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Mikrokosmos. Auf den nur gut 40 Quadratmetern ist fast alles zu finden.

©  dpa

Brandenburg: Tausend Dinge und ein Hauch Europa

Brüssel liegt für Brandenburg manchmal näher als Berlin oder Potsdam. Ein ganzes märkisches Dorf profitiert vom Geld aus Europa – bis hin zur Mausefalle im Dorfladen

Wahlsdorf - Im idyllischen märkischen Wahlsdorf gibt es zwei Mittelpunkte: die stattliche Feldsteinkirche und den Dorfladen. Die Kirche entstand im 13. Jahrhundert mit Gottes Segen. Auch für den kleinen Laden gibt es Unterstützung von ganz oben. Gelder der Europäischen Union sollen helfen, ihn am Leben zu erhalten.

Ortsvorsteher Thomas März (parteilos) kommt regelrecht ins Schwärmen. „Hier kann man sich nicht nur mit 1000 kleinen Dingen eindecken. Das ist unsere Nachrichtenbörse“, sagt er. Die Wahlsdorfer bekämen hier das, was man zum Leben brauche.

Innerhalb des EU-Projektes zur Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) gehört der Wahlsdorfer Laden zu den rund 3800 Projekten in Brandenburg, die Fördermittel beantragten. Von 2007 bis 2013 standen rund 1,1 Milliarden Euro bereit. In der neuen Periode bis 2020 gibt es rund 965 Millionen Euro. Das Geld aus dem mehr als 800 Kilometer entfernten Brüssel ist für Ideen gedacht, durch die Dörfer lebenswert und attraktiv bleiben. Einige Tausend Euro im Jahr gehen so auch nach Wahlsdorf.

Auf der Suche nach einer neuen Heimat waren für die Niedersächsin Inke Hofbauer und ihre Familie drei Dinge wichtig. „Es muss eine Kirche, einen Einkaufsladen und einen Kindergarten geben“, sagt sie. In Wahlsdorf – dort wohnen 280 Menschen mit einem Dutzend Kindern – stimmte alles. „Die Bürger setzten sich für den Erhalt des kleinen Ladens ein“, sagt Manfred Schmiedchen, Vorsitzender des Heimatvereins. Der einstige DDR-Konsum musste angesichts der Konkurrenz durch große Einkaufszentren und Supermärkte auf der „grünen Wiese“ schließen. Doch alle wünschten sich den Dorfladen zurück. Die Stadt Dahme kaufte das Gebäude 2012 der Konsumgenossenschaft ab, berichtet Ortsvorsteher März. Für die weitere Sanierung kann die Kommune als Eigentümerin nun Fördermittel beantragen.

Die Preise im Dorfladen sind ähnlich hoch wie in den großen Supermärkten. Es gibt keinen Wahlsdorf-Rabatt – aber auch keinen Aufschlag. „Der Dorfladen funktioniert nur, weil hier viele einkaufen“, sagt Schmiedchen.

Mit einem Lächeln wiegt Verkäuferin Karina Unger Mettwurst ab, halbiert ein frisches Brot oder hievt ein paar Flaschen Milch auf den Tresen. „Hier ist der Mohn“, sagt sie und legt für Kundin Sibylla Kranz die Zutaten für einen Kuchen bereit. Bevor sie abkassiert, gibt es noch ein paar Empfehlungen: „Der Fisch ist lecker und Buletten sind schon bestellt.“ Als diskreten Hinweis auf anstehende Familienfeiern hat sie Glückwunschkarten aufgebaut. In Kürze gibt es einige Jugendweihen und Konfirmationen.

Wie in einem großen Supermarkt ist auf gut 40 Quadratmetern fast alles zu finden: von Prothesenreinigern über Malstifte bis zu Haarfarben, Dederon-Strümpfen und Hering in Tomatensoße. Die Betreiber des Ladens und Verkäuferin Unger stellen das Sortiment rasch um, wenn die jüngsten Wahlsdorfer keine Windeln mehr benötigen.

Jetzt steht der weitere Ausbau an: Das Dach soll neu gedeckt werden. „Wir wünschen uns auch einen Imbiss“, sagt Schmiedchen. Touristen, die im Ort Station machen, könnten sich stärken. Die Region ist ein Eldorado für Skater. „Für einige Urlauber ist es ein Muss, hier einzukaufen“, sagt Ortsvorsteher März. Manch einer macht ein Foto von den zum Verkauf säuberlich aufgereihten Mausefallen - die braucht man auf dem Lande. Ohne das EU-Projekt würde das Fotomotiv fehlen.

Gudrun Janicke

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