zum Hauptinhalt
Engelbert Lütke-Daldrup. 

© Tobias Schwarz/AFP

Starttermin 2020: Berlins Parlament verlässt sich nicht auf Eröffnungstermin

Verantwortliche halten eisern am BER-Start 2020 fest. Der Untersuchungsausschuss hingegen hat erhebliche Zweifel.

Berlin - So einig ist sich die Politik selten in Berlin: Das Abgeordnetenhaus will sich nun selbst Klarheit verschaffen, ob der unvollendete neue Flughafen BER tatsächlich im Oktober 2020 in Betrieb gehen kann. Der laufende BER-Untersuchungsausschuss wird deshalb nun auch die akuten aktuellen Probleme auf der Baustelle und die drohende nächste Verschiebung des Starts ins Visier nehmen: Oppositionelle CDU, FDP und die rot-rot-grünen Koalitionäre haben sich jetzt auf einen umfangreichen Beschlussantrag mit über 60 Detailfragen zur Lage und Hintergründen am BER für die dafür nötige Erweiterung des Untersuchungsauftrags geeinigt. Er soll in Kürze eingebracht und im Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Im Vergleich zum Berliner Parlament hält sich in Brandenburg der BER-Sonderausschuss bislang zurück, obwohl eine Absage des BER-Starts 2020 im Sommer oder kurz nach der Landtagswahl am 1. September nicht ausgeschlossen werden kann. Eine Anhörung von anwesenden Vertretern des TÜV-Rheinland, der durch permanente Prüfungen der Techniksysteme die Lage am BER präzise kennt, war am Montag am Streit um Rechts- und Verfahrensfragen gescheitert.

Lütke Daldrup reagiert mit demonstrativen Signalen

Es werde eng, heißt es inzwischen in Aufsichtsrats- und Gesellschafterkreisen. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup wiederum hält weiter eisern am geplanten BER-Start im Oktober 2020 fest, reagiert auf die wachsenden Zweifel mit demonstrativen Signalen: Am Mittwoch teilte die Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) mit, dass eineinhalb Jahre vor dem Start jetzt „die räumliche Verteilung der einzelnen Fluggesellschaften auf die Terminals“ begonnen hat, es für die Großen inzwischen Klarheit gibt: Lufthansa und Easyjet ziehen ins BER-Hauptgebäude (T1), Eurowings in das im Bau befindliche neue Terminal (T2) am Nordpier, während Ryanair am Alt-Airport in Schönefeld bleibt, der wegen mangelnder BER-Kapazitäten noch einige Jahre parallel in Betrieb bleiben muss. Die Verteilung der weiteren rund 80 Airlines folge in den kommenden Wochen, hieß es in der Mitteilung. Lütke Daldrup erklärte: „Wir brauchen diese lange gemeinsame Vorbereitungsphase, um vom ersten Tag an eine gute Servicequalität zu haben.“

Es gibt 11.000 Mängel

Ob der Termin 2020 aber tatsächlich gehalten werden kann, wird sich diesen Sommer entscheiden. Es hängt davon ab, ob bis dahin die immer noch störanfällige Brandmeldeanlage sicher funktioniert und rund 11.000 gravierende Mängel an Kabeln der Sicherheitssysteme (Stand März) rechtzeitig beseitigt werden können. Das sind die beiden „kritischen Pfade“. Man ist massiv in Verzug. So müssen spätestens im Juni im Hauptpier die Wirk- und Prinzipprüfungen aller Sicherheitssysteme (Entrauchung, Brandmeldung, Notfallwarnsystem) beginnen und ohne neue Hiobsbotschaften bis September beendet werden, um den BER tatsächlich im Oktober 2020 eröffnen zu können.

In Berlin macht das Parlament Druck. In den Beteiligungsausschuss des Abgeordnetenhauses werden regelmäßig die am BER tätigen Firmen zitiert, was der Brandenburger Ausschuss bislang nicht versuchte. Parallel arbeitet in Berlin der BER-Untersuchungsausschuss zur „Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER)“, der bisher nur Missstände bis zum 28. Juni 2018 untersucht, also bis zu dem Datum, als das Gremium damals eingesetzt wurde. Der Auftrag war damit noch auf Hintergründe der letzten Verschiebung des BER-Starts im Jahr 2017 auf Oktober 2020 reduziert. Doch inzwischen ist auch dieser Starttermin wieder im Rutschen, wie zuletzt ein in den PNN publik gemachter Prüfbericht des TÜV Rheinland vom 8. März zum nach wie vor mangelhaften Zustand vieler sicherheitsrelevanter Anlagen im Terminal belegte. Darin war sogar von noch teilweise nötigen Rückbauten die Rede, um Mängel überhaupt beseitigen zu können. Nun will der Untersuchungsausschuss darüber Klarheit, und auch, in welchem Ausmaß am BER „Zulassungen im Einzelfall“ praktiziert werden oder nicht regulär verbaute Teile nachträglich über Sondergutachten genehmigungsfähig wurden.

Lütke Daldrup will das TÜV-Siegel im September

Der Hintergrund: Auf diesem Weg versucht die Flughafengesellschaft aktuell wieder das Problem mit tausenden Dübeln aus Plastik oder unzureichender Verankerung zu lösen, mit denen Sicherheitskabel mit „Funktionserhalt“ befestigt wurden, die auch im Brandfall halten müssen. Die FBB versucht beim Materialprüfungsamt entsprechende Nachweise zu erhalten, dass trotzdem alles sicher sei. Kritische Fragen finden sich auch zur Rolle des TÜV Rheinland, der im FBB-Auftrag permanent den Fertigstellungsgrad der Sicherheitssysteme im Terminal prüft – Brandmeldeanlage, Entrauchung, Sicherheitsstromversorgung und -beleuchtung. Der TÜV Rheinland soll als übergeordneter Sachverständiger am Ende die erforderliche Bescheinigung ausstellen, dass alle Anlagen ordnungsgemäß errichtet wurden und betriebssicher funktionieren. Der aktuelle Fahrplan von Lütke Daldrup sieht vor, das TÜV-Siegel im September 2019 zu bekommen. Das braucht er, um im Oktober 2019 die Baufertigstellungssanzeige bei der zuständigen Baubehörde Dahme-Spreewald einzureichen. Wird dieser Termin verfehlt, wäre ein BER-Start 2020 faktisch unmöglich. Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft tagt am 17. Mai das nächste Mal.

Zur Startseite