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Silvesternacht in Berlin: „Die Platzpatronen flogen über unseren Köpfen“

Wie ein Feuerwehrmann die Angriffe in der Silvesternacht in Berlin erlebte.

Berlin - Es sind kriegsähnliche Szenen, die sich in der Silvesternacht vor den Augen der Feuerwehrmänner abspielen. „Die Platzpatronen sind zehn Meter über unseren Köpfen hinweggeschossen“, erinnert sich Brandmeister Andreas Ohlwein an den Einsatz am Eichhorster Weg in Reinickendorf. Gerufen worden waren die Retter, weil auf einem Balkon ein Feuer ausgebrochen war. Manche der Anwohner taten aber alles dafür, um die Feuerwehr bei ihrer Arbeit zu behindern: Die Zufahrtswege sind mit Autos zugeparkt und dann werden Ohlwein und seine Kollegen auch noch direkt aus Vogelschreckpistolen beschossen.

Nach Angriffen wie diesen auf Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter in der Nacht zu Neujahr wird deutschlandweit über eine Eskalation der Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte diskutiert. Bei der Berliner Polizei ist man nun dabei, sich einen Überblick über die Gesamtlage zu machen. „Bisher wissen wir nur, dass zehn Polizisten in der Silvesternacht verletzt wurden“, sagte Polizeisprecherin Kerstin Ziesmer am Mittwoch. Wie viele Verdächtige festgenommen wurden, ist dagegen noch unklar. Allein rund um die Silvesterparty am Brandenburger Tor gab es sechs Festnahmen wegen Widerstandes gegen Polizeimaßnahmen, Beleidigung oder Körperverletzung von Beamten.

Aggression gegen Helfer – für Ohlwein ist das kein neues Silvester-Phänomen. „Ich bin jetzt seit 34 Jahren bei der Feuerwehr. Und schon als ich angefangen habe, mussten wir damit leben, dass immer mal wieder ein Böller in unsere Richtung flog.“

Inzwischen habe die Böllerei neue Ausmaße erreicht. Früher, erinnert sich Ohlwein, habe die Feuerwehr die Einsätze gut bewältigen können. In den vergangenen Jahren aber waren alle Mannschaften zwischen elf Uhr abends und zwei Uhr morgens im Dauereinsatz. „Wenn ein Brand gelöscht ist, müssen die Kollegen gleich weiter. Die sonst übliche Pause entfällt.“ Dass ihre Einsatzwagen dazu noch immer wieder mit Feuerwerk beschossen werden, sorgt für zusätzlichen Stress. Feuerwehrsprecher Ohlwein hat das in dieser Silvesternacht in der Schönhauser Allee selbst erlebt. Da beschossen sich zwei Gruppen Jugendlicher quer über die Straße. Dazwischen eine Feuerwerksbatterie und Ohlmanns Auto.

In Schöneberg, Kreuzberg und Neukölln gehört das für Feuerwehrkräfte inzwischen schon zur üblichen Silvesterroutine. Aber auch die Hochhaussiedlungen in Marzahn, Hellersdorf, im Märkischen Viertel und in Gropiusstadt sind der Feuerwehr als Hotspots bekannt.

Am schlimmsten aber sei es für ihn und seine Kollegen, sagt Ohlwein, wenn sie beim Löschen angegriffen werden – wie bei dem Brand in einem Neuköllner Musikgeschäft geschehen. „Da fühlen wir uns dann schon persönlich attackiert, wenn uns die Böller vor die Füße fliegen.“

Acht Feuerwehrleute wurden in dieser Nacht angegriffen und 57 Einsatzfahrzeuge beschädigt. Die Feuerwehr will alle Fälle zur Anzeige bringen, sagt Brandmeister Andreas Ohlwein. „Die Gesellschaft muss verstehen, dass es nicht geht, wenn man mit Feuerwerk auf Menschen schießt.“

Caspar Schwietering

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