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Masern-Virus. Bis 2015 sollten die Masern in Deutschland ausgerottet sein. Davon ist die Bundesrepublik derzeit weit entfernt.

©  Dr. Hans Gelderblom, Science Photo Library

Brandenburg: Senator Czaja für Impfpflicht bei Masern

Kleinkind gestorben. Seit Oktober mehr als 570 Fälle in Berlin. Opposition warnt vor Zwang

Berlin - Das Kind soll vielfach gegen alle möglichen Krankheiten geimpft worden sein - nur nicht gegen Masern. Am Montag musste Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) nun den Tod des anderthalbjährigen Jungen aus Berlin-Reinickendorf bekannt geben. Was war passiert?

Der Junge hatte am 12. Februar Fieber, Husten und Ausschlag bekommen. Am 14. Februar kam er in die Charité, wo er am 18. Februar verstarb. Die Universitätsklinik informierte wie vorgeschrieben das Gesundheitsamt, das die Kita des Jungen überprüfte. Weil „Masern die tatsächliche Todesursache waren“, wie der Senat mitteilte, wurde dann das Landesamt für Gesundheit und Soziales und somit Czaja informiert. Die Charité erklärte hingegen, ob Masern die Todesursache gewesen seien, werde noch untersucht.

Und dann die sonntägliche Ruhe – an einem ganz normalen Schultag: Schon von Weitem konnte man am Montag sehen und hören, dass an der Carl-Zeiss-Sekundarschule in Lichtenrade etwas nicht stimmte. Aus der Nähe dann die Gewissheit: Leere Flure und Treppen, wo normalerweise über 1000 Schüler hin- und herlaufen. Die schwere Masernerkrankung eines einzigen Schülers hatte den gesamten Unterrichtsbetrieb lahmgelegt – infolge eines Kommunikationsfehlers.

„Das Gesundheitsamt hat am Freitag um 13.40 Uhr von der Erkrankung erfahren und um 14 Uhr in der Schule angerufen, aber nur das Sekretariat erreicht“, berichtete am Montag die zuständige Gesundheitsstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Sibyll Klotz (Grüne). Eine Schulschließung sei „zu keinem Zeitpunkt vom Gesundheitsamt angeordnet oder empfohlen worden“. Es handele sich um eine „vollkommen überzogene Maßnahme“. Laut Klotz ging es bei dem Telefongespräch am Freitagmittag nur um die Erstmaßnahmen, die in der Ermittlung der Kontaktpersonen und der Organisation von Impfbuchkontrollen bestehen.

Warum diese Informationen den Schulleiter Stephan Zapfe nicht erreichten, ließ sich am Montag nicht klären. Stattdessen berichtete dieser, dass er selbst erst am Freitagnachmittag durch den Vater des erkrankten Jungen von dem Fall erfahren habe. Zu diesem Zeitpunkt „war das Gesundheitsamt nicht erreichbar“, bedauert Zapfe. Klotz will das so nicht stehen lassen. Sie beharrt darauf, dass ihr Amt sehr wohl in der Schule angerufen habe, und betont, dass es auch am Wochenende genügend Möglichkeiten gebe, die Behörde zu erreichen.

Ungeachtet der Frage, wer wen am Freitag nicht erreicht hat, reagierte die Elternschaft am Montag gelassen. „Die Entscheidung wurde überwiegend positiv aufgenommen“, berichtete der Vorsitzende der Gesamtelternvertretung, Dirk Curta. Schließlich gehe es ja „nicht um eine kleine Erkältung, sondern um Masern“. Der Schulleiter habe den sicheren Weg gewählt im Sinne der Schüler- und Elternschaft.

Dem Vernehmen nach handelt es sich bei dem erkrankten Jungen um einen 17-jährigen deutschen Schüler des 13. Jahrgangs, der von seinen Eltern nicht geimpft wurde. „Es gibt unter den Eltern verschiedene Ansichten über das Impfen“, ist auch die Erfahrung des Vorsitzenden des Fördervereins, Arne Kasten. Er selbst hat drei Kinder – eines ist vollständig geimpft, die anderen nicht. „Jedes Kind ist anders“, begründet er das unterschiedliche Vorgehen. In jedem Fall findet er es falsch, wenn der Staat vorschreiben würde, Kinder impfen zu lassen.

Masern seien eine schwere Erkrankung“, sagte Gesundheitssenator Czaja. „Ich bin für eine Impfpflicht.“ Für Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist eine Pflicht zwar kein Tabu. Dazu müssten aber alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein, die Impfbereitschaft zu erhöhen. Die Bundesregierung will zunächst im geplanten Präventionsgesetz festlegen, dass Eltern vor Eingewöhnung ihres Kindes in einer Kita eine ärztliche Impfberatung nachweisen müssen. Auch der Kinderschutzbund rät dringend zur Masernimpfung. In der Opposition wird dagegen vor einer Impfpflicht gewarnt.

Seit Oktober werden gerade in Berlin viele Infektionen festgestellt. Bis Montag wurden 574 Masern-Fälle in der Stadt gemeldet.

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