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Brandenburg: Schwarze Gummiberge

Eberswalde sitzt auf einem Grundstück mit Tonnen alter Reifen. Stadt und Land ringen um Entsorgung

Von Matthias Matern

Eberswalde – Wie viel Stück in etwa sind 2000 Tonnen Altreifen? „Millionen, wie oft behauptet wird, sicher nicht. Aber bestimmt eine ganze Menge“, schätzt Uwe Birk, Ordnungsamtsleiter der Stadt Eberswalde, am Fuße beeindruckender Berge aus schwarzem Gummi. Weit mehr als mannshoch türmen sich ausgediente Reifen aller Art auf dem Gelände des ehemaligen Kreisbetriebs im Ortsteil Nordend. Seit rund zehn Jahren sitzt die Barnimer Kreisstadt auf dem illegalen Lager. Alle Bemühungen sich des Problems kostengünstig zu entledigen, schlugen bisher fehl. Jetzt soll endlich Schluss sein, auch wenn es teuer wird: „Findet sich kein anderer, ersteigern wir das Grundstück und entsorgen die Reifen vorerst auf eigene Kosten“, sagt Birk.

Allein für die Beseitigung der abgefahrenen Altlast rechnet der Ordnungsamtsleiter mit Kosten in Höhe von 150 000 Euro. „Wir haben bereits mehrere Angebote eingeholt. Die Preise sind überall in etwa gleich hoch.“ Dazu kommt noch der Kaufpreis der Immobilie. Der aktuelle Verkehrswert werde laut Gericht derzeit in einem Gutachten ermittelt, berichtet Birk. Die Wahrscheinlichkeit, dass Eberswalde bei der Zwangsversteigerung des rund 2,7 Hektar großen Areals im Amtsgericht Strausberg den Zuschlag bekommt, ist groß. Es ist bereits die dritte Versteigerung, die angestrengt wird. „Das letzte Mal lag der Verkehrswert bei einer Mark, also 51 Cent“, erinnert sich Uwe Birk. Zugeschlagen habe trotzdem keiner.

Die eigentlichen Verantwortlichen indes sind blank, oder haben sich abgesetzt, sind somit für Gerichte nicht greifbar, erzählt der Ordnungsamtsleiter. Anfang der 90er Jahre habe die Firma Nordbau Eberswalde e.G. als Nachfolger des Kreisbetriebs das Gelände an das Berliner Unternehmen Wheels Handels und Service GmbH vermietet. Diese habe für die Annahme alter Reifen abkassiert und sei dann pleite gegangen. Einer späteren, angeordneten Räumung wurde nicht nachgekommen. Das Grundstück der ebenfalls insolventen Nordbau ist derzeit in der Hand des Hauptgläubigers, der Bankaktiengesellschaft aus Hamm. Ex-Geschäftsführer Thomas Lommel pflege mittlerweile Olivenbäume auf Mallorca, erzählt Uwe Birk und präsentiert einen Ausdruck dessen Internetseite.

Zum Handeln gezwungen sieht sich die Stadt unter anderem durch den Protest von Anwohnern. „Man sieht im Fernsehen so viele Berichte von Bränden auf illegalen Deponien. Da haben die Menschen einfach Angst“, berichtet Jürgen Kumm (SPD), Ortsteilbürgermeister von Nordend, der selbst nur rund 500 Meter Luftlinie entfernt lebt. Das verwaiste Gelände sei ein richtiger Tummelplatz. Oft würden sich dort Jugendliche treffen, Alkohol trinken und auch zündeln. „Es wird Zeit, dass endlich was passiert.“ Auch die Stadt rechnet im Falle eines Brands mit gewaltigen Umweltschäden und einer Gesundheitsgefährdung der Anwohner. Die Entfernung zu nächst gelegenen Wohnsiedlung schätzt Birk auf etwa 200 Meter. Bereits vor zwei Jahren ist die Stadt nur knapp diesem Szenario entgangen. Eine Baracke, höchstens 20 Meter von den ersten Reifenbergen entfernt, fackelte ab, nachdem dort Jugendliche in einem alten Ölfass zündelten.

Zuständig für die Entsorgung, so meint man in Eberswalde, sei das Land. Das ehemalige Amt für Emissionsschutz, heute Landesumweltamt, habe Mitte der 90er Jahre eine Begrenzung der Lagerkapazität für die Firma Wheels angeordnet, somit den Betrieb quasi genehmigt. Jahre lang hat Eberswalde versucht, das Land in die Pflicht zu nehmen.

Im Brandenburger Umweltministerium dagegen wird abgewiegelt und auf den Rechtsstreit verwiesen, der seit einigen Monaten zwischen zwölf Kreisen und dem Land schwelt. Mittlerweile illegale Deponien, die einst vom Land genehmigt wurden, müssten auch vom Land beseitigt werden, so die Position der Kreise. „Die Rechte und Pflichten der kommunalen Ordnungsämter und Gewerbeaufsicht werden nicht durch eine Genehmigung des Landesumweltamtes ausgehebelt", so Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade. Die 2000 Tonnen alte Reifen seien schließlich nicht über Nacht dort abgelegt worden.

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