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Brandenburg: Schön grün, aber blass

Die Mark ist laut einer Studie keine Marke. Das will die Landesregierung mit einer Kampagne ändern

Potsdam - Hatte Thilo Sarrazin doch recht? Im Jahr 2005 sagte er höhnisch über Brandenburg, die Mark sei nur Berlin mit angeschlossener Landschaftspflege. Jetzt kommt eine Studie im Auftrag der Landesregierung zu einem wenig schmeichelhaften Urteil über das Image des Landes: wenig präsent, geringes Profil, aber viel Grün.

Denn Brandenburg wird in Deutschland kaum wahrgenommen. Zwar sind Spreewald, Schloss Sanssouci oder der Filmstandort Babelsberg auch in alten Bundesländern bekannt. Nur die wenigsten denken dabei aber an Brandenburg. So kennen laut der repräsentativen Umfrage 83 Prozent der Westdeutschen zwar Potsdam, aber nur 55 Prozent wissen, dass es zu Brandenburg gehört. Noch schlechter ist das Verhältnis beim Spreewald, beim Schloss Sanssouci, dem Babelsberger Filmpark oder Tropical Islands. Vom Museum Barberini, im Januar eröffnet, begleitet von einer großen Werbekampagne, haben nur fünf Prozent der Bundesbürger gehört.

Die Studie ist Basis für eine Marketingkampagne der Regierung, die damit dem Vorbild andere Bundesländer folgt: Be Berlin, MV tut gut, Land der Frühaufsteher, So geht Sächsisch. Das märkische Understatement soll abgelegt werden. Brandenburgs Budget ist jedoch im Vergleich zu den anderen Bundesländern mit 3,5 Millionen Euro bis 2020, über die Landtagswahl 2019 hinaus, recht klein, doch die Ausschreibung sei in der Branche gut angekommen, selbst bei großen Agenturen, heißt es aus der Staatskanzlei. Entschieden wird im September, los geht’s Anfang 2018. Dann soll für die Mark geworben werden: Die Kampagne soll „das Land Brandenburg zunächst in Deutschland in den Fokus zu rücken“. Hier lässt es sich preiswert leben, naturnah sowieso, Jobs und gute Bildung gibt es auch. Fachkräfte müssen her.

Damit die kommen, bleibt viel zu tun, sagt Staatskanzleichef Thomas Kralinski. Die Autoren der Studie vom Bochumer Kommunikationsinstitut com.X befinden: „Aus fernerer Westsicht“ laufe Brandenburg Gefahr, „indifferent als Osten wahrgenommen zu werden“, „in der Wahrnehmung mit Berlin zu verschmelzen“, „von Berlin überblendet zu werden“. Nur 26 Prozent der Bundesbürger sind demnach „Brandenburg-Kenner“. Nur über Sachsen-Anhalt und das Saarland wissen die Deutschen noch weniger. Als Zuzugsort und Reiseziel punktet Brandenburg vor allem bei Berlinern oder im Osten.

Beim Sympathie-Ranking ist die Mark bundesweit abgeschlagen, findet nur im Osten mehr Zugeneigte. Und wofür ist Brandenburg bekannt, was wird an der Mark geschätzt? Jedenfalls nicht für wirtschaftliche Spitzenpositionen, die Infrastruktur, prima Internet, Jobchancen, niedrige Lebenskosten oder Kultur, was alles für Zuzügler interessant sein könnte. Stattdessen steht die Mark für: viel Natur und Gewässer – und die Nähe zu Berlin. Das aber, finden die Autoren der Studie, könnte für potenzielle Zuzügler entscheidend sein, besonders für Berliner. „Wenn man es kennt, würde man es vermissen“, heißt es in der Studie.

Als Zuzugsort punktet das Land deshalb vor allem bei Berlinern oder in den anderen neuen Ländern. Nur 19 Prozent der Bundesbürger finden Brandenburg attraktiv, um sich hier dauerhaft niederzulassen. Bei den Spitzenreitern Schleswig-Holstein und Hamburg sind die Werte doppelt so hoch. Immerhin die Hälfte der Berliner findet Brandenburg für einen Zuzug attraktiv und auch bei Studenten in den alten Ländern kommt Brandenburg als Wohnort eher in Frage.

Ähnlich verhält es sich mit der Beliebtheit als Urlaubsziel: Für Reisen landet Brandenburg im Ländervergleich im Mittelfeld. Immerhin 60 Prozent der Bundesbürger finden das Land attraktiv für Reisen. Berliner (88 Prozent) sowie Ostdeutsche finden die Mark als Reiseziel interessanter als Westdeutsche (55 Prozent). Und: Wer älter, besser gebildet ist und mehr verdient, reist gern nach Brandenburg.

Ohne Berlin geht es also nicht. Die Hauptstadt sei auch für Touristen, die auf dem Weg nach Berlin durch Brandenburg müssen, „die Brücke“ für einen Abstecher ins Umland, den man als Berlin-Gast mitnimmt. Dank Berlin schneidet Brandenburg aber auch beim Imageranking leicht besser ab als die anderen Ost-Länder. Den Ruf als Hotspot von Neonazis ist es langsam los. Die anderen neuen Länder stehen schlechter da. Aber potenzielle Zuzügler und Besucher, ein Drittel der Westdeutschen, ein Fünftel der Berliner, fühlen sich nicht willkommen in der Mark. Doch Berliner geben den Nachbarn auf der Willkommensskala für Zuzügler nur eine Schulnote 3, die Brandenburger geben sich selbst nur eine 2,6.

Wer aus Berlin raus ins Grüne zieht, bei dem will sich das „Brandenburg-Gefühl“ nicht recht einstellen. Am ehesten kommen die Berliner im Nordgürtel von der Prignitz über Oberhavel bis nach Barnim und Uckermark an, im wachsenden südwestlichen Speckgürtel vom Havelland über Mittelmark und Teltow-Fläming will sich das „Brandenburg-Gefühl“ bei den Zugezogenen am wenigsten einstellen.

Generell haben die Brandenburger übrigens ein blasses Image: Sie gelten vor allem als bodenständig, freundlich, entspannt, verlässlich und aufrichtig. Seltener gelten sie als tolerant, fortschrittlich, spannend und optimistisch. Die Brandenburger bewerteten sich selbst immer am besten – aber auch das eher zurückhaltend, bodenständig eben. Einzige Ausnahme: Befragte aus dem Rest Deutschlands finden die Märker freundlicher, als diese sich selbst.

Das Institut hat zwischen Februar und Juni 1613 Menschen in Deutschland befragt und zugleich 200 Meinungs- und Unternehmensführer interviewt. Vertreter Brandenburger Unternehmen bewerten die Mark meist besser als jene aus anderen Ländern. Heimische Unternehmen sind jedenfalls weitgehend zufrieden. Meinungsführer und Unternehmen außerhalb Brandenburgs finden aber auch, bei der Internetanbindung und bei der modernen Wirtschaft mit Anbindung an innovative Hochschulstandorte muss das Land nachlegen. Was alle eint: Auch für sie punktet die Mark mit Natur, Wasser und am meisten mit Berlin.

Danke, Berlin also? „Nicht jeder liebt es, aber fast jeder braucht es“, schreiben die Forscher. Die enge Verbindung sehen in beiden Ländern bis zu drei Viertel der Bürger. Aber: „Mentalitätsmäßig passt man nicht so recht zusammen.“ Immerhin: Der BER und die Lausitzer Brandenburgkohle färben nicht auf das Image der Mark ab, sie spielen dafür schlicht keine Rolle. Der Flughafen – das ist ein Ding der Berliner. Fehlt noch ein griffiger Slogan. Ex-Boxprofi Axel Schulz sagte einst: „Brandenburg – da kannste nich meckern.“ Das verstehen nur Märker. Staatskanzleichef Kralinski grübelt, vielleicht: „Brandenburg. Immer vor Berlin.“ Denn durch die Mark muss man immer.

nbsp;Alexander Fröhlich

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