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Der Fund bislang unbekannter Unterlagen zur Stasi-Überprüfung der ersten Landtagsabgeordneten nach 1990 hat Mitgliedern der Enquetekommission zur Aufarbeitung der Nachwendejahre Verwunderung und Empörung ausgelöst.

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Stasi-Überprüfung: Dombrowski: „Skandalöser Aktenfund“

Die Enquete-Mitglieder können die Akten ab nächste Woche im Landeshauptarchiv einsehen, sagte die Kommissionschefin Susanne Melior (SPD). Einen Auftrag für ein neues Gutachten gebe es nicht.

Potsdam - Der Fund bislang unbekannter Unterlagen zur Stasi-Überprüfung der ersten Landtagsabgeordneten nach 1990 hat Mitgliedern der Enquetekommission zur Aufarbeitung der Nachwendejahre Verwunderung und Empörung ausgelöst. Dieter Dombrowski (CDU) sprach von einem „zweifelhaften Umgang“ mit wichtigen Akten des Landtags. „Es ist ein Skandal, dass bei der Landtagsverwaltung nun erneut Akten gefunden wurden, die der Kommission nicht zur Verfügung standen.“ Tatsächlich war bereits der Abschlussbericht der Bischofskommission zur Stasiüberprüfung von 1991 erst 20 Jahre nach der Wende in einem Panzerschrank im Keller des Parlaments gefunden worden. 2010 musste die Enquetekommission darum ringen, die auf Beschluss des Landtagspräsidiums Anfang 2010 an das Landeshauptarchiv übergebene Konvolut einsehen zu dürfen.

Jene Akten aus Abschlussbericht und Auskünften der Stasi-Unterlagenbehörde waren aber nicht vollständig, wie PNN berichteten. Landtagsdirektor Detlef Voigt fand Mitte August weitere Papiere der Bischofskommission in einem Schrank, der in seinem Büro steht. Grüne-Fraktionschef Axel Vogel sagte: „Das verstehe ich nicht“. Es sei schon verrückt, „dass sich nicht alle Ordner auf einen Haufen befinden. Eigentlich hätte ich das in einer ordentlichen Bürokratie vermutet“. Dombrowski sagte, „Spekulation sind nun Tür und Tor geöffnet“. Selbst der Linke-Abgeordnete Peer Jürgens sprach von einem „merkwürdigen Vorgang“.

Offiziell wurden die Enquete-Mitglieder Anfang September über den Fund „bei Aufräumarbeiten“ informiert. Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg nannte die Umstände, wie die Unterlagen aufgetaucht sind, befremdlich. „Das ist schon seltsam, ganz zufällig, obwohl das Gutachten für die Kommission schon fertig war“, sagte Teuteberg. Die Autoren jenes Gutachtens hatten die Stasi-Überprüfungen im Land auszuwerten und sahen dazu auch den Abschlussbericht der Bischofskommission ein. Demnach hätten Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe und ein Dutzend weiterer Landtagsabgeordneter in der ersten Wahlperiode ihr Mandat niederlegen müssen – wegen ihrer Stasi-Kontakte. SPD und Linke hatten die Gutachter massiv kritisiert. Ab 19. August, eine Woche nach dem Fund der neuen Akten, lehnte Rot-Rot schließlich weitere, von den Grünen beantragte Nachforschungen zu Stolpe ab – etwa warum Stolpe oder der letzte SED-Bezirkschef von Potsdam in dem Abschlussbericht von 1991 nicht auftauchen. Bei dieser Sitzung war aber nicht bekannt, dass einen zweiten Bericht gibt. Nach PNN-Informationen hatte die Bischofskommission den Zusatzbericht kurze Zeit nach ihrem Abschlussbericht als Reaktion auf 1992 zwischenzeitlich aufgetauchte Stasi-Unterlagen zu Stolpe verfasst. Die Enquete-Mitglieder können die Akten ab nächste Woche im Landeshauptarchiv einsehen, sagte die Kommissionschefin Susanne Melior (SPD). Einen Auftrag für ein neues Gutachten gebe es nicht. Ähnlich äußerte sich der Linke-Abgeordnete Jürgens. Die Opposition forderte, die Gutachter müssten sich mit dem Fund beschäftigen. Melior: „Das können sie gern freiwillig tun. Der Werkvertrag ist abgearbeitet.“ Alexander Fröhlich

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