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Spreelichter weiter aktiv: Bundesweites Signal für Verbote rechter Gruppen

Für die Sicherheitsbehörden ist das Urteil eine Bestätigung. Auch Neonazi-Netzwerke wie der "Widerstand Südbrandenburg" können verboten werden. Geholfen hat es nur kurze Zeit: Alternative Jugendliche werden in der Lausitz wieder von Rechten angegriffen.

Berlin/Potsdam - Für die Sicherheitsbehörden in ganz Deutschland ist es ein Urteil mit Signalwirkung: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat am gestrigen Mittwoch das Verbot des Neonazi-Netzwerks „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“ in zweiter Instanz bestätigt. Das brandenburgische Innenministerium hatte das rechtsextremistische Netzwerk im Juni 2012 – damals noch unter Führung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) – wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten verboten. Eine Revision ließ das OVG nicht zu, der rechte Szeneanwalt Wolfram Nahrath will nun Beschwerde dagegen einlegen.

Mit dem Urteil laufe der Versuch von Neonazis ins Leere, sich nicht mehr in festen Kameradschaften oder Vereinen, sondern in nach außen hin losen Strukturen und Netzwerken zu organisieren, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. „Diese neuen Organisationsformen haben das Ziel, sich verbotsfest zu machen. Das darf nicht sein.“ Tatsächlich waren sich Experten nach dem ersten Verhandlungstag in der vergangenen Woche unsicher, ob das OVG das Verbot bestätigt.

Knackpunkt war, ob ein loses Netzwerk wie der „Widerstand Südbrandenburg“ vom Vereinsrecht erfasst und nach diesem verboten werden kann. Die Gruppe war durch Propagandaaktionen aufgefallen: gespenstische Fackelzüge von maskierten Neonazis im Sensenmannkostüm, dazu Banner mit dem Spruch „Die Demokraten bringen uns den Volkstod“. Videos von den Aktionen stellten die Neonazis ins Internet. Nun urteilte das OVG: Auch wenn herkömmliche Vereinsstrukturen nicht sichtbar waren und diese bewusst verborgen wurden, stelle sich die Gruppe durch seine Aktionen als Vereinigung mit organisierter Willensbildung dar. Das Netzwerk, im Kern 30 Mitglieder, die vor allem in Lübben, Lübbenau, Cottbus und Senftenberg aktiv waren, habe konspirativ kommuniziert. Laut Verfassungsschutz gehörten auch Kampfsportler dazu, die öffentlich aggressiv aufgetreten seien.

Allerdings bestätigte das OVG die Verbotsverfügung nur in einem Punkt: dass nämlich das Neonazi-Netzwerk aggressiv-kämpferisch gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen das Demokratieprinzip tätig war. Zudem stellte das OVG eine Wesensverwandtschaft mit der NS- Ideologie fest. Demokratie habe die Gruppe als unvereinbar mit der NS-Lehre der „Volksgemeinschaft“ aggressiv bekämpft. Zudem habe das Netzwerk, das auch als „Spreelichter“ bekannt wurde, eine diskriminierende Rassenlehre der NSDAP propagiert. Das OVG rügte aber, dass das Innenministerium in das Verbot Erkenntnisse des Verfassungsschutzes aus geheimdienstlichen Abhörmaßnahmen offiziell einfließen ließ. Öffentliche Äußerungen und die bei Hausdurchsuchungen gefundenen Daten und Gegenstände hätten ausgereicht für ein Verbot.

Trotz des Verbots sehen Experten und Sicherheitsbehörden – wie berichtet – Anzeichen dafür, dass das Netzwerk weiter aktiv ist. Die Polizei ermittelt wegen mehrerer Propagandaaktionen, es geht um eine abgewandelte Form der „Volkstod“-Kampagne: Im Krümelmonsterkostüm verbreiteten die Neonazis in Senftenberg und Lauchhammer an Schulen ihre Ideologie. Mehrfach wurden an Schulen grabähnliche Löcher samt Holzkreuz und „Volkstod“-Inschrift gefunden. An einer Schule wurde die Tafel „Schule ohne Rassismus“ gestohlen, im Internet posiert ein Krümelmonster damit, wie überhaupt alle Aktionen ins Internet gestellt werden. Der Verein Opferperspektive stellt zudem „wieder verstärkt Gewalt- und Bedrohungstaten fest“. In Spielberg seien Jugendliche aus der alternativen Jugendkultur massiv eingeschüchtert, bedroht und angegriffen worden. Die meisten minderjährigen Täter kämen aus dem Umfeld der „Spreelichter“.Alexander Fröhlich

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