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Susanne Melior ist Abgeordnete im Europäischen Parlament in Brüssel: "Der Schock sitzt natürlich tief."

© dpa

Terror in Brüssel: Brandenburger EU-Abgeordnete: "Hier herrscht Ausnahmezustand"

Wie Brandenburger Abgeordnete des Europäischen Parlaments die Anschläge in Brüssel erlebten, berichten sie den PNN.

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Susanne Melior (SPD), lebt in Michendorf (Potsdam-Mittelmark). Sie ist seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments:

Ich bin derzeit in Brüssel, in meinem Parlamentsbüro. Hier herrscht Ausnahmezustand. Ich habe von den Explosionen heute früh aus dem Fernsehen erfahren. Ich habe in meiner Wohnung gerade das Morgenmagazin in ARD und ZDF geguckt, als die Eilmeldung kam. Meine Wohnung liegt unmittelbar neben dem Parlament. Die U-Bahnstation Maelbeek ist nur die Straße runter und um die Ecke entfernt. Ich bin dann sofort ins Parlament gegangenen. Das war gegen 8.30 Uhr. Als ich aus der Wohnung kam, wirkte auf der Straße alles noch recht normal. Im Parlament haben wir uns nach kurzer Besprechung trotzdem dafür entschieden, die geplante Abstimmung zu Glyphosat und zur Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln in unserer Ausschusssitzung durchzuführen. Denn genau das Gegenteil wollen die Terroristen ja erreichen.

Allerdings haben wir zu Beginn eine Schweigeminute eingelegt, weil wir bereits wussten, dass es mindestens 13 Tote gibt. Trotzdem, eine recht surreale Stimmung. Aber auch in den anderen Ausschüssen wird gearbeitet. Der Schock sitzt natürlich tief, auch wenn die Anschläge nicht ganz unerwartet kommen. Meine beiden Mitarbeiter sind bei mir. Einer ist heute Morgen extra zur U-Bahn gerannt, damit er eine U-Bahn früher bekommt. Sonst wäre er womöglich ebenfalls betroffen. Er steigt auch immer an der Station Maelbeek aus. Meine beiden Mitarbeiter wohnen in Brüssel. Als Erstes haben sie sich erkundigt, wie es ihren Familien geht. Allen geht es gut, die Kinder sind in der Schule. Alle Bewohner der Stadt wurden aufgerufen zu bleiben, wo sie sind. Ohnehin sind alle Taxis ausgebucht. Auch sämtliche Tunnel sind dicht. Eigentlich wollte ich heute nach Hause fliegen. Das gilt auch für viele andere Kollegen hier.

Jan-Christian Ehler (CDU), lebt in Potsdam. Er ist seit 2004 Abgeordneter im Europäischen Parlament:

Ich habe Glück gehabt. Ich bin gestern schon zurückgeflogen, allerdings vom selben Flughafen aus. Ich weiß auch wo der American Airlines-Schalter ist, unmittelbar neben dem von Brussels Airlines. Eine meiner drei Mitarbeiterinnen hat mich gestern begleitet. Eine der zwei anderen hat gerade Urlaub und die dritte habe ich heute sofort angerufen und ihr gesagt, sie soll sich ein Taxi nehmen und nach Hause fahren. Sie ist schwanger. Mein Büro ist höchstens einen Kilometer vom U-Bahnhof Maelbeek entfernt. Der Sicherheitsdienst hatte ja bereits gewarnt, dass man nach der jüngsten Festnahme von Salah Abdeslam Anschläge befürchtet.

Das Parlament wird zudem bereits seit Längerem von Fallschirmjägern bewacht. An Knotenpunkten wurde die Bewachung jetzt nochmal verstärkt, hat meine Mitarbeiterin berichtet. An den Straßenkreuzungen stehen gepanzerte Mannschaftswagen. Ein Bild, das wir aus Deutschland nicht kennen, das Militär auf den Straßen präsent ist. Man merkt die angespannte Stimmung in der Stadt seit Monaten. Das Parlament und die Kommission sind ja explizit als konkrete Ziele genannt worden. Den Montag nach Ostern plane ich wieder nach Brüssel zurückzufliegen. Nächste Woche ist das Parlament ohnehin geschlossen.

Aufgezeichnet von Matthias Matern.

Der brandenburgische EU-Abgeordnete der Linke, Helmut Scholz, hielt sich zum Zeitpunkt der Anschläge nicht in Brüssel auf. Er sei derzeit auf Dienstreise in Ecuador, teilte sein Brüsseler Parlamentsbüro am Dienstag den PNN auf Nachfrage mit.

Die Brandenburger Grünen-Abgeordnete im Europaparlament Ska Keller (34) war am Dienstag auf dem Weg nach Brüssel, zuvor war sie in Griechenland. Keller ist Vize-Vorsitzende sowie migrationspolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament. Am Morgen wollte sie von Athen aus mit dem Flugzeug nach Brüssel zurück, um dort eine Pressekonferenz zu den Zuständen in den Flüchtlingslagern in Griechenland abzuhalten. Doch ihr Flieger wurde nach Düsseldorf umgeleitet. Als wir sie am Dienstagnachmittag am Telefon erreichen, sitzt sie im Bus mitten in den Niederlanden auf dem Weg nach Brüssel. Sie muss zurück, sie hat Termine. Dabei hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) festgelegt, dass die Abgeordneten doch am Mittwoch möglichst von zu Hause arbeiten sollen, die Osterferien des Parlaments beginnen am Donnerstag. Keller aber wirkt völlig ruhig und unaufgeregt. „Ja, was soll ich machen“, sagt sie.

Diese Gelassenheit hat wohl auch damit zu tun, was sie in den Tagen zuvor in Griechenland gesehen hat – das blanke Elend. Die 34-Jährige besuchte das Flüchtlingslager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze, sie wollte sich ein Bild von der Lage machen, auch wegen des Abkommens zwischen der EU und der Türkei. Das soll die Flüchtlingszahlen in der EU deutlich senken. Flüchtlinge, die seit Sonntag von der Türkei nach Griechenland gekommen sind, sollen ab April in die Türkei zurückgeschickt werden. Über den Deal und die elendige Lage der 12 000 Flüchtlinge in Idomeni sagt Keller: „Ich schäme mich komplett für Europa.“ Flüchtlingscamps in manchen Entwicklungsländern seien erträglicher als das, was sie dort gesehen habe. Und Keller sagt: Die Flüchtlinge und Merkels Politik jetzt mit dem Terror in Verbindung zu bringen – „das ist absurd, völliger Unfug“. 

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