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Reden. Matthias Platzeck hier 2015 in einer Talkshow - es ging um Russland.

© dpa

Russischer Tag für Matthias Platzeck: Bei den Freunden

Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck führt Besucher durch die russische Botschaft und spricht vor Wirtschaftsvertretern über „ziellose Sanktionen“. PNN-Reporter Marco Zschieck hat zugehört, was Platzeck sagt und was nicht.

Potsdam/Berlin - Tage, an denen sie von Freunden umgeben sind oder bei ihnen zu Besuch, genießen die Menschen gemeinhin. So gesehen muss Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Mittwoch einen schönen Tag gehabt haben. Er bezeichnet sich ja selbst als Russlandfreund.

Am Nachmittag nämlich führte er eine Besuchergruppe im Rahmen der rbb-Reihe „Meine Entdeckung“ durch die russische Botschaft in Berlin Unter den Linden – durch prunkvolle Säle und unter imposanten Kronleuchtern. Im dazugehörigen Radiobeitrag hört man ihn, den Vorsitzenden des Deutsch-Russischen Forums, vom Gebäude schwärmen. „Hier ist nichts besonders Geheimnisvolles“, sagt er. Nun ja, Presse wollte die Botschaft nach rbb-Angaben aber dann doch nicht dabeihaben. Eine Akkreditierung für die PNN wurde abgelehnt. Glasnost, also Offenheit, ist wohl gerade nicht gefragt.

Am Mittwochabend ging es für Platzeck dann mit seinem Herzensthema weiter. Auf Einladung des Wirtschaftlobbyvereins Pro Brandenburg war er zum Symposium „Deutschland – Russland. Ende oder Fortgang einer Freundschaft in und für Europa?“ zu Gast. Das interessierte die brandenburgischen Geschäftsleute offenbar sehr. Die 200 Plätze im Saal der Potsdamer Niederlassung der Edis AG in der Straße Am Kanal waren restlos besetzt.

Drushba, die Freundschaft, ist in jüngerer Zeit belastet. Die Beziehungen zwischen Berlin und dem Kreml hätten sich verschlechtert, „was besonders noch einmal durch die Krise auf der Krim und dann in der Ukraine verschärft wurde“, hieß es im Einladungstext. Exporte seien eingebrochen. So war das Thema umrissen.

Gestörte Geschäfte

In Wirtschaftskreisen formuliert man ja gern ein bisschen beschönigend, um dem Geschäft nicht zu schaden. So wird die Krim sprachlich von der Ukraine getrennt, aus ihrer Annexion durch Russland und dem nur notdürftig verdeckten Krieg, den Russland im Osten der Ukraine führt, wird eine „Krise“. Aber gut, der Begriff hat sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch eingeschlichen.

Platzeck kann den besorgten Geschäftsleuten im Publikum Mut machen: „Ich glaube, das war die letzte Verlängerung der Sanktionen, die wir erlebt haben.“ Die Sanktionen, Einreisesperren für russische Geschäftsleute und Politiker sowie der eingeschränkte Zugang zum internationalen Kapitalmarkt für russische Banken und Konzerne, waren von der EU verhängt worden, um Russland von seinem Aggressionskurs abzubringen.

Sie seien bisher ohne Erfolg geblieben. Deshalb – und er habe es von Anfang an gesagt – müssten sie weg. „Nichts ist besser geworden.“ Dass Russland seine Expansion in der Ukraine – im Gegensatz zum nicht sanktionierten Dauerbombardement in Syrien – infolge der Sanktionen zumindest nicht ausgeweitet hat, passt leider nicht in die Argumentation. Was die Alternative zu Sanktionen wäre? „Ich habe auch nicht für alles eine Lösung“, sagt Platzeck.

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing

Interessant auch, mit wem der frühere Ministerpräsident so auf dem Podium plaudert: Da ist der russische Ex-Botschafter Wladimir Kotenev, der widerspruchslos erzählt, dass auf der Krim im März 2014 nationalistische Schlägertrupps aus der Westukraine prorussische Wähler von der Teilnahme am Referendum über den Anschluss an Russland abhalten wollten. Wie das angesichts von 25.000 russischen Soldaten auf der seinerzeit bereits abgeriegelten Halbinsel vor sich gegangen sein soll, wird wohl sein Geheimnis bleiben.

Daneben sitzt Alexander Rahr, in den vergangenen Jahren Lobbyist für den Pipelinebauer Wintershall und den russischen Energiekonzern Gazprom, vorgestellt als Publizist und Politikberater. Er meint, Deutschland solle sich von den wegen der massiven russischen Truppenpräsenz an ihren Grenzen besorgten Balten und Polen nicht in eine Ecke drängen lassen.

Damit die Runde sich und das Publikum nicht mit ihrer gegenseitigen Bestätigung zu sehr langweilt, muss Moderator Heinz Eggert hin und wieder eingreifen. Eggert – die Älteren werden sich an ihn als sächsischen Innenminister in den 1990er-Jahren und Talkshowgast erinnern – kann provokante Fragen stellen. Am Mittwochabend fragt er, ob die Annexion der Krim durch Russland nun völkerrechtswidrig war oder nicht.

Amerikaner sind auch schlimm

Ex-Botschafter Kotenev weicht aus. Rahr nennt die Abspaltung des Kosovo von Serbien als Beispiel. Platzeck meint, er sei zwar kein Jurist, aber die territoriale Integrität der Ukraine sei schon irgendwie verletzt worden. Andererseits, so Platzeck, gebe es auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker – und das gelte auch für die Krim. Kritiker mögen einwenden, dass die Sowjetunion ihre Annexionen auch immer durch Referenden zu legitimieren pflegte – natürlich nachdem Rote Armee und NKWD dafür gesorgt hatten, dass es keinen Widerspruch gab.

Im Umgang mit Russland beklagt Platzeck doppelte Standards. Ihm sei nicht bekannt, dass 2003 in Deutschland Sanktionen gegen die USA gefordert worden, als die in den Irak einmarschierten. „Mit Zehntausenden Todesopfern.“ Auf der Krim sei hingegen kein Schuss gefallen. Opfer interessieren am Mittwoch nur, wenn man US-Amerikaner verantwortlich machen kann. Die rund 10.000 Todesopfer des Krieges im Osten der Ukraine werden ebenso wenig erwähnt wie die ungezählten Bombenopfer in Syrien.

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