zum Hauptinhalt
Gesund lernen. Michaela Keller ist an zwei Beelitzer Schulen eingesetzt.

© Kaufmann

Schulkrankenschwestern: Trösten und verarzten zwischen Mathe und Deutsch

Brandenburg testet den Einsatz von Schulkrankenschwestern. Eine erste Evaluierung zeigt: Die Pflegeprofis werden gebraucht.

Potsdam- 20 Jahre lang hat Michaela Keller auf einer Intensivstation gearbeitet. Seit November 2016 wird sie zwar auch intensiv gebraucht, aber bei weniger schlimmen Krankheiten. Ob Wunde vom Sportunterricht, Erkältung, Kopfschmerzen, Übelkeit, Stress oder Zuckerkontrolle bei einem Diabetikerkind – die 41-Jährige ist zur Stelle. Bis zu zwölf Schüler am Tag kommen zu Michaela Keller in ihr Behandlungszimmer.

20 Schulen im Modellversuch

Sie ist eine von zehn sogenannten Schulgesundheitsfachkräften, die während eines Modellversuchs an 20 Brandenburger Schulen eingesetzt sind. Keller ist Ansprechpartnerin für die Solar-Oberschule sowie die Diesterweg-Grundschule in Beelitz. Ob sie dauerhaft junge Patienten direkt neben dem Klassenzimmer behandeln kann oder ihr Einsatz im Oktober endet, ist noch nicht klar. Am Donnerstag legte das Land Zwischenergebnisse vor. Erst nach einer ausführlicheren Evaluation soll entschieden werden, ob die Schulschwestern nach skandinavischem Vorbild möglichst flächendeckend in Brandenburg etabliert werden.

„Wir wünschen uns, dass es weitergeht“, sagte Sozialministerin Diana Golze (Linke) bei der Vorstellung der Zwischenergebnisse, die vom Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften der Berliner Charité erhoben wurden. Diese legen nahe: Der Bedarf zumindest an den Grundschulen ist da. Jedes zweite Grundschulkind holte sich Rat bei der Gesundheitsfachkraft, wie die Auswertung eines Zeitraums von zwei Monaten ergab.

1,1 Millionen Euro für den Modellversuch

In der Sekundarstufe suchte jedes vierte Kind das Krankenzimmer in der Schule auf. Um entscheiden zu können, wie es mit dem Modellprojekt weitergeht, seien aber weitere belastbare Daten nötig, so Golze. Und Geldgeber. Der zwei Jahre dauernde Modellversuch unter Trägerschaft des Bezirksverband Potsdam der Arbeiterwohlfahrt (Awo) kostet 1,1 Millionen Euro. Den Löwenanteil trägt die Krankenkasse AOK Nordost, auch die Unfallkasse Brandenburg sowie das Sozial- und das Bildungsministerium beteiligen sich finanziell.

„Damit Kinder gut lernen können, müssen sie gesund sein“, ist Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) überzeugt. Die multiprofessionelle Schule, an der nicht nur Lehrer, sondern auch medizinisches Fachpersonal, Sozialarbeiter- und -pädagogen arbeiten, entspreche einem modernen Verständnis von Bildung. Die Schulkrankenschwestern können zum Beispiel auch in der Prävention mitarbeiten und Kinder über gesunde Ernährung aufklären. Auf diese Weise würde der Gesundheitsgedanke an den Schulen verbreitet, meint Stefanie Stoff-Ahnis von der AOK. Gerade auch in Zeiten, in denen Inklusion, der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Handicap, in Brandenburg selbstverständlich werden soll, seien die Gesundheitsfachkräfte für die Schulen hilfreich, ergänzt Claus Heuberger, Chef der Unfallkasse.

Lehrer fehle im Zweifel die Fachkompetenz

Für die stellvertretende Schulleiterin Kathrin Rottstock ist Michaela Keller einfach eine Entlastung im Schulalltag. Wenn früher ein Kind krank geworden sei, sei es im Sekretariat betreut worden, bis die Eltern kamen. Den Lehrern würde so einiges abgenommen, für das ihnen im Zweifel auch die Fachkompetenz fehlt. Medikamente darf allerdings auch Michaela Keller nicht verabreichen.

Sorgen, genügend Personal zu finden falls das Modellprojekt ausgeweitet wird, hat Awo-Bezirkschefin Angela Schweers nicht. Zum Beispiel für ältere Pflegekräfte, denen der Schichtdienst im Krankenhaus zu viel wird, oder Frauen, die wegen ihrer eigenen Familien lieber stundenplankompatible Arbeitszeiten haben, interessierten sich für den Einsatz in der Schule. „Ich habe nach 20 Jahren Intensivmedizin einfach ein anderes Handlungsfeld gesucht“, erklärt Michaela Keller ihre Motivation. Sie fände es schön, nun auch gefragt zu sein, bevor jemand ernsthaft krank werde.

Bis zu 40 Kinder täglich

Hessen ist das zweite Bundesland, das den Einsatz von Schulkrankenschwestern testet. Eine endgültige Auswertung liegt auch dort noch nicht vor, aber eine ähnliche Tendenz wie in Brandenburg: Das Angebot wird genutzt. Bis zu 40 Kinder täglich suchen dort die Gesundheitshelfer auf. Allerdings sind sie dort an größeren Schulen im Einsatz. Bei einer Fachtagung im Potsdamer Mercure-Hotel wurden die Vorergebnisse am Donnerstag besprochen. Auch Teilnehmer aus Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Bremen seien angereist, so Ministerin Golze. „Es gibt bundesweites Interesse an der Idee“, sagt sie. Brandenburg könne eine Pionierfunktion einnehmen.

Zur Startseite