zum Hauptinhalt

Brandenburg: Seilschaften retteten die LPG-Strukturen über die Wende Aufarbeitungs-Kommission: Nach der Wende herrschten in der Landwirtschaft mafiöse Zustände

Potsdam - Bei der Umwandlung von Brandenburgs Landwirtschaft nach der Wiedervereinigung hat es aus Expertensicht schwere politische Fehler gegeben. In der Enquetekommission des Landtags zur Aufarbeitung der Nachwendezeit sprachen Gutachter am Freitag von „anarchischen“ Zuständen, die 1989/1990 geherrscht hätten.

Potsdam - Bei der Umwandlung von Brandenburgs Landwirtschaft nach der Wiedervereinigung hat es aus Expertensicht schwere politische Fehler gegeben. In der Enquetekommission des Landtags zur Aufarbeitung der Nachwendezeit sprachen Gutachter am Freitag von „anarchischen“ Zuständen, die 1989/1990 geherrscht hätten. Die DDR-Agrarbosse hätten dank „Cliquen und Seilschaften“ ihre Macht behalten, kleinen Bauern seien auch von der Landesregierung „Knüppel zwischen die Beine geworfen“ worden, hieß es. Vor dem Landtag protestierten Ex-Bauern und Opferverbände und forderten Entschädigung für das aus ihrer Sicht erlittene Unrecht.

Das Reizthema Agrarwirtschaft sorgt in Brandenburg seit Jahren für Streit. Anhand wissenschaftlicher Gutachten soll in der Enquetekommission geklärt werden, wie die Eigentumsverhältnisse in der Mark sich nach der Wiedervereinigung tatsächlich veränderten. Bis heute ist Brandenburg von wenigen Agrar-Großbetrieben mit oft Tausenden Hektar Fläche geprägt, die immer häufiger von großen Investoren aufgekaft werden. Kleine und mittelständische Betriebe gibt es relativ wenig.

Der Bestand der vormaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) sollte nach der Wende nicht gefährdet werden, erklärte der Jurist und Gutachter Walter Bayer. Die Politik habe die DDR-Agrarstrukturen nie wirklich zerschlagen – zulasten von Landwirten, die aus den Genossenschaften austraten und es mit einem eigenen Betrieb versuchten. Auch seien nur wenige in der DDR zwangsenteignete Bauern entschädigt worden, sagte Bayer. Zwei Drittel der Vermögensauseinandersetzungen seien unrechtmäßig verlaufen.

Das lag wohl auch am Personal, wie der Historiker Christian Booß feststellte. So sei der dominierende und in der Politik gut vernetzte Landesbauernverband „ein Produkt aus der Umwandlung der bezirklichen Gliederungen der Massenorganisation VdgB“, der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB), eine der DDR-typischen Massenorganisationen. Bauernverbandspräsident Udo Folgart ist heute sogar agrarpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Booß warf der amtierenden rot-roten Landesregierung vor, eine vernünftige Aufarbeitung der Nachwendezeit zu verhindern. Er hätte die staatlichen Prozesse bei der Umwandlung der märkischen Agrarwirtschaft gerne genauer untersucht, sagte Booß. „Aber es ist schwierig bis unmöglich, von der Landesregierung Akten zu bekommen.“ Der Wissenschaftler sprach von einem „Wirtschaftskrimi“, der sich um 1989/1990 bei der Umwandlung der DDR-Landwirtschaft abgespielt habe. Einig waren sich die Gutachter allerdings, dass auch die EU-Politik in Brüssel mitverantwortlich sei für manchen Missstand in der Agrarwirtschaft.

Ein erstes Gutachten hatte bereits im Mai festgestellt, dass die Landwirtschaft noch stark von DDR- Strukturen geprägt sei. Die Agrareliten der SED-Diktatur hätten nach 1989/1990 ihre Positionen genutzt, um Leitungspositionen zu erhalten. Kleinbauern und Mittelstand hätten kaum eine Chance gehabt, sich zu etablieren.

„Der Filz hat sich bis heute gerettet“, sagte vor dem Landtag der Bundesvorsitzende der Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, Manfred Graf von Schwerin. Tausende in der DDR enteignete Bauern hätten ihre Grundstücke nie zurückerhalten. Der Bauernbund sieht sich durch die Gutachten bestätigt. Erstmals werde wissenschaftlich bestätigt, dass „die angeblich gewachsenen Agrarstrukturen nichts anderes sind als ein Ergebnis politischer Begünstigung der Großbetriebe“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false