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Ausgebranntes Fahrzeugwrack. Bei einem schweren Unfall auf der Autobahn 12 bei Fürstenwalde (Oder-Spree) kam am Mittwoch ein Mann ums Leben. Ein Lastwagen fuhr auf einen Pkw auf und schob ihn gegen einen vor ihm fahrenden Schwertransporter. Insgesamt starben gestern vier Menschen auf Brandenburgs Straßen.

© Julian Stähle/dpa

Brandenburg: Schwarzer Mittwoch

Vier Unfälle mit vier Toten in Brandenburg. Experten fordern vor allem beim Lkw-Verkehr mehr Sicherheit

Potsdam - Von einem „schwarzen Mittwoch“ sprach die Brandenburger Polizei gestern: Bei vier schweren Verkehrsunfällen kamen vier Menschen ums Leben, neun wurden verletzt. An drei Unfällen waren Lkw beteiligt. Das sei ein „schwarzer Tag für die Verkehrssicherheit in Brandenburg“, erklärte Polizeivizepräsident Roger Höppner. „Es muss nun darum gehen, die Unfallursachen genau zu analysieren und die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen, damit sich ein solcher Tag nicht wiederholt.“

Bei einem Unfall auf der Autobahn 13 kamen zwei Frauen ums Leben. Wie die Polizei mitteilte, saßen sie in einem Wagen mit insgesamt drei Insassen, der zwischen zwei Lastwagen fuhr. Bei Baruth (Teltow-Fläming) konnte der hintere Laster aus bisher ungeklärter Ursache nicht mehr bremsen und fuhr auf das Auto sowie den davor fahrenden Lkw auf. Insgesamt wurden sechs Menschen bei dem Unfall teils schwerst verletzt, darunter ein elfjähriges Mädchen.

Bereits in der Nacht zum Mittwoch war ein noch nicht identifizierter Autofahrer auf der A12 bei Fürstenwalde (Oder-Spree) tödlich verunglückt – ebenfalls bei einem Auffahrunfall mit einem Lkw. Der Lastwagen fuhr auf den Pkw auf, schob ihn gegen einen vor ihm fahrenden Schwertransporter. Alle drei Fahrzeuge fingen Feuer. Der Pkw-Fahrer starb, der Lenker des Schwertransporters sowie die Insassen des aufgefahrenen Lasters wurden leicht verletzt. Die Unfallursache sei noch unklar, sagte eine Sprecherin der Polizeidirektion Ost am Mittwoch den PNN. Die Bergungsarbeiten hätten sich über viele Stunden hingezogen. Auf der Gegenspur kippte ein Lastwagen um. Unachtsamkeit des 54 Jahre alten Fahrers, der leicht verletzt wurde, könnte die Ursache gewesen sein.

Ein weiterer Lkw-Unfall ereignete sich in Strausberg (Märkisch-Oderland): Ein Laster erfasste beim Abbiegen eine 84-jährige Fußgängerin und verletzte sie schwer.

Das vierte Todesopfer war am Mittwoch auf der L38 zu beklagen. Ein Autofahrer kam aus ungeklärter Ursache von der Fahrbahn ab und prallte gegen den Brückenpfeiler der Autobahnbrücke Anschlussstelle Erkner (Oder-Spree).

So viel Tragik im Straßenverkehr habe die Brandenburger Polizei in den vergangenen Jahren nicht konstatieren müssen, so Höppner. Aber: Immer wieder kommt es zu schweren Unglücken mit Lastern. 14 164 Lkw-Unfälle gab es im Vorjahr in Brandenburg – ein Anstieg um 11,4 Prozent. 1421 Menschen wurden bei solchen Unfällen verletzt, 39 getötet. Innerorts gibt es immer wieder schwere Unfälle beim Abbiegen wie nun in Strausberg. Im Januar überrollte ein Lkw ein zehnjähriges Mädchen in Brandenburg/Havel, das auf dem Rad unterwegs war. Auf Brandenburger Autobahnen ist laut Polizei bei nahezu jedem zweiten Verkehrsunfall ein Truck beteiligt. Die Baustelle auf der A10 bei Michendorf ist der Unfallschwerpunkt schlechthin auf Brandenburgs Autobahnen. Auch dort kommt es öfter zu Auffahrunfällen mit Lastern wie nun auf der A12 und der A13.

Mehr Unfälle, mehr Verletzte, mehr Tote. „Wir haben ein zunehmendes Problem mit Lkw-Unfällen im Land“, sagte Rainer Genilke, Präsident der Brandenburger Verkehrswacht, am Mittwoch den PNN. Der zunehmende Güterverkehr auf den Straßen sei Sinnbild für die gute wirtschaftliche Entwicklung, aber darauf müsse man reagieren und die Sicherheit auf den Straßen erhöhen. Genilke plädierte für einen Mix aus Technik, mehr Kontrollen, härteren Strafen und besseren Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer. Die Hersteller müssten ihre Fahrzeuge mit Assistenzsystemen nachrüsten, fordert Genilke, der auch CDU-Landtagsabgeordneter ist. Automatische Abstandhalter, die sich nicht abschalten lassen, könnten manchen Unfall vermeiden, meint er. Innerorts könnten Abbiegeassistenten helfen. „Im Stau werden die Abstandhalter oft abgeschaltet – und schon ist es passiert“, sagte der Verkehrswacht-Chef. Wer solche Technik abklemme, müsse bestraft werden.

Die Polizei will die Kontrollen im Güterverkehr weiter verstärken, wie Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke bei der Vorstellung der Verkehrsunfallbilanz Mitte März erklärt hatte. Mehr als 28 100 Lkw wurden im Vorjahr überprüft, knapp 24 200 Verstöße geahndet. Technische Mängel, falsch gesicherte Ladung, aber auch Alkohol am Steuer sowie nicht eingehaltene Ruhezeiten monierten die Kontrolleure.

Das Nichtbeachten der Ruhezeiten und damit geringere Aufmerksamkeit hinter dem Steuer sei ein großes Sicherheitsrisiko, so Genilke. „Die Fahrer stehen unter einem enormen Druck“, sagte der Verkehrsexperte. Die Ware müsse „just in time“ geliefert werden. Viele Fernfahrer würden, damit sich der harte Job überhaupt lohne, zwischendurch noch schnell einen weiteren Auftrag einschieben. Hier seien die Spediteure gefragt, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. „Wir sind nicht besonders freundlich zu unseren Brummifahrern“, sagte Genilke. An den Autobahnen und Bundesstraßen gebe es zu wenig Rastplätze für Pausen. Einen Umstand, den auch Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) bei der Vorstellung der Unfallbilanz moniert hatte. „Vor der Raststätte Fichtenplan auf der A10 stauen sich die Laster schon auf der Standspur“, nannte Genilke ein Beispiel für zu geringe Kapazitäten. Ein Parkplatzbewirtschaftungssystem, bei dem Lkw-Fahrer bereits vor Start ihrer Tour einen Parkplatz reservieren können, schlägt Genilke vor.

Das Innenministerium geht davon aus, dass der Güterverkehr weiter zunehmen wird. Brandenburg sei Transitland, so Minister Schröter. Um die Straßen wieder sicherer zu machen, müsste der Güterverkehr deshalb auf die Schiene verlagert werden, hatte die Verkehrsexpertin der Linken, Anita Tack, gefordert. Dafür plädiert auch Genilke. Steuerliche Erleichterungen für Unternehmen, die beim Transport auf Zug statt Laster setzen, könnten Anreiz für ein Umsteuern sein.

„Der Güterverkehr auf der Schiene ist noch weiter ausbaufähig“, sagte auch Michael Wedel, Landesvorsitzender des Deutschen Bahnkunden-Verbands. Dafür seien weitere Umladestellen für den kombinierten Verkehr Straße/Schiene nötig. Das Güterverkehrszentrum Frankfurt (Oder) habe sich zu einem Drehkreuz entwickelt. Die Zahl der von der Straße auf die Schiene umgeschlagenen Container habe sich nahezu verdoppelt. „Diese Steigerung zeigt, dass eine Förderung solcher Anlagen durch das Land eine sinnvolle Maßnahme ist“, so Wedel.

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