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Sulfate in der Spree: Umweltministerium warnt vor neuem Tagebau

Das Brandenburger Umweltministerium schlägt Alarm: Die Pläne des Energiekonzerns Vattenfall für eine umstrittene Erweiterung des Braunkohle-Tagebaus Welzow Süd in der Lausitz können das Trinkwasser in Teilen Brandenburgs und in Berlin gefährden.

Potsdam/Cottbus - Das geht aus einer vertraulichen Stellungnahme des von Anita Tack (Linke) geführten Brandenburger Umweltministerium hervor, die den PNN vorliegt. Grund für die Warnung ist der durch den Braunkohleabbau steigende Sulfatgehalt in der Spree. Aus dem Fluss wird in Teilen Brandenburgs und in Berlin durch Uferfiltration Trinkwasser gewonnen. Nach Ansicht der Brandenburger Umweltexperten hat „die Entwicklung der Sulfatkonzentration in der Spree entscheidenden Einfluss auf die Trinkwasserversorgungssicherheit der Versorgungsbereiche Lübbenau, Frankfurt (Oder) und Berlin“. Dabei sei bereits jetzt „die Sulfatbelastung der Spree so hoch, dass die Trinkwassergewinnung aus Uferfiltrat gefährdet ist. Dabei hat der aktive Bergbau zusammen mit den Kraftwerken der Braunkohleverstromung einen Anteil von circa 80 Prozent am Sulfateintrag in die Spree“, heißt es in der Stellungnahme. Darin beklagt das Ministerium überdies, dass Vattenfall die Folgen für Umwelt, Klima und das Erreichen der Klimaschutzziele durch den neuen Tagebau nur unzureichend geprüft habe. Vattenfalls Umweltbericht entspreche nicht gesetzlichen Anforderungen.

Das Papier aus dem Umweltministerium hat regierungsintern einige Sprengkraft. Denn damit stellt es sich gegen die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) vorgegebene Linie, langfristig an der Kohleverstromung festzuhalten. Zugleich torpediert das Umweltministerium damit das Vorgehen des Wirtschafts- und des Infrastrukturressorts. Letzteres treibt als zuständiges Ministerium das Braunkohleplanverfahren für die Erweiterung des Tagesbaus Welzow Süd voran.

In Cottbus läuft dazu seit gestrigem Dienstag ein dreitägiges Anhörungsverfahren. Nachdem gestern unter anderem Formfragen zur Zulässigkeit des Verfahrens diskutiert wurden, soll es am heutigen Mittwoch um die Umsiedlung von 810 Welzowern und die Folge des Braunkohleabbaus für den Wasserhaushalt, konkret für die Flüsse und das Trinkwasser gehen. Betroffene Bürger, Verbände, Kommunen, Unternehmen, Vereine und Organisationen haben fast 5000 Einwendungen zum Braunkohlenplan Welzow-Süd II eingereicht. Vattenfall will im Jahr 2027 den neuen Tagebau öffnen und dort 204 Millionen Tonnen für das Kraftwerk Schwarze Pumpe abbauen. Das Gebiet umfasst 2000 Hektar.

Auch vor Ort sind die Pläne umstritten. Vattenfall will ab 2027 den Tagebau Welzow-Süd erweitern und die dort vermuteten 200 Millionen Tonnen Braunkohle in Strom umwandeln. Mehr als die Hälfte des Kohlestroms aus Brandenburg wird exportiert – auch nach Berlin. Umweltverbände kritisieren, mit dem Festhalten an den Plänen und wegen des hohen Ausstoßes von Kohlendioxid seien die Klimaziele der Bundesregierung und auch Brandenburgs nicht zu erreichen. Die Landtagsabgeordnete Sabine Niels (Grüne) forderte eine sofortige Einstellung des Planverfahrens. Der Braunkohlenplan habe Rechtsmängel und inhaltliche Lücken und sei daher nicht genehmigungsfähig, sagte sie. Der hohe Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid bei der Braunkohleverbrennung sei nicht berücksichtigt worden. Ein Zwischenergebnis des Anhörungsverfahrens wird noch dieses Jahr erwartet. Eine Entscheidung über den neuen Tagebau soll allerdings frühestens im Herbst 2013 fallen.

Auch die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ist mit den Tagebau-Plänen befasst. Man sei gewarnt, sagte der stellvertretende Referatsleiter für Wasserwirtschaft, Matthias Rehfeld-Klein, den PNN. Bislang sei die Situation nicht dramatisch. Allerdings könnten unter bestimmten Bedingungen bis zum Jahr 2015 kurzfristig die Grenzwerte von 250 Milligramm Sulfat je Liter in der Berliner Spree überschritten werden. Dieser Wert entspricht den Grenzwerten für Trinkwasser. Zu viel Sulfat im Trinkwasser führt zu Durchfall und Erbrechen. Folgen hätte ein Überschreiten der Grenzwerte zunächst für das Wasserwerk Friedrichshagen. Dort müsste dann der Betrieb eingestellt werden.

Zum Hintergrund: Dort, wo Tagebaugruben stillgelegt wurden, steigt das Grundwasser an und leitet Säure, Eisen und Sulfat in die Spree. Welches Ausmaß die Belastung mit Sulfat dann annimmt, weiß niemand. Die Situation gilt als schwer kontrollierbar. Auch aus aktiven Tagebauen gelangen die Stoffe über Sickerwasser in Flüsse. Experten und Umweltverbände rechnen mit einer Zunahme. Technische Lösungen, um das Sulfat aus dem Wasser herauszufiltern, gibt es es nach Angaben des Umweltministeriums nicht.

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