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Der Kohleausstieg ist eingeleitet, der Strukturwandel der Lausitz in vollem Gange.

© picture alliance/dpa

Strukturwandel in der Lausitz: Mit Hundeschlitten und Karpfenküche

Eine Parlamentsanfrage im Brandenburger Landtag offenbart, für welche Projekte in der Lausitz Steuergelder ausgegeben werden.

Potsdam - Mit einem Betrag von mehr als 48.000 Euro fördert das Land Brandenburg „geführte Touren mit Huskyschlitten durch Tagebaufolgelandschaften“. Für 1.500 Euro darf der Verein „Cottbuser Narrenweiber“ eine Delegation aus Nordmazedonien in der Lausitzmetropole empfangen. Und 6.298 Euro ist dem Land ein Buchprojekt zur „Kleidung der Sorben und Wenden im Forster Raum“ wert.

Was alle diese Projekte gemeinsam haben? Sie wurden im Jahr 2020 aus einem 700.000 Euro umfassenden Fonds bewilligt, mit dem zivilgesellschaftliche Kleinprojekte und regionale Vorhaben des Strukturwandels in der Lausitz unterstützt werden sollen. Grundlage dafür waren die sogenannten „Fördergrundsätze Lausitz“ der Potsdamer Staatskanzlei. Das geht aus einer Antwort der Potsdamer Staatskanzlei auf eine „Kleine Anfrage“ des Fraktionsvorsitzenden der Linken im Potsdamer Landtag, Sebastian Walter, hervor, die dieser Zeitung vorliegt.

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Kritik an Auswahl der Projekte

Bereits im vergangenen Jahr war die Auswahl der Projekte zur Förderung des Strukturwandels ausgesprochen kreativ. So unterstützte die Landesregierung die Anschaffung eines Rasentraktors für die Freiwillige Feuerwehr in Saspow mit 2.876 Euro. Die Übersetzung des sicher literaturpreisverdächtigen Buches „Ronny und seine sagenhaften Freunde im Reich der Hexe Morawa“ in die wendische Sprache wurde mit 10.000 Euro gefördert. Und zweimal knapp 30.000 Euro erhielt das Amt Peitz für die Anschaffung und Ausstattung von Lehrküchen, in denen Schüler offenbar die Zubereitung von Karpfen lernen sollen – die Überschrift des Projekts lautet jedenfalls „Karpfen trifft Schule“. Was das alles mit Strukturwandel in der Lausitz zu tun hat? 

Der Fraktionschef der Linken zeigt sich auf Nachfrage etwas ratlos. „So etwas führt eher nicht dazu, dass neue Arbeitsplätze entstehen oder Ideen für den Strukturwandel zum Tragen kommen“, sagt Walter. Prinzipiell würden die Linken es sehr begrüßen, dass es in der Lausitz auch einen Fonds für zivilgesellschaftliche Projekte zum Strukturwandel gebe. Und es gebe ja auch positive Beispiele, die aus diesem Topf gefördert würden – etwa eine Studie über die nachhaltige Stromnetzanbindung der Stadt Forst, eine Rückkehrerinitiative oder Projekte zum Wissenschaftstransfer an der Technischen Universität in Cottbus und Senftenberg. „Aber generell muss das Land genauer hinschauen, was eine Förderung verdient hat.“

Blick auf den Stadthafen von Senftenberg.
Blick auf den Stadthafen von Senftenberg.

© ZB

Land müsse bei der Vergabe von Geldern genau hinschauen

Auch im Gespräch mit Vertretern des Regierungslagers war am Dienstag eine gewisse Skepsis nicht zu überhören. Alle drei Fraktionschefs betonten gegenüber dieser Zeitung, dass das Land bei der Vergabe von Geldern, die dem Strukturwandel dienen sollten, sehr genau hinschauen solle. „Wir müssen alle ein Interesse daran haben, dass die Gelder aus dem Strukturwandel sinnvoll ausgegeben werden“, sagte etwa der Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag, Benjamin Raschke, auf Nachfrage. Der CDU-Fraktionschef Jan Redmann äußerte sich ähnlich. 

„Wichtig ist es, die Strukturfördermittel auf strategische Investitionen zu konzentrieren, mit denen man auch nachhaltig Wirtschaftsawachstum erzielen kann“, sagte Redmann dieser Zeitung. Das habe das Land „im Blick auf die Bundesmittel aber auch vor.“ Und SPD-Fraktionschef Erik Stohn erklärte, die Mittel, die in den Strukturwandel flössen, sollten diesen auch befördern. „Das sind schließlich Mittel, um die wir hart in Berlin ringen“, sagte Stohn. „Da ist man auch unter Rechtfertigungsdruck.“

Lausitzbeauftragter verteidigt Vorgehen

Ganz anders äußert sich dagegen der Lausitzbeauftragte des Brandenburger Ministerpräsidenten, Klaus Freytag. "Mit dem von der Bundesregierung in 2018 angeschobenen Prozess des schrittweisen Kohleausstieges war der damaligen Landesregierung bewusst, dass auf die Lausitz und die zivilgesellschaftlich engagierten Akteure eine besondere Herausforderung zukommt“, sagte Freytag am Dienstag auf Nachfrage dieser Zeitung. Deswegen sollten „auf einfachem, nachvollziehbarem Weg gerade die "kleinteiligen" Projekte von Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht werden.“ 

Als Bewertungskriterien für die Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte entsprechend der „Fördergrundsätze Lausitz“ hätten die Erhöhung der Bleibebereitschaft, die Bildung von Kindern und Jugendlichen sowie die Unterstützung von Vereinen im Vordergrund gestanden. „Die benannten Projekte konnten daher transparent und im Sinne einer gesamtheitlichen Entwicklung der Lausitz gefördert werden.“ Die Strukturgelder des Bundes bewegten sich dagegen auf einer völlig anderen Ebene. „Für diese Finanzhilfen hat der Bund klare Anforderungen wie die  Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur gestellt“, sagte Freytag. „Von daher ergänzen die "Fördergrundsätze Lausitz" die vielseitigen Anforderungen, die an eine im Strukturwandel befindliche Region gestellt werden."

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