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Brandenburg: „Stop-and-Go auf der Baustelle“

Das Terminal? Wird teurer. Der Brandschutz? Nicht fertig. Der Check-In? Zu klein. Die Flughafenchefs hätten das Chaos früh vermeiden können – die Lektüre der BER-Unterlagen vorausgesetzt. Jetzt stolpert Rainer Schwarz darüber

Schönefeld - Nach PNN-Informationen wusste die Spitze des Flughafens BER bereits im Jahr 2008 – noch vor dem Baustart für das Terminal – , dass der geplante Kostenrahmen und der Zeitplan wegen der geplatzten Ausschreibung an einen Generalunternehmer nicht zu halten ist. Zudem gab es seither eine ganz Reihe anderer Warnungen an die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft. Manfred Körtgen wurde bereits im Mai entlassen und durch Horst Amann als Technikgeschäftsführer ersetzt. Noch im Amt ist der für das laufende Geschäft zuständige Rainer Schwarz. Jetzt könnte es auch ihn treffen.

Denn es geht es um die Frage, wer die Verantwortung trägt. Für die wiederholte Verschiebung der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafen, für die steigenden Kosten – wo doch Berlin und Brandenburg es günstiger schaffen und besser machen wollten als die Privatwirtschaft. Die Sonderkommission des Bundesverkehrsministeriums kommt zu einem klaren Ergebnis: Schwarz hat nicht rechtzeitig vor den Problemen mit dem Eröffnungstermin gewarnt.

Denn es geht auch um Informationen, um die Frage: Wer wusste wann was? Der Aufsichtsrat selbst, geführt von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD), will nicht vollständig informiert worden sein über die Probleme. Offiziell hieß es Anfang Mai, als der Eröffnungstermin für Anfang Juni abgesagt wurde, dieser sei wegen der Brandschutzanlage nicht zu halten. Tatsächlich ist das nach PNN-Recherchen nur das Ergebnis einer Reihe von Pannen, in deren Zentrum die BER-Geschäftsführung steht. Bestätigt wird das auch durch das ZDF, das am heutigen Abend berichtet („Der Fluchhafen Berlin“, 21 Uhr)

Wie Insider von mehreren Seiten bestätigen, hatte der damalige technische Geschäftsführer Thomas Weyer im Frühjahr 2008 noch vor seinem Wechsel zum Flughafen München in einem Papier Bedenken der Generalplaner – der PG BBI um das Architekturbüro gmp von Meinhard von Gerkan – zur Kenntnis genommen. Demnach akzeptierte die Flughafengesellschaft die Warnungen der Planer, wonach das Terminal nicht für die geplanten 630 Millionen Euro zu bauen ist, sondern bei rund einer Milliarde Euro landen wird – zu genau jenem Preis, den ein Baukonsortium um Hochtief angeboten hatte, der Politik beim Vergabeverfahren im Jahr 2007 aber zu hoch war.

Tatsächlich liegen die Kosten jetzt bei 1,2 Milliarden Euro. „Praktisch wurde schon damals die Kostenobergrenze gestrichen“, sagt ein Insider. Zugleich räumte die Flughafengesellschaft schon damals noch vor dem Baustart des Terminals einen Zeitverzug ein.

Dass ausgerechnet der inzwischen entlassene Körtgen den Posten Weyers bekam, wurde von Fachleuten damals als problematisch angesehen. Körtgen soll die Existenz des Papiers, das den Anstieg der Kosten und den Zeitverzug festhielt, später stets zurückgewiesen haben. Er wurde im Mai 2012, nachdem der Juni-Termin für die Eröffnung geplatzt war, entlassen. Ihm wird angelastet, den Aufsichtsrat nicht ausreichend über die Risiken auf der Baustelle, die Probleme mit der Brandschutzanlage und den Verzug informiert zu haben.

Vom Ende des Jahres 2008 datiert ein zweites Warnschreiben, diesmal von der Projektmanagementfirma „Drees & Sommer“. Von erheblichen Kostenüberschreitungen bei den Ausschreibungen, der Gebäudehülle und der Gebäudetechnik, weiteren Risiken für Kosten und der Fertigstellung im Oktober 2011 ist die Rede. Die Flughafengesellschaft kündigte „Dress & Sommer“ Anfang 2009.

Der Grund für die Probleme waren zahlreiche Änderungswünsche der BER- Betreiber. Das belegt eine Untersuchung der Wirtschaftsprüfer „Ernst & Young“. Darin heißt es, der Bauherr habe gravierende Änderungen angeordnet und massive Eingriffe in bestehende Pläne vorgenommen. Die Folge war ein „Stop-and-Go“ auf der Baustelle. Die Unternehmensberater bezeichnen die Eingriffe der Flughafengesellschaft als „wesentliche Störungen“, darunter die Anordnung von 2007, mehr Platz für Läden und Restaurants zu schaffen. Heute warnen Experten vor Platzproblemen an den Sicherheitsschleusen und Check-in-Schaltern. Auch der angeordnete Wechsel der Passagierbrücke für den Riesenflieger A 380 vom Hauptgebäude an den Rand war solch ein Einschnitt in die Planungs- und Bauabläufe. Mehrere Planer berichten davon, wie Terminpläne nnd Bauabläufe völlig durcheinander kamen, weil Unterlagen ständig überarbeitet und die Bauabläufe immer wieder neu geplant werden mussten.

Im Juni 2010 verschob dann der Aufsichtsrat die Eröffnung von Oktober 2011 auf Juni 2012. Es gab sogar einen Beschluss der Geschäftsführung, dass es ab jetzt keine Änderungen mehr geben solle. Es kam anders. Die Wirtschaftsprüfer von „Ernst & Young“ listen eine ganze Reihe von Änderungen auf, die auf der Baustelle schließlich Chaos auslösten.

Im September 2011 standen die Signale in den Monatsberichten der Planer auf Rot, in den Unterlagen für den Aufsichtsrat nur auf Gelb. Für das Berichtswesen an den Aufsichtsrat verantwortlich ist Rainer Schwarz. Auch das Bauordnungsamt des Landkreises Dahme-Spreewald äußerte im März Bedenken, dass der Flughafen rechtzeitig fertig wird. Je enger es wurde, desto größer der Eifer, der auf der Baustelle nur noch mehr Chaos anrichtete. Schwarz nennt es heute „Endspurtmaßnahmen“, das Ergebnis sind etwa überbelegte Kabelschächte, die gegen alle Vorschriften verstoßen.

Dazu passt das neueste Ergebnis der Soko BER des Bundesverkehrsministeriums, dass sich auf Unterlagen der Unternehmensberatung McKinsey und des Münchener Flughafens zum Probebetrieb im Frühjahr 2012 stützt. Demnach soll Schwarz den Aufsichtsrat monatelang falsch und nicht umfassend informiert, ja sogar bewusst in Unkenntnis gelassen haben, dass die Eröffnung im Juni nicht zu halten ist. Spätestens im März hätte die Notbremse gezogen werden müssen. Schwarz selbst weist die Vorwürfe zurück: „Noch Anfang Mai ist von den Projektbeteiligten an keiner Stelle der Hinweis gekommen, dass die Inbetriebnahme nicht funktioniert.“

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