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Skandal um Krebsmedikamente in Brandenburg: „Wir wissen, dass wir nicht über Aspirin sprechen“

Trotz Hinweisen haben Gesundheitsbehörden die Öffentlichkeit nicht vor möglicherweise unwirksamen Krebsmedikamente gewarnt. Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) hat in der Medikamentenaffäre viel aufzuklären.

Potsdam - Es ist der erste handfeste Skandal, den sie in ihrem Haus auszustehen hat. Seit November 2014 ist Diana Golze (Linke) Arbeits- und Sozialministerin in Brandenburg. Bislang lief das geräuschlos. Was daran liegen mag, dass das Ressort wegen seiner Themenzuständigkeit oft unter dem Radar der medialen Wahrnehmung läuft. Soziales – das kann meist nicht mithalten mit heißen Eisen bei Polizei und Justiz. Nun ist das anders. Es geht um Patienten, Krebskranke, denen womöglich Medikamente verabreicht wurden, die gar nicht wirksam waren. Die in Griechenland gestohlen und über den Pharmahändler Lunapharm in Mahlow (Teltow-Fläming) auch auf den deutschen Markt gebracht wurden. Es geht ganz offenbar um kriminelle Machenschaften, um das große Geschäft mit schwerkranken Menschen.

Diana Golze weiß, wie sensibel das Thema ist, wie sehr ihr diese Affäre schaden kann – es ist ihr anzusehen, als sie am Mittwoch vor die Presse tritt. „Wir wissen, dass wir nicht über Aspirin sprechen“, sagt sie, sichtlich mitgenommen, wohl auch überrascht. Erst am Dienstagabend, bei der Lektüre der lückenhaften Akten aus dem für die Arzneimittelaufsicht zuständigen Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit, sei die Hausleitung, also auch sie persönlich, stutzig geworden. Weil das Aktenstudium ergeben habe, dass der Behörde des Ministeriums zumindest „Verdachtsmomente“ vorgelegen haben müssen, dass es sich um gestohlene Medikamente gehandelt haben soll. Aber passiert ist nichts. Wurde geschlampt, bewusst vertuscht? Waren die Mitarbeiter überfordert? Unklar zum jetzigen Zeitpunkt.

Golze: Alle Versäumnisse - soweit bislang bekannt - werden auf den Tisch gelegt

Nun, das scheint Golze anders als manch anderem Minister in solchen Situationen klar, hilft nur eines: Das Versprechen von Aufklärung, Transparenz. Aber eines fügt sie gleich noch an am Mittwoch: „Ich kann es derzeit nicht aufklären.“ Trotzdem habe sie sich entschlossen, zu einem Pressetermin zu laden, um alle Versäumnisse, soweit bislang bekannt, auf den Tisch zu legen. „Es ist uns wichtig, zu signalisieren: Wir wollen nichts verbergen“, sagt sie. Sie sei „enttäuscht und entsetzt“, bekundet sie, ohne zu benennen worüber und über wen. Aber klar ist eines schon jetzt: Eine ihre untergeordnete Behörde hat es nicht für nötig gehalten, die Ministerin über den Vorgang, der seit Ende Dezember 2016 läuft, in Kenntnis zu setzen. „Wir waren nicht einbezogen“, sagt die Ministerin und meint damit sich selbst und ihre Staatssekretärin.

„Es trifft mich auch“, sagt Golze. Aber personelle Konsequenzen für sich selbst schließe sie aus. Für die 43-Jährige kommt der Skandal, der sich nicht etwa wegen des Sommerlochs hochschaukelt, sondern weil er angesichts der Versäumnisse bei der Arzneimittelaufsicht, den damit womöglich verbundenen Risiken für Patienten tatsächlich einer ist, zur Unzeit. Seit März 2018 ist sie als Nachfolgerin von Vizeregierungschef und Finanzminister Christian Görke gemeinsam mit Anja Mayer Chefin der Brandenburger Linken. Bislang gibt es dazu keine offizielle Erklärung, aber es ist davon auszugehen, dass die Rathenowerin Golze die Linke im kommenden Jahr als Spitzenkandidatin in den Landtagswahlkampf führen soll.

Opposition im Landtag läuft Sturm - CDU hat Akteneinsicht beantragt

Auffällig: Am Mittwoch ist es eigentlich ihre Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt, die redet, erklärt, die meisten Fragen beantwortet, als es ums Fachliche geht. Golze hält sich zurück, wie es auch sonst die Art der eher ruhigen Ministerin ist, überlasst meist Hartwig-Tiedt das Wort. Sie hat Golze vertreten, als diese nach ihrem schweren Unfall im Sommerurlaub 2017 mehrere Monate ausfiel.

Am Freitag, einen Tag nachdem durch einen Beitrag des rbb-Magazins „Kontraste“ die Vorwürfe öffentlich wurden, waren weder Golze noch Hartwig-Tiedt vor die Presse getreten. Beide hatten Termine. Das übernahm da noch der Abteilungsleiter Gesundheit, Thomas Barta, was sich angesichts seiner beschwichtigenden Worte, die nun revidiert werden mussten, als Fehler erwies. Der Fall wurde ganz offenbar im Ministerium zunächst unterschätzt.

„Wir nehmen das sehr ernst“, betont Golze jetzt. Auch gegenüber den Landtagsabgeordneten kündigt sie Aufklärung an. Denn die Opposition läuft Sturm. Die CDU hat wie berichtet Akteneinsicht beantragt – schon bevor das Ministerium nun Versäumnisse einräumen musste. Für kommende Woche haben CDU und Grünen nun eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses einberufen. Die Fehler, sie liegen zwar ganz offensichtlich beim Landesamt. Aber am Ende fallen diese immer auf den Ressortchef zurück. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Raik Nowka, formuliert es so: „Es wäre die Pflicht von Ministerin Golze gewesen, so etwas zu verhindern.“

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