Gelände, fliegen Waldohreulen aus ihren Brutquartieren in Neukölln und Tempelhof ein, um Mäuse zu jagen. In der Abenddämmerung kann man sie sehen.

Ausgerechnet Waldohreulen auf dem kahlen Tempelhofer Feld?!

Ja, die brüten gern in ruhigen Hinterhöfen oder in alten Bäumen. Sie bewohnen Nester, in denen vorher Nebelkrähen gebrütet haben. Im Hansaviertel und beim Brandenburger Tor gibt es ebenfalls je ein Brutpaar. Die nutzen den Tiergarten als Jagdgebiet. Zurzeit hat man die besten Chancen, sie überhaupt zu bemerken, weil die Jungen ständig nach Futter piepsen. Die Altvögel klingen eher wie Tauben.

Apropos Tauben: Sind die eigentlich zu irgendetwas nütze?

Na, aber! Tauben sind 4000 Jahre lang unsere Postboten gewesen, Vorgänger der Christel von der Post und der E-Mail! Tauben fliegen Riesenstrecken zu ihren Brut- und Futterplätzen. Ihr Orientierungssinn hat schon den Seefahrern zu Kolumbus’ Zeiten geholfen: Die Tauben wussten, wo das nächste Land ist. Außerdem sind Tauben liebevolle Eltern, die intensive Brutpflege betreiben. Und sie sind wichtigste Nahrungsquelle für allgemein beliebte Greifvögel wie Habichte, von denen wir in Berlin über 100 Brutpaare haben.

Mauersegler fallen auf als die Raser der Lüfte. Bauen die in ihrem wilden Flug zwischen den Häusern manchmal Unfälle?

In der Regel können sie hervorragend fliegen, aber manchmal prallen sie auch gegen Fensterscheiben, Gebäudekanten oder werden bei Unwetter von einem Hagelkorn getroffen. Die Mauersegler, die zurzeit schreiend um die Häuser fliegen, sind häufig Junggesellenbanden – Männchen und Weibchen. Viele suchen die Brutplätze fürs nächste Jahr. Das Phänomen sollte man genießen, denn die ersten Mauersegler verschwinden schon im Juli wieder Richtung Afrika.

Was machen Singvögel bei Unwettern?

Viele setzen sich ruhig aufs Nest. Mauersegler dagegen begleiten die Gewitter, weil drumherum viele Insekten aufgewirbelt werden. So eine Tour kann durchaus von Berlin nach Cottbus gehen. Und wenn sie Stunden später zurückkommen, würgen ein Konzentrat aus vier-, fünfhundert Mücken für ihre Jungen hoch.

Soll man Vögeln bei großer Trockenheit wie zurzeit etwas zu trinken geben?

Baden ist wichtiger als trinken. Deshalb sind Badestellen sinnvoll, aber die Vögel sollten darin stehen können und das Wasser muss täglich gewechselt werden. Ihren Flüssigkeitsbedarf decken die meisten Vögel über die Nahrung.

Manche Nachtigallen singen wie die Weltmeister, andere kaum. Woher kommen die Unterschiede?

Wer jetzt noch lange Strophen singt, hat keine Partnerin gefunden. Öfter zu hören sind ganz kurze Lieder. Das sind die Väter, die ihren Jungen den Gesang beibringen, wobei Nachtigallen auch nachts die Schulbank drücken müssen.

Die Mütter singen nicht?

Nein, die Weibchen können nicht singen. Und das Repertoire der Jungen setzt sich aus den Gesängen des Vaters und der Nachbarn zusammen. Dazu kommen eigene Kreationen. Das alles zusammen wird langfristig zum perfekten Gesang.

Warum machen Elstern und Krähen eigentlich frühmorgens solchen Höllenlärm?

Wenn man den hört, sollte man schnell zum Fenster gehen, denn das aggressive Krächzen tun sie eigentlich nur, wenn ein Fuchs im Garten, ein Waschbär im Baum oder ein Marder im Revier unterwegs ist. Nur jetzt ist die Zeit, in der die nachtaktiven Felltiere den tagaktiven Gefiederten begegnen, weil es schon so früh hell ist. Ich habe gerade selbst mit einer Wildtierkamera im Garten filmen können, wie Elstern einen Fuchs am Schwanz ziehen, um ihn zu vertreiben. Es lohnt sich zurzeit also wirklich, die Augen offen zu halten – gerade ganz früh am Morgen.

Derk Ehlert (50) ist hauptsächlich als Autodidakt zum populärsten Wildtierexperten Berlins geworden. Für sein Engagement als Naturerklärer erhielt er 2017 das Bundesverdienstkreuz.

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