zum Hauptinhalt

Brandenburg: Tatort Schulhof

Pädagogenverbände fordern mehr Fachpersonal, um Gewalt in Klassenzimmern einzudämmen

Potsdam - Sie schlagen und treten Mitschüler, aber auch Lehrer. Gewalttätige Jugendliche, die im Unterricht ausrasten, sind den Zahlen des Landeskriminalamtes zufolge keine Ausnahme. Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) reagiert zwar besorgt auf die Zunahme von Gewaltdelikten an Brandenburger Schulen, stellt aber kein zusätzliches Personal in Aussicht. Schulen seien kein rechtsfreier Raum, sagte Ernst am Sonntag auf PNN-Anfrage. „Deshalb dulden wir keine Form der Gewalt, sei es gegen Lehrkräfte oder gegen Mitschüler“, so die Ministerin.

Die steigenden Zahlen an Straftaten in Schulen seien Anlass, die Maßnahmen zur Gewaltvermeidung und -bekämpfung zu überprüfen und zu modifizieren. Der Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Günther Fuchs, hatte zuvor mehr Schulpsychologen gefordert, um der Gewalt im Klassenzimmer zu begegnen. Diese ist deutlich gestiegen, wie das Landeskriminalamt am Wochenende auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mitteilte. So stieg die Zahl der Körperverletzungen um 60 Prozent auf 748 Fälle und die der gefährlichen und schweren Körperverletzungen schnellte um 44 Prozent auf 185 empor. Fast 50 Prozent mehr Gewaltstraftaten gegen Lehrer wurden registriert: Hier kletterte die Zahl der Fälle von 47 auf 70. Zur Gewalt gegen Lehrer habe es im vergangenen Jahr in Potsdam ausführliche Beratungen von Fachleuten des Ministeriums, der Schulämter und der Lehrervertreter gegeben, teilte Ernst mit. Es sei unter anderem vereinbart worden, die Qualität von Fortbildungen zu erhöhen, Infomaterial zu aktualisieren und die Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe zu stärken. Gezielte und wirksame Prävention bedeute: „Gewalt zum Thema machen, deeskalieren und intervenieren.“

GEW-Landeschef Günther Fuchs überzeugt das noch nicht. „Die Zahl der Schulpsychologen ist immer noch viel zu niedrig“, sagt Fuchs. Der Pädagogen-Verband BVP kritisiert, dass es zu wenig Personal gebe, um Zusatzangebote machen zu können. An Schulen, die Sport, Musik und Kunst über den Unterricht hinaus anbieten, sei das soziale Klima oft besser, die Probleme mit Gewalt geringer, so BPV-Präsident Hartmut Stäker.

Aber nicht nur Körperverletzungen machen den Schulen zu schaffen. Die Zahl der Straftaten insgesamt hat im vergangenen Jahr wieder zugenommen. Sie stieg laut Landeskriminalamt von 141 auf 3646 Delikte – eine Zunahme um vier Prozent. Am stärksten verbreitet waren Diebstähle. Ihre Zahl kletterte von 1335 im Jahr 2016 auf 1387. Am häufigsten wurden Fahrräder gestohlen. Gleiches Bild bei den Rohheitsdelikten, also etwa Stalking, Taschendiebstahl oder Freiheitsberaubung: Auch hier verzeichnet die Statistik ein Plus um 60 auf 938 Fälle. Auch bei der Rauschgiftkriminalität im Schulumfeld verzeichnete die Polizei eine leichte Zunahme um zwei auf 196 Fälle.

Die einzigen Felder, auf denen sich die Lage an den Schulen etwas entspannt hat, waren die Tatbestände der Volksverhetzung und der Sachbeschädigung. 2017 wurden 17 Volksverhetzungen durch Schüler angezeigt – zehn weniger als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Sachbeschädigungen nahm von 640 auf 628 ab.

Brandenburgs Entwicklung folgt dem Bundestrend. Deutschlandweit ist die Kriminalität an Schulen nach Jahren des Rückgangs wieder gestiegen. Kriminologe Christian Pfeiffer sagte, einer der Gründe könne sein, dass die Anzeigequote bei Gewalt unter Jugendlichen leicht gestiegen sei. In Zeiten großer medialer Aufregung über Gewalttaten würden diese häufiger angezeigt. Auch wenn es sich bei den mutmaßlichen Tätern um Ausländer handele, sei die Anzeigebereitschaft statistisch erwiesenermaßen höher. Mit Manfred Rey (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false