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Der Potsdamer Anwalt Thorsten Purps (r.) vertritt den Eigentümer von Schloss Diedersdorfin dem Zivilverfahren. 

© Marion Kaufmann

Schaden durch Corona-Lockdown: Gastronom zieht gegen Land Brandenburg vor Gericht

Der Eigentümer von Schloss Diedersdorf fordert Corona-Entschädigung vom Land Brandenburg. Am 24. Februar will das Landgericht Potsdam in dem Präzedenzfall seine Entscheidung verkünden.

Potsdam -Es ist eines der ersten Verfahren dieser Art in Brandenburg, weitere dürften angesichts des verlängerten Lockdowns folgen: Ein Gastronom zieht gegen das Land vor Gericht, weil er sich durch die Corona-Regeln im Nachteil sieht. „Es geht nicht nur um uns“, sagt Maximilian Worm vor Saal 1 des Potsdamer Landgerichts. „Die ganze Branche ist betroffen.“ Auch deswegen hätte sich die Familie dazu entschlossen, ihren Fall, stellvertretend für viele, juristisch klären zu lassen. Der 18-Jährige und seine zwei Jahre ältere Schwester Salina verfolgen am Dienstag die fast zweistündige mündliche Verhandlung vor dem Landgericht. Ihr Vater Thomas Worm, der Beschwerdeführer, erscheint nicht vor Gericht, weil er zur Corona-Risikogruppe zählt.

Es geht um den ersten Lockdown im Frühjahr 2020

Thomas Worm ist Eigentümer des weithin bekannten Schlosses Diedersdorf im Landkreis Teltow-Fläming. Hotel, Restaurant, Biergarten, Eventlocation samt Standesamt und auch ein beliebter Drehort ist das noble Haus. Es diente als Kulisse für die „Musikantenscheune“ des rbb und die RTL-Sendung „Bauer sucht Frau“. Doch durch die Pandemie dreht sich für die Eigentümer nun alles ums Überleben, „Gastwirt sucht Recht“ könnte man den Film betiteln, der sich derzeit auf dem Schloss abspielt. „50 Mitarbeiter, die alle in Kurzarbeit sind, 100 Hotelbetten, 4000 Sitzplätze insgesamt“, zählt Salina Worm, die wie ihr Bruder Maximilian im Betrieb mitarbeitet, nach der Verhandlung auf. Mit dem Verfahren will Familie Worm erreichen, dass sie vom Land Brandenburg für die durch die Einschränkungen verursachten Verluste entschädigt wird und – vor allem – mit anderen Betroffenen, die einen solchen Ausgleich bekommen, gleichgestellt wird.

Worms Forderungen beziehen sich auf die Zeit des ersten Lockdowns im vergangenen Frühjahr. Wie alle Gastronomen musste er sein Lokal schließen, nur Verkauf außer Haus war erlaubt, das Hotel konnte nur von Gewerbetreibenden gebucht werden, führt sein Potsdamer Anwalt Thorsten Purps von der Wirtschaftskanzlei Streitbörger vor Gericht aus. Etwa sechs Wochen lang, ab 23. März, sei der Betrieb quasi komplett lahmgelegt gewesen. 

Entschädigung nur bei Corona-Fall

Zwar habe sein Mandant Corona-Soforthilfen in Höhe von 60.000 Euro erhalten, die täglichen Umsatzeinbußen von rund 5400 Euro hätten damit aber nicht kompensiert werden können. 27.000 Euro Schaden macht Worm geltend. Konkret beklagt er, dass sein Betrieb vom Landesamt für Arbeitsschutz keine Entschädigung bekommen habe. Diese erhalten laut Paragraph 56 Infektionsschutzgesetz nur Betriebe, die wegen eines Corona-Falls oder eines „Ansteckungsverdächtigen“ in der Belegschaft vom Gesundheitsamt geschlossen werden oder Quarantäne auferlegt bekommen. Es könne nicht sein, dass sein Mandant, der ein umfassendes Hygienekonzept erarbeitete, die Schutzmaßnahmen mittrage und keinen Corona-Fall im Betrieb hatte, quasi dafür bestraft und schlechter gestellt würde als andere, so Purps. „Das ist keinem mehr zu vermitteln. Das hat auch mit Vertrauen in den Rechtsstaat zu tun“, erklärt der Anwalt. Zumal die Nichteinhaltung der Maßnahmen mit „drakonischen Strafen“ von Bußgeld bis zu zwei Jahren Haft geahndet würde. In gewisser Weise habe der Gastronom ein „Sonderopfer“ erbracht, da es durchaus Branchen und Firmen wie etwa Amazon gebe, die von der Pandemie sogar profitierten. 

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Anwalt Maximilian Dombert der das Land Brandenburg in dem Rechtsstreit vertritt, sieht das anders. „Uns ist allen klar, was das für einschneidende Maßnahmen sind“, räumt er vor Gericht ein. Aber diese dienten dem Schutz der Allgemeinheit und beträfen eben nicht nur den einzelnen Gastronomen. In der Entschädigungsregelung sehe er „keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung.“ Der Gesetzgeber habe vielmehr eine „Entscheidung über begrenzte finanzielle Ressourcen“ getroffen. Bei einer Pandemie eines solchen Ausmaßes sei es nicht möglich, jedem ein Recht auf Entschädigung zuzubilligen. Außerdem, stellt der Anwalt des Landes als Frage in den Raum, hätte sich der Schloss-Betreiber vorher vor den Verwaltungsgerichten in Eilverfahren gegen die Maßnahmen zur Wehr setzen müssen, ehe er Schadensersatz vom Land fordern kann? 

Entscheidungverkündung am 24. Februar 

Wie komplex der Rechtsstreit ist, macht der Vorsitzende der 4. Zivilkammer, Andreas Dielitz, durch die ausführliche Befragung beider Seiten deutlich. „Ich kann jeden verstehen, der seine Ansprüche geltend macht“, sagt Richter Dielitz an Salina und Thomas Worm gewandt. „Aber wir sind keine Amtsermittler“, erläutert er die Rolle seiner Kammer. Diese müsse die rechtlichen Grundlagen abklopfen, bewerten und dann entscheiden. „Wir tun nur das, was unsere Aufgabe ist“, sagt er. „Wir sind nicht herzlos.“ Klingt dabei schon durch, dass die Aussichten des Schloss-Gastronomen auf Erfolg nicht allzu groß sind?  Eine gütliche Einigung haben beide Seiten abgelehnt. Am 24. Februar, nach eingehender Beratung, will das Landgericht seine Entscheidung verkünden. Einen Beschluss, der Präzedenzcharakter haben dürfte, nicht nur im Land Brandenburg. 

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