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Stasi-Debatte: IM „Kristina“ war Baaskes Kabinettsreferentin

Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) hat am Dienstag in einer von der Opposition einberufenen Sondersitzung des Landtags-Sozialausschusses teils unter Ausschluss der Öffentlichkeit die umstrittene Entscheidung seiner Vorgänger verteidigt, eine stasi-belastete Beamte in seinem Haus zu belassen.

Potsdam –  Die Frau hat es bis heute immerhin zur Referatsleiterin für Grundsatzfragen gebracht. Dabei könnte der Fall für Baaske noch zum Problem werden. Die Opposition hält seine Aussagen für unglaubwürdig, FDP-Fraktionschef Andreas Büttner nannte Baaskes Auftritt „grotesk“. Die CDU-Abgeordnete Roswitha Schier sagte: „Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Baaske erst in der vergangenen Woche von dem Stasiverdacht gegen seine Mitarbeiterin erfahren hat.“ Baaske dagegen beteuerte: „Ich habe nichts von dem Fall gewusst.“ Tatsächlich kennt der Minister Angelika N. sehr gut. Sie war von 2002 bis 2004 seine Kabinettsreferentin. In jener Zeit also, als ihre wegen der verschwiegenen Stasi-Vita erteilte Abmahnung getilgt und sie befördert wurde.

Inzwischen hat Baaske zu seiner Referatsleiterin eine neue Anfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörde gestellt, die aber noch keine Auskunft erteilt hat. Brandenburgs Aufklärungsbeauftragte Ulrike Poppe sagte, dort sei „die Bewertung der neuesten Akten noch nicht vollzogen“ worden. Angelika N. hatte bei ihrer Einstellung in den Landesdienst ihre Stasi-Tätigkeit verschwiegen, flog 1995 bei einer Überprüfung auf, wurde abgemahnt und 2004 befördert. Poppe sagte, seither seien viele Akten erschlossen worden. Möglicherweise müsse die Beurteilung von damals revidiert werden. Baaske dagegen berief sich auf den Brandenburger Weg Mitte der 90er Jahre und sagte, die damalige Entscheidung sei von Leuten getroffen worden, „die mein absolutes Vertrauen haben“ und „in ihrer Integrität unübertroffen“ seien. Namentlich nannte er Ex-Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) und den damaligen Staatssekretär Olaf Sund. Allerdings sind beide verstorben und können nicht mehr befragt werden. Aktennotizen dazu gibt es nicht.

Angelika N. war nach Aktenlage vor der Wende Westreisekader, FDJ- und SED-Funktionärin. Sie wurde 1984 in Berlin, wo sie als IM „Kristina“ an der Humboldt Universität Wirtschaftswissenschaftler tätig war, angeworben und 1986 nach Potsdam an die Abteilung XX abgegeben, die für Oppositionelle und Kirchenkreise zuständig war. Ob die IM-Tätigkeit 1986 endete, wie der Frau behauptet, wird von Experten nach Aktendurchsicht bezweifelt. Bislang fehlt in den Unterlagen jeder Hinweis darauf.

Auch die Behauptung Baaskes, die Frau sei zur Stasi-Mitarbeit gezwungen worden, beruht lediglich auf ihren Angaben. „Die Mitarbeiterin hat uns gegenüber damals geäußert, ihr seien berufliche Nachteile angedroht worden“, erklärte Baaskes Sprecher. Pikant daran ist, dass sich auch Poppe vergangene Woche in ihrer Einschätzung des Falls auf Baaskes Angaben, der Poppe eigens angerufen hatte, gestützt und vor Vorverurteilungen gewarnt hatte. Jetzt sagte Poppe, in der Regel seien SED-Kader nicht von der Stasi zur Zusammenarbeit erpresst worden.

Baaske hielt am Donnerstag daran fest, dass 1995 rechtlich einwandfrei von einer Kündigung abgesehen worden sei. Er sehe er sich mit keinen neuen Fakten konfrontiert. Poppe dagegen sprach von einem klaren Fall von Einstellungsbetrug. Sie könne nicht nachvollziehen, was den damaligen Staatssekretär Sund veranlasst habe, die Mitarbeiterin in „großzügiger Weise“ weiter zu beschäftigen.

Immerhin hat Baaske angewiesen, dass alle Personalakten geprüft werden. Damit will er neue Falsch-Informationen ans Parlament vermeiden. Bis vergangene Woche hatte er gegenüber dem Landtag die Zahl stasi-belasteter Mitarbeiter in seinem Haus mit null beziffert. Grund ist ein Systemfehler bei der Akten-Führung.

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