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Streit um Braunkohle in Brandenburg: Der Kampf um Welzow Süd II

Wirtschaftsverbände und Initiativen sammeln Unterschriften für den geplanten Braunkohletagebau Welzow Süd II. Auch in öffentlichen Gebäuden. Greenpeace hält das für rechtswidrig.

Potsdam - Die Umweltorganisation Greenpeace droht mit rechtlichen Schritten gegen Unterschriftensammlungen in öffentlichen Gebäuden für den geplanten Braunkohletagebau Welzow Süd II. Hintergrund ist das dreimonatige, bis 17. September laufende Beteiligungsverfahren zu den Tagebauplänen des Energiekonzerns Vattenfall. Greenpeace sieht das staatliche Neutralitätsgebot verletzt. Unter dem Dach des Vereins „Pro Lausitzer Braunkohle“ sammeln Wirtschaftsverbände, Initiativen und die Gewerkschaft Industrie Bergbau Chemie (IG BCE) dafür in einer breit angelegten Kampagne Unterschriften. Befürworter der Kohleverstromung können die vorgefertigen Stellungnahmen in Boxen einwerfen, die allerdings teils in öffentlichen Gebäuden aufgestellt sind, darunter das städtische Carl-Thiem- Klinikum in Cottbus, das Kreishaus in Calau (Oberspreewald-Lausitz) und die Stadtverwaltung Großräschen.

In einem offenen Brief von Greenpeace an Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) heißt es: Sobald die Gemeinsame Landesplanungsabteilung dulde, „dass Einwendungen unter Verletzung des Neutralitätsgebots bei staatlichen Institutionen Brandenburgs gesammelt werden, setzt sie sich dem Vorwurf der Befangenheit aus“. Daher werde Greenpeace – falls nötig – einstweilige Anordnungen gegen einzelne Behörden, in denen die Sammelboxen er Kohlebefürworter aufgestellt sind, erwirken. „Sollte das Land Brandenburg als übergeordneter Rechtsträger nicht unverzüglich einschreiten, ist die endgültige Entscheidung über den Braunkohlenplan gegebenenfalls wegen Befangenheit rechtswidrig.“ Die benannten Behörden und öffentlichen Stellen müssten unverzüglich angewiesen werden, „die Unterstützung der Sammlung von Einwendungen für Pro Lausitzer Braunkohle bis Dienstag, 10. September, einzustellen“. Bereits an den öffentlichen Einrichtungen gesammelte Unterschriften dürften nicht eingereicht werden.

Andreas Groebe, Sprecher von „Pro Lausitzer Braunkohle“ dagegen sagt, nicht alle Verwaltungen hätten die Sammelaktionen in ihrem Räumen erlaubt. Das sei abhängig von der jeweiligen Beschlusslage in den Kommunen und Kreisen.

Das Landratsamt Oberspreewald-Lausitz hat nach eigenen Angaben einem schriftlichen Antrag der Initiative "Pro Lausitzer Braunkohle" nach ordnungsgemäßer Prüfung stattgegeben. Auch Braunkohlegegner haben demnach nur telefonisch angefragt, ob im Kreisbürgerbüro Unterschriften gesammelt werden können. "Ein schriftlicher Antrag liegt bislang nicht vor", sagte die Sprecherin des Landratsamtes, Sarah Werner. Das Interesse, Sammelboxen für Stimmensammlungen in der Kreisverwaltung aufzustellen, sei "eher übersichtlich".

Die Lausitzer CDU-Landtagabgeordnete Monika Schulz-Höpfner findet das Vorgehen der Behörden „sehr seltsam“. Es handle sich um eine „groß angelegte Aktion von IG BCE und Vattenfall“, die auf „existierende Strukturen aufbaut und eine Form von Konsens vermittelt, dass es ohne Braunkohle nicht geht“. Es geht dabei auch um finanzielle Abhängigkeiten von Vattenfall.

Auch der parteilose Cottbuser Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic sieht einen Verstoß gegen das Neutralitätsverbot. Grund ist eine Unterschriftensammelaktion der IG BCE bei der  Knappschaft Bahn-See in Cottbus. Es sei nicht hinnehmbar, öffentliche Einrichtungen wie die Knappschaft einseitig zur Unterschriftensammlung für die Umsiedlung weiterer Dörfer durch den Kohletagebau zu nutzen.

Immerhin haben selbst die Kohlegegner Respekt von der Kampagne der Kohle-Anhänger. Es ist das erste Mal überhaupt, dass sich eine Front aus Gewerkschaften, Politik, Kommunen und Wirtschaftsverbänden derart breit aufstellt, um die Pläne für einen neuen Tagebau zu retten. Seit Monaten stehen sich Befürworter und Gegner von Tagebauen und Braunkohlekraftwerken unversöhnlich gegenüber wie nie, die Fronten sind verhärtet.

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt: Bei der Anhörung zu Welzow- Süd II im vergangenen Jahr war der Tagebauplan durchgefallen, die energiepolitische Notwendigkeit für neue Umsiedlungen und die Abbaggerung von Dörfern – wie überhaupt für den neuen Tagebau - konnte von Vattenfall nicht klar nachgewiesen. Daher gab es einen Neustart, erst ein Beteiligungsverfahren, bei dem Bürger, Kommune, Träger öffentlicher Belangen und Verbände Einwendungen abgeben können. Im Anschluss gibt es eine öffentliche Anhörung. Bereits im Mai, vor dem Start des Beteiligungsverfahrens, hatten die IG BCE, der Verein „Pro Lausitzer Braunkohle“ und anderen Initiativen eine Demonstration für den neuen Tagebau organisiert. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Woidke, damals noch Innenminister, war dabei, ebenso Landräte, ein Cottbuser Bürgermeister, Sportler wie Maximilian Levy, Vize-Olympiasieger im Bahnradsport. Auch der Zweitligist FC Energie Cottbus setzt sich für die Kohle ein. Nach der Demonstration kam jedenfalls die Idee für die nun laufende breite Kampagne. Alles „politisch und finanziell gesteuert“, findet Daniela Setton von der Klimaallianz Deutschland. Sie sieht ein Netzwerk aus SPD, Unternehmen und Verwaltungen am Werk. „Hier wird sehr einseitig Meinungsmache betrieben“, sagt Setton.

Tatsächlich geht es auf den vorgefertigten Stellungnahmen für den neuen Tagebau nicht um Einwände, die üblicherweise in Beteiligungsverfahren geltend gemacht werden. Auf den Zetteln steht gleich oben: „Meine Stimme fürs Revier“. Der Unterzeichner befürwortet die Absicht des Landes, die planerischen Voraussetzungen für den neuen Tagebau zu schaffen. Das Braunkohleplanverfahren müsse zügig zu Ende geführt werden und der Landesregierung im ersten Quartal 2014 zur Entscheidung vorgelegt werden.

Vom Reizthema, der Abbaggerung von Dörfern, findet sich darin kein Wort. Auch die Klimafolgen der Kohleverstromung kommen nicht zur Sprache. Dabei gehören die Lausitzer Braunkohlekraftwerke zu den dreckigsten Europas, der Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid ist immens hoch.

Andreas Groebe von „Pro Lausitzer Braunkohle“ sagt, es gehe um die Zukunft der Lausitz. Und darum, „dass die Braunkohleförderung über das Jahr 2025 hinaus weitergeführt wird und damit 10000 Arbeitsplätze gesichert sind“. 6000 sind es bei Vattenfall in Brandenburg, 4000 weitere im Umfeld. Und dann macht Groebe eine ganz neue Front auf – wir Lausitzer gegen die Ökoaktivisten aus Hamburg und Berlin. „Wir wollen nicht, dass diejenigen die aus Hamburg und Berlin kommen, über die Lausitz entscheiden“, sagt Groebe. Deshalb habe man mit der Kampagne den Lausitzer eine Stimme geben wollen, es sei auch eine Initiative für etwas, dass nämlich weiterhin ob Braunkohle gefördert und verstromt werden soll. Und auch nach Ende des Beteiligungsverfahrens werde die Kampagne in anderer Form fortgesetzt.

Selbst Vattenfall-Mitarbeiter sollen nach Angaben der Kohlegegner angewiesen worden sein, Unterschriften zu sammeln. Immer mit Hinweis auf die Arbeitsplätze. Ein Sprecher des Konzerns widerspricht dem, nennt es aber durchaus verständlich, wenn Bergleute für ihre Unternehmen Unterschriften sammeln.

FÜr Daniela Setton von der Klimaallianz ist klar, warum in der Lausitz die Kohlebefürworter jetzt derart aktiv werden. So aktiv, dass nach Berichten von Kohlegegern der öffentliche Druck groß ist. Mehrere Vattenfall-Mitarbeiter hätten von der Erklärungsnot berichtet, in sie geraten seien,, als sie nicht unterschreiben wollten. Setton sagt: „Wenn die Pläne für Welzow-Süd fallen, dann wird es in ganz Deutschland keinen neuen Braunkohletagebau mehr geben.“

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