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Spitzentreffen: Weltliche Sorgen

Was eint, was trennt: Brandenburgs rot-rote Woidke-Regierung und die Evangelische Kirche im Dialog.

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nennt sich selbst einen „fröhlichen Evangelen“. Die Themen, die am Dienstag beim traditionellen Treffen der von ihm geführten rot-roten Landesregierung mit den Spitzen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) in der Potsdamer Staatskanzlei besprochen wurden, waren nicht unbedingt heiter. Es ging etwa um die aktuelle Lage und den bedrohten Ruf von Cottbus, das Bestattungsgesetz, um leere Dorfkirchen und Perspektiven für die Lausitz nach der Braunkohle. Es war ein Jubiläum, nämlich das zehnte Treffen dieser Art. Woidke und Bischof Markus Dröge lobten danach vor der Presse die „gute Zusammenarbeit“. Dennoch gibt es zwischen Brandenburgs Regierung und der evangelischen Kirche, die in Brandenburg mit seinen 2,5 Millionen Einwohnern immerhin 390 000 Mitglieder hat, auch weltliche Differenzen.

Bestattungen für alle Totgeburten?

Er selbst hätte den Konflikt auf der Pressekonferenz nicht angesprochen, auch in der Pressemitteilung stand dazu nichts. Doch als ein Journalist nachfragte, fand Bischof Dröge deutliche Worte. Es ging um den vom rot-roten Kabinett letztes Jahr beschlossen Entwurf für ein neues Bestattungsgesetz, das nun im Landtag beraten wird und dann beschlossen werden soll. Darin ist bislang noch eine Klausel enthalten, dass es bei totgeborenen Kindern erst ab einem Körpergewicht von 1000 Gramm eine Bestattungspflicht geben soll, was die Kirchen ablehnen. „Ich habe als ehemaliger Seelsorger viele Beerdigungen gestaltet“, sagte Dröge. „Ich habe zu einer Bestattungspflicht für Totgeborene eine sehr klare Meinung: Ich kann mir nur vorstellen, dass es eine Pflicht sein muss, totgeborenes Leben in würdevoller Weise zu bestatten. Ich kann das nur aus Sicht derer einbringen, die Trauer tragen. Und da ist es nicht eine Frage von Gramm, ob mehr als 500 oder 1000. Es ist auch eine Trauer, wenn es nur zehn Gramm sind.“ Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) reagierte nachdenklich und offen auf die Kritik, verwies auf die Anhörungen im Gesetzgebungsverfahren und signalisierte ein Einlenken: „Wir werden gemeinsam mit dem Parlament versuchen, eine gute Lösung zu finden.“ 

Dorfkirchen als Sozialzentren?

Seit 1990 sind in Brandenburg fünfhundert marode Dorfkirchen – 1800 gibt es im Land insgesamt – mit finanzieller Hilfe des Landes gerettet worden, was beide Seiten hervorhoben: Brandenburg sei das einzige Bundesland, das eine vertragliche Verpflichtung zur Beteiligung an der Sanierung von Kirchgebäuden übernommen habe. Über den Evangelischen Kirchenvertrag stellt das Land dafür jährlich 1,58 Millionen Euro bereit. Woidke betonte, dass im Nachtragshaushalt für 2018 zusätzlich 500 000 Euro für diesen Zweck vorgesehen sind. Allerdings gibt es ein Problem: Viele Kirchen sind zwar saniert, werden aber wenig genutzt, eine Folge der demografischen Entwicklung. Anders als die Landesregierung, die mit ihrer Kreisreform scheiterte, hat die evangelische Kirche ihre Strukturen gestrafft. „Wir unterstützen die Fläche“, betonte Dröge gleichwohl. Ein Pfarrer sei auf dem Lande für 850 Seelen zuständig, während es in Berlin bis zu 3000, 4000 sein können. „Wir subventionieren die Fläche. Wir brauchen ein Netz von Pfarrern. Die können für drei Kirchen zuständig sein, oder auch für 15, je nachdem, wie viele evangelische Christen dort leben.“ Aktuell denke man über Pilotprojekte nach, Kirchgebäude – bislang schon nicht nur Orte der Religion, sondern oft auch der Kultur, und wichtig für die Identität der Orte und Regionen – auch für weitere soziale und gemeinwohlorientierte Zwecke zu öffnen, gemeinsam mit der Diakonie. Dröge beschrieb die Richtung für mögliche Umwidmungen so: „Was braucht ein Dorf an Beratungsangeboten, an sozialem Zentrum?“ 

„Brückenbauer für Kohleausstieg“

Die evangelische Kirche ist seit der Synode 2009 auf den notwendigen Einstieg in den Ausstieg aus der Braunkohle eingestellt, den die Landesregierung bislang verhindern und bremsen will – ein Dissens. Woidke betonte, wie wichtig die evangelische Kirchen in diesem „großen und schwierigen“ Konflikt sei, nämlich als „Brückenbauer“ zwischen den Befürwortern und Gegnern. Und Dröge sagte: „Wir sehen unsere Rolle als Mahner, um den Strukturwandel zu forcieren.“ Er betonte, die Kirche sehe ganz klar die Notwendigkeit zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung.

Aufruf zum Sternmarsch in Cottbus

Woidke und Dröge riefen zudem gemeinsam zur Teilnahme am Sternmarsch „Cottbus bekennt Farbe“ am Donnerstag in der Lausitzstadt auf. Beide werden selbst an der Kundgebung teilnehmen. Beide zeigten sich „in tiefer Sorge“ über die nach mehreren Gewalttaten zwischen Einheimischen und Flüchtlingen aufgeheizte Stimmung in Cottbus und mahnten eine Rückkehr zur sachlichen Debatte an. Cottbus sei „eine weltoffene Stadt, mit klugen und höflichen Menschen“, sagte Woidke. Zuletzt hatten der rechtsgerichte Verein „Zukunft Heimat“, unterstützt von der AfD in Cottbus bei einer Demo 4000 Teilnehmer mobilisieren können. In Anspielung darauf rief Bischoff Dröge mit diesen Worten zur Teilnahme auf: „Die Cottbuser sollten sich für ihre Heimat einsetzen. Und das ist eine weltoffene Stadt.“ 

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