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Mit Kerzenlicht und Glühweinduft. Ein paar Union-eigene Fanlieder werden gewiss auch diesmal den Weg ins Repertoire des Weihnachtssingens in der Alten Försterei finden. Die Aufnahme entstand im Vorjahr, diesmal soll es noch voller werden.

©  Matthias Kern

Brandenburg: Stille Nacht, eiserne Nacht

Seit zehn Jahren ist das Weihnachtssingen beim 1. FC Union Tradition in Berlin-Köpenick. An diesem Montag werden hier sogar 25 000 Fans erwartet – zum 90-Minuten-Spiel ohne Fußball

Berlin - Vor zehn Jahren kletterten ein paar verrückte Fans des 1. FC Union am Tag vor Heiligabend über den Zaun im Stadion an der Alten Försterei. Motto der 89 Träger des rot-weißen Schals: „An der Mittellinie wird gesungen.“ Und zwar Weihnachtslieder. „Schließlich ist das hier unser Wohnzimmer“, sagten sie, tranken Glühwein, sangen immer lauter und länger und ahnten nicht, dass sie damit eine Tradition begründeten, die so zu Union passt wie die Vereinsfarben zum Weihnachtsmann. Von Jahr zu Jahr kamen mehr Sangesfreunde, um am Tag vor Heiligabend Punkt 19 Uhr mit Glockengeläut und Bläserchor einen sinnig-sinnlichen Abend zu verbringen.

20 000 Fans der „Eisernen“ waren im vorigen Jahr dabei, noch mehr werden es diesmal sein, denn bei diesem 11. Weihnachtssingen spielt zum ersten Mal die neue Haupttribüne mit. Hier kann man auch „weihnachtliche Naschereien, festlich geschmücktes Ambiente, Gebäck und Getränke samt Sitzplatz für 39 Euro“ erwerben. Auch auf dem (mit Platten abgedeckten) Spielfeld stehen die Weihnachtssänger mit ihren Liederbüchern und Kerzen in der Hand (die an den Eingängen kostenlos ausgeteilt werden). Union möchte keine Rekorde brechen, aber mit 25 000 Teilnehmern ist zu rechnen. Das ist so einmalig auf unserem Kontinent, dass sich zahlreiche TV-Sender angesagt haben. Ein großes 90-Minuten-Spiel ohne Fußball. Hier treffen sich Ost und West in Köpenick, und natürlich werden auch ein paar Union-Hymnen in die Weihnachtsmusik geschmuggelt, damit Gänsehaut bis zur 90. Minute garantiert ist.

Eigentlich bestimmt the same procedure as every year das Programm: Um 17 Uhr werden die Tore geöffnet, Einlasskarten gibt es an allen Eingängen. Die Großen können Glühwein trinken, die Kleinen Kakao. Ein Männerchor wetteifert mit einem Bläserensemble. Zum Anpfiff läuten die Glocken (von der CD), und dann unterstützt der Chor des Emmy-Noether-Gymnasiums aus Köpenick die Choristen auf den Rängen. 50 Schüler von der „Bewegten Schule“ haben mit Bildern und Motiven des Zweitligisten Union ihre Spendeneimer versehen, mit denen der Verein Geld für sein Jugend-Leistungszentrum sammelt. Ansonsten ist der Eintritt frei.

Für die Begleitmusik sorgt wieder die Familie von Pressesprecher Christian Arbeit, dessen Trompete den Ton angibt – und für das wahre Weihnachten sorgt Köpenicks Pfarrer Peter Müller. Der trägt eine von seiner Frau gestrickte Stola in den Farben rot-weiß und liest mit dem Fan-Schal um den Hals die christliche Weihnachtsgeschichte. Bei der Predigt leuchten die eingewebten rot-weißen Kreuze an jeder Seite der Stola. „Is ja der Hammer“, sagte ein Fan im letzten Jahr spontan, als er dieser seltenen Verbindung von christlicher Botschaft und Fußballbegeisterung begegnete. Pastor Müller schwärmt vom „zwischen- und mitmenschlichen Verhalten“, die das Miteinander und den Zusammenhalt dieser großen Union-Familie bestimmen.

Das schreibt Peter Müller in einem Buch mit dem Titel „23.12., neunzehn Uhr“, das in der Edition Else erschienen und für zehn Euro zu haben ist – viele Bilder und Storys zu einem Ereignis, bei dem es um viel mehr als nur um Fußball geht. Wenn es eines Beweises für gelebte Fankultur bedarf, dann gehört dazu dieses Zusammensein von 25 000 Menschen, die ein Stadion mit ihren Kerzen beleuchten und von überall her kommen, um „Stille Nacht“ und „O du fröhliche“ in den Abendhimmel zu schmettern. Kein Kirchengesang oder Domchor – und ein wenig doch. Denn heute Abend wird die Alte Försterei zu einer mit Fußball durchmischten Weihnachtsliedergottesdienstarena. Und Unions Star und Kapitän Torsten Mattuschka ist auch dabei. Lothar Heinke

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