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Bleiben oder gehen? In der Lausitz stehen viele Frauen vor dieser Entscheidung. 

© dpa

Strukturwandel in der Kohleregion: Der Lausitz laufen die Frauen weg

Strukturwandel und demografischer Wandel treffen die Lausitz. Am Mittwoch debattiert der Landtag darüber, wie die Region für Frauen attraktiver gemacht werden kann. 

Potsdam - Schon jetzt sind in der Lausitz die Männer in der Überzahl. 2021 kamen laut Statistischem Bundesamt auf 100 Männer nur 94 Frauen. Vor allem junge Frauen hält es nicht in der Region, so das Ergebnis des Lausitz-Monitors, einer zuletzt 2021 durchgeführten repräsentativen Bevölkerungsumfrage zum Strukturwandel. 

Während 73 Prozent der Generation 60plus angeben, die Lausitz zu lieben, sind dies in der Altersgruppe der 18- bis 29-jährigen nur 32 Prozent. Besonders gering ist der Umfrage zufolge die Verbundenheit junger Frauen. Im Vergleich zu jungen Männern fühlen sie sich auch moralisch nicht für die Lausitz verantwortlich. Nur ein knappes Viertel (24 Prozent) der 18- bis 39-jährigen Frauen fühlt sich der Lausitz verpflichtet. 

Unter Männern gleichen Alters liegt der Wert bei 41 Prozent. Nur jede vierte jüngere Frau (26 Prozent) in dieser Altersgruppe ist mit der derzeitigen Situation in der Lausitz zufrieden oder sehr zufrieden; bei den gleichaltrigen Männern liegt dieser Anteil bei immerhin 45 Prozent. 

Viele junge Menschen wollen wegziehen 

Insgesamt ist es für jeden zehnten Lausitzer wahrscheinlich, innerhalb der nächsten zwei Jahre aus der Region wegzuziehen. Die Wegzugsbereitschaft ist vor allem in der jungen Generation hoch. Fast jeder zweite junge Mensch im Alter zwischen 18 und 29 Jahren plant, die Lausitz innerhalb der nächsten zwei Jahre zu verlassen. 

„Diese Abwanderung trifft die Lausitz als Region im Wandel in besonderem Maße“, heißt es in der Studie „Frauen als Wirtschaftsfaktor für die Lausitz“ im Auftrag der Wirtschaftsregion Lausitz. Auf dem Arbeitsmarkt stellten Frauen nicht nur den Großteil des Pflegepersonals. Auch die Bereiche Erziehung, Bildung und Dienstleistung seien ohne Frauen kaum vorstellbar. 

Gemeinsamer Antrag von SPD, CDU und Grünen 

Die Koalitionsfraktionen von SPD, CDU und Grünen wollen nun mit einem gemeinsamen Antrag dafür sorgen, dass die Lausitz vor allem für Frauen attraktiver wird und sie ihrer Heimat, die den Ausstieg aus der Braunkohle und die damit einhergehenden Veränderungen in der Arbeitswelt bewältigen muss, nicht den Rücken kehren. 

Am Mittwoch (23.3.) steht der „Ohne Frauen kein Strukturwandel. Weibliche Perspektiven stärken!“ überschriebene Antrag auf der Tagesordnung der Plenarsitzung des Landtags. „Ziel muss es sein, dass die Lausitz für Frauen gleichermaßen lebenswert wie für Männer ist“, heißt es in dem Antrag. Die demografischen Veränderungen stellten die Region vor einen ähnlich großen Strukturwandel wie der Kohleausstieg, dem nur durch Zuzug und weniger Abwanderung Einhalt geboten werden könne. 

Um junge Frauen dazu zu bewegen, in die Region zu kommen oder dort zu bleiben, sei es wichtig, dass auch ihre Interessen in den Blick genommen und ihnen ähnlich attraktive Möglichkeiten geboten werden wie den vom Kohleausstieg betroffenen Industriearbeiterinnen und -arbeitern. Doch derzeit seien es viel zu selten Frauen, die sich zum Strukturwandel äußern. 

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Die Lausitz leide wie viele ländliche Regionen unter Frauenmangel, so Ricarda Budke, Sprecherin für den Strukturwandel in der Lausitz der Grünen-Fraktion. Schon in den 90er-Jahren hätte vor allem junge Frauen die Region verlassen. „Wir müssen die Chance ergreifen, den Strukturwandelprozess stärker auf die Bedürfnisse von Frauen auszurichten. Dafür brauchen wir gleichermaßen Frauen wie Männer in den Gremien, die den Strukturwandel gestalten“, so Budke. 

Die Landesregierung solle deshalb nicht bezifferte Personalstellen und Haushaltsmittel bereitstellen, um die Lausitzer Frauennetzwerke in ihrer Arbeit zu unterstützen, wird in dem Antrag gefordert. Zudem sollten Angebote speziell für Frauen konzipiert werden, etwa Informationen für Existenzgründerinnen. Die Landesbehörden in der Lausitz sollten zudem flexiblere Arbeitszeitmodelle möglich machen. 

Frauenmangel kann Fremdenfeindlichkeit befördern 

Wichtig seien nicht nur die wirtschaftlichen Aspekte, meinen die Koalitionsfraktionen. Auch der gesellschaftliche Zusammenhalt leide unter der Situation. Frauenmangel und die damit einhergehende Homogenisierung der Gesellschaft könne intolerante, demokratieablehnende Einstellungen und Fremdenfeindlichkeit verstärken, wie die Studie „Abwanderung, Alterung, Frauenschwund“ am Beispiel des ländlichen Raumes in Thüringen zeigt. 

Der Linken geht der Antrag nicht weit genug 

Die Sprecherin der Linksfraktion für den Strukturwandel, Anke Schwarzenberg, nennt den Antrag der Koalition „mutlos“. Um wirklich etwas für die Frauen zu bewegen, müsse man weiter gehen. 

Freie Tage für die Ausübung eines Ehrenamts, nicht nur eine jetzt schon mögliche Freistellung für Sitzung von Kommunalparlamenten seien nötig. Zudem stellt sie sich ein „Frauenplenum für die Lausitz“ vor, das mit Vertreterinnen der Gleichstellungsbeauftragten der Lausitzkommunen besetzt werden soll. 

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