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Achtung Gift.

© dpa

Schreck an Weihnachten: Kohlenmonoxid: Familie zu Hause vergiftet

Ein 48-jähriger Berliner lag bewusstlos in der Badewanne. Seine Frau rettete ihn. Jetzt ermittelt die Polizei, woher das Gas kam.

Von Sandra Dassler

Berlin - „Wir hatten doch noch nie eine Gartenschere“ – diesem simplen Satz hat es Uwe K. zu verdanken, dass er das neue Jahr erleben wird. Diesem Satz und der Aufmerksamkeit und Beherztheit seiner Frau, die den 48-Jährigen vor dem Tod durch eine Kohlenmonoxidvergiftung in der eigenen Badewanne rettete. Für seine Frau, Joyce K., ist die Erinnerung an letzten Freitag ein Albtraum: Wie jedes Jahr am 23. Dezember schmückte sie mit ihrer Tochter den Weihnachtsbaum. Ihr Mann nahm ein Bad und irgendwann fragte sie ihn durch die geschlossene Tür, wo denn die Gartenschere sei. „Er war wohl schon benommen“, erzählt die 40-Jährige: „Seine Antwort, dass wir nie eine gehabt hätten, war jedenfalls totaler Blödsinn und machte mich stutzig“. Deshalb stellte sie einige Minuten später noch einmal eine Frage. Als keine Reaktion erfolgte, öffnete die Berlinerin die Badezimmertür und fand ihren Mann bewusstlos, den Kopf unter Wasser. „Ich hab’ ihn rausgezogen, beatmet, Herzdruck-Massage gemacht“, sagt sie. Als die von der 14-jährigen Tochter alarmierten Rettungskräfte eintrafen, schlug Uwe K.s Herz zwar, aber noch nicht regelmäßig. Er atmete nicht, es bestand akute Lebensgefahr. Auf der Intensivstation stellten die Ärzte eine Kohlenmonoxidvergiftung fest, auch bei Joyce K. und ihrer Tochter waren die Werte erhöht. Feuerwehrleute fuhren noch einmal in die Wohnung der K.s in Berlin-Prenzlauer Berg und stellten dort erhöhte Kohlenmonoxidwerte fest. Sie vermuteten einen Defekt der Gastherme, die sich direkt über der Wanne im fensterlosen Bad befand, oder eine Störung der Abzugsanlage. Die gemeinsam mit dem zuständigen Bezirksschornsteinfeger angeforderte Netzbetreibergesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) schaltete die Therme aus und verplombte sie. Joyce K., die viel Zeit am Bett ihres immer noch zwischen Leben und Tod schwebenden Mannes verbrachte, erhielt die Aufforderung, ihren Vermieter zu benachrichtigen. Der Vermieter ist aber bis heute nicht erreichbar. Immerhin hatte Joyce K. die Nummer der zuständigen Heizungsfirma. Deren Mitarbeiter kam Heiligabend, konnte aber, so der Firmenchef, nichts tun, weil der Schornsteinfeger nicht erreichbar war und die Plombe von der NBB „ungewöhnlicherweise nicht am Gashahn, sondern an der Therme angebracht“ gewesen sei. Ob es nun Kommunikationsprobleme oder nur die Feiertage waren – die Heizung von Joyce K. blieb jedenfalls aus, die Wohnung kalt. Erst am Mittwoch kontrollierten Heizungsfirma und Schornsteinfeger die Anlage – und fanden nichts. „Wir haben weder Probleme beim Abzug noch einen Defekt in der Gastherme feststellen können“, sagt der Chef der Heizungsfirma. Deshalb habe man die Therme wieder freigegeben. Im übrigen sei an jeder Gastherme, die nicht älter als 25 Jahre ist, ein Kohlenmonoxid-Sensor angebracht, der im Ernstfall die Abschaltung auslöst. Soll heißen, dass eigentlich nichts passieren kann. Und doch passiert es immer wieder. Erst im August starben sechs Menschen in Köpenick an Kohlenmonoxidvergiftung, weil die Vormieter das Belüftungsrohr der von ihnen nicht genutzten Gastherme verstopft hatten, um Zugluft zu verhindern. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seither nicht nur gegen die Vormieter, sondern prüft auch, ob sich noch andere strafbar gemacht haben. Zuständig für die Sicherheit von Gasthermen ist nicht wie oft angenommen die Gasag beziehungsweise die NBB. Deren Verantwortung bezieht sich nur auf das Leitungsnetz und endet, wo die Leitung in das Gebäude führt, sagt NBB-Sprecher Carsten Döring. Im Gebäude sind die Hauseigentümer verpflichtet, Heizungsanlagen regelmäßig durch den Schornsteinfeger prüfen zu lassen. Seit 2008 dürfen diese Prüfung auch ausländische Firmen übernehmen, was nach Ansicht von Experten dazu führt, dass die Überwachungsqualität der Feuerstätten sinkt. Vermieter haben nach Paragraf 535 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch dem Mieter die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Auch die meist mit vermietete Heizungsanlage muss der Mieter ohne Risiko nutzen können. Um das sicherzustellen, sollte neben der Prüfung durch den Schornsteinfeger auch eine regelmäßige fachmännische Wartung erfolgen. In Joyce K.s Wohnung ist das alles angeblich geschehen. „Die Wartung war am 7. Juni 2011, kurz danach hat der Schornsteinfeger kontrolliert“, sagt der Chef der Heizungsfirma. Woher das Kohlenmonoxid kam, sei ihm ein Rätsel, aber jetzt, versichert er, sei alles in Ordnung. Joyce K. verlässt sich darauf nicht mehr. Sie hat sich einen Kohlenmonoxid-Melder gekauft. Feuerwehrsprecher Sven Gerling kann das verstehen. „Unsere Männer haben eine erhöhte Kohlenmonoxidkonzentration gemessen“, sagt er: „Die verschwand, nachdem die Therme abgeschaltet war. Das muss eine Ursache haben.“ Joyce K. hat jetzt Anzeige erstattet. Gegen Unbekannt. Uwe K. kehrte gestern aus der Klinik nach Hause zurück. Gesund ist er noch nicht.

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