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Schulen in Brandenburg: Stipendium für Landlehrer Brandenburgs

Viele Brandenburger Lehrer gehen in den kommenden Jahren in Rente, die Schulen - besonders im ländlichen Raum - brauchen dringend neues Personal. Ein Vorstoß der Opposition: Mit einem Stipendium sollen Lehramtsstudenten gebunden werden.

Potsdam - Die Buschzulage von 300 Euro für freie Lehrerstellen auf dem Land ist faktisch gescheitert. Auch sie lockt junge Lehrer nicht in Städte und Dörfer fernab von Berlin, wie das Bildungsministerium bestätigt. Landtag und Landesregierung in Brandenburg wollen deshalb nun die Einführung eines Landlehrer-Stipendiums prüfen, um Lehramtsstudenten langfristig an Schulen im ländlichen Raum zu binden.

Einen entsprechend Beschlussantrag der rot-roten Koalition verabschiedete das Plenum am gestrigen Donnerstag – allerdings auf Druck der Opposition. CDU und Grüne hatten zuvor einen Antrag eingebracht, nach dem die Landesregierung bis Jahresende ein Stipendienprogramm aufzulegen hat, mit dem sich Lehramtsstudenten verpflichten, nach Abschluss ihrer Ausbildung als Landlehrer an Brandenburger Schulen zu arbeiten. Die Koalition aus SPD und Linke lehnte den Antrag erwartungsgemäß ab, um gesichtswahrend nicht die eigenen bisherigen Bemühungen auf diesem Feld und ihren Bildungsminister Günter Baaske (SPD) schlecht dastehen zu lassen. Allerdings wollten die Koalitionäre es vermeiden, einen selbst von der Bildungsgewerkschaft GEW unterstützten Vorschlag inhaltlich grundweg abzulehnen. Daher soll nun – so der Gegenantrag von Rot-Rot – die Landesregierung erst einmal prüfen. Vor allem, wie das im Herbst 2015 eingeführte „Sachsenstipendium“, das Vorbild für den Oppositionsvorschlag war, im Nachbarland überhaupt wirkt. Und ob das auch für Brandenburg sinnvoll wäre. Erst wenn „valide Ergebnisse“ vorliegen, soll Bildungsminister Baaske dem Landtag „mögliche Schlussfolgerungen“ vorlegen.

In kommenden zehn Jahren gehen 11.000 bis 18.000 Lehrer in Rente

CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffmann warf Rot-Rot vor: „Sie schieben es auf die lange Bank, das wird dem Ernst der Lage nicht gerecht.“ GEW-Landeschef Günther Fuchs sprach gegenüber den PNN vor einer weiteren Hängepartie im Kampf gegen den Lehrermangel in Brandenburg. „Jedes Jahr, das ins Land geht, ist eine vertane Chance für uns“, so Fuchs. In den kommenden zehn Jahren würden knapp 11 000 von 18 000 Lehrern im Land in Pension gehen. Deshalb müsse jetzt gegengesteuert werden. „Die Landesregierung sitzt die Probleme aus. Der Bedarf ist seit sieben Jahren bekannt“, sagte Fuchs. „Manche in der Regierung haben nicht begriffen, in welcher Zeit wir angekommen sind. Sie leben im Wolkenkuckucksheim.“ Brandenburg werde in Zukunft um junge Lehrer ringen müssen und sei etwa bei der Besoldung, den Aufstiegschancen und der Arbeitsbelastung aber nicht konkurrenzfähig. Daher sei das Landlehrerstipendium nur ein Baustein von vielen, um neues Personal zu gewinnen.

CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffman warnte, Brandenburg brauche künftig allein 1000 neue Lehrer pro Jahr, um die Zahl der Pensionierungen aufzufangen. Die Universität Potsdam aber bilde nicht einmal die Hälfte dessen pro Jahr aus. Und nur jeder dritte Absolvent bleibe dann als Lehrer in Brandenburg. Es sei zwar spät, um gegenzusteuern, aber „nicht zu spät für eine kluge Planung“. Zudem gehe der Vorschlag über den Ansatz aus Sachsen weit hinaus. Für Brandenburg sollten Lehramtsstudenten im gesamten Bundesgebiet mit 300 Euro im Monat unterstützt werden. Im Gegenzug sollen sie sich verpflichten, so lange an eine Schule in Brandenburg zu gehen, wo sie gebraucht werden, wie das Stipendium dauerte. Parallel müssten die Lehrer von den Kommunen willkommen geheißen werden und Unterstützung beim Umzug erfahren.

Bildungsminister Baaske wolle Oppositionsantrag nicht verdammen

In der Koalition herrschen die größten Bedenken bei der SPD. Linke-Wissenschaftsexpertin Isabelle Vandré hält die Idee der Opposition für begrüßenswert, würde aber an Details gern nachsteuern – etwa den angehenden Lehrern kostengünstigen Wohnraum anbieten. Bildungsminister Baaske sagte, er wolle den Oppositionsantrag nicht verdammen. Doch der sei ein „Schuss aus der Hüfte“. Man müsse jetzt „in Ruhe raufschauen“ auf die Möglichkeiten eine Stipendiums. Die Effekte würden sich ohnehin erst in fünf, sechs Jahren zeigen. In Sachsen hätten sich Mitnahmeeffekte bei Lehramtsstudenten gezeigt, die ohnehin wieder in ihre Heimat zurückwollten.

Rainer Genilke (CDU) hält dieses Argument für abwegig. Das zeige das Beispiel des Landkreises Elbe-Elster, wo seit 2010 Medizinstudenten per Stipendium langfristig an die Region gebunden werden. „Wären wir damals mit diesen Ängsten losmarschiert, hätten wir heute 16 Ärzte weniger in Elbe-Elster“, sagte Genilke. Ohne Stipendium hätten sich diese wohl woanders niedergelassen. Zu Baaske sagte er: „Reißen Sie sich zusammen und nehmen Sie die Erfolge zur Kenntnis. Wir müssen uns auf den Weg machen. Nur wer dazu bereit ist, wird Erfolg haben.“

Auch GEW-Landeschef Fuchs hält Baaskes Bedenken für Unfug. Viele junge Menschen, vor allem Frauen, seien aus den Randregionen fortgezogen, es gebe auch keine Rückkehrerwelle. Selbst wenn jemand die Rückkehr etwa in die Prignitz nach dem Lehrerstudium plane, „sollte man das Bekenntnis zu diesem Bundesland unterstützen“. Zudem ließe sich mit dem Stipendium auch die Lehrerausbildung steuern – damit Lehrer auch in den Bedarfsfächern ausgebildet werden, etwa in Naturwissenschaften, aber auch Grundschullehrer und Sonderpädagogen. Es gehe um Planungssicherheit. „Am Ende gewinnt man nicht mehr Personal, wenn man sparen will. Man muss bereit sein zu investieren.“ Auch Großunternehmen würden mit Sponsoring junge Menschen langfristig als Fachkräfte an sich binden. „Das ist ein international übliches Verfahren“, sagte Fuchs.

Harte Konkurrenz in den akademischen Berufen

Der Versuch, Junglehrer über die Buschzulage aufs Land zu locken, sei dagegen kümmerlich. „Die Landesregierung muss begreifen, dass mit dem demografischen Wandel bei akademischen Berufen eine harte Konkurrenz herrscht“, sagte Fuchs. „Wir werden um die Abiturienten ringen müssen.“ Es sei längst nicht mehr selbstverständlich, dass jemand Beamter und Lehrer werden will. Es gehe immer mehr um die Frage, wie ein Beruf wertgeschätzt werde.

Immerhin: Baaskes Werbekampagne im Internet und in den sozialen Medien scheint Erfolg zu haben. Die geplante Anwerbung von 1400 neuen Lehrern ist auf der Zielgeraden, die Bewerbungsgespräche laufen in den Schulämtern. Anfang Juli waren 208 Stellen aber noch nicht besetzt.

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