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Das Personal. Die Auswahl an Nachfolgern für Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sind begrenzt: Frank-Walter Steinmeier, SPD-Bundestagsfraktionschef, und Innenminister Dietmar Woidke.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Rückkehr auf Bewährung

Nach dem Schlaganfall geht Matthias Platzeck heute wieder arbeiten. Die Diskussion um seine Person, seine Zukunft und mögliche Nachfolger beendet das nicht

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Am heutigen Donnerstag, Punkt 12.30 Uhr, will sich Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) erstmals nach seinem leichten Schlaganfall vor eineinhalb Wochen wieder öffentlich zeigen. Er hat die Tourismusbranche in die Staatskanzlei geladen, der Fremdenverkehr in den vom Hochwasser betroffenen Regionen soll wieder angekurbelt werden. Eine Sache, die er noch erledigen will, bevor er sich in den dreiwöchigen Urlaub verabschiedet, wie er selbst sagte.

Aber das Hochwasser-Thema interessiert im politischen Potsdam gerade nicht: Denn viel mehr bewegt Brandenburg die Frage, wie es um die politische Zukunft des Regierungschefs steht. Macht er weiter wie bisher, trotz Schlaganfall, trotz seiner Vorgeschichte mit dem Rücktritt als SPD-Bundeschef 2006 nach zwei Hörstüzren und einem Zusammenbruch? Behält er alle seine Ämter als Regierungsschef, SPD-Landesvorsitzender und Chefkontrolleur beim Pannen-Flughafen? Oder wird er kürzertreten, wie er es schon einmal 2006 versucht hat? Wird Platzeck, wie er Ende 2012 ankündigte, 2014 ein drittes Mal als Spitzenkandidat seiner Partei, die allein auf seine Beliebtheit setzt, in die Landtagswahl führen? Will er sich den Wahlkampfstress wirklich antun – erst bis September im Bund, dann 2014 Europa, dann bei den Kommunen, schließlich auf Landesebene? Oder gibt es einen Nachfolger? Die Staatskanzlei kündigte deshalb nur knapp für den Hochwasser-Termin an: „Aufgrund zahlreicher Anfragen und Gesprächswünsche an den Ministerpräsidenten wird Matthias Platzeck zuvor ein Statement abgeben.“

Dieser Auftritt ist auch ein klares Zeichen – wegen der Spekulationen über seine Belastungsfähigkeit und über seine potenziellen Nachfolger. Platzeck steht ohnehin wegen seiner Gesundheit unter scharfer Beobachtung, jetzt als Schlaganfall-Risikopatient noch mehr. Aber er will sich offenbar nicht verstecken, zeigt mit dem Termin, dass er aktiv ist, die Sachen in die Hand nimmt, sich um das Land kümmert. Nach allem, was bisher aus der Partei durchsickert, soll Platzeck bis zur Landtagswahl 2014 durchhalten. SPD-Generalsekretär Klaus Ness hat keine Zweifel, dass Platzeck seinen Aufgaben wieder voll nachgehen wird. Den Posten als Aufsichtsratschef bei der Flughafengesellschaft abgeben, bevor der BER eröffnet, dessen Erfolg Platzeck zu seiner Schiksalsfrage erklärt hat – in der SPD undenkbar. Und die Abgabe des Landesparteivorsitzes zu dieser Zeit – sofort stünde die Frage nach einem Nachfolger im Raum.

Die Sozialdemokraten versuchten schon am gestrigen Mittwoch, alle Personaldebatten im Keim zu ersticken. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD- Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, hat Überlegungen zu einem Wechsel von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier an die Spitze der Landesregierung als „Bullshit“ bezeichnet. „Frank-Walter Steinmeier ist Fraktionsvorsitzender und bleibt es“, sagte er am Mittwoch in Berlin. Die „Geschichte“ sei von allen Beteiligten dementiert worden, sagte Oppermann: „Dem ist nichts hinzuzufügen.“

Platzeck hatte Steinmeier einen Wahlkreis in Brandenburg besorgt, beide sind befreundet, sind regelmäßig in Potsdam gemeinsam zu sehen. Dass Steinmeier für Platzeck als Ministerpräsident einspringen könnte, das macht nicht erst seit Platzecks Schlaganfall immer wieder die Runde. Aber falls Steinmeiner überhaupt Interesse an dem Posten als Ministerpräsident hat, wird er sich kaum vor der Bundestagswahl festlegen. Denn das Signal wäre fatal für die SPD im Bund angesichts der miesen Umfragewerte und wie eine Flucht in die „Herzkammer der SPD in Ostdeutschland“, wie Steinmeier Brandenburg kürzlich erst nannte. Als wahrscheinlicher gilt, dass Steinmeier die Wahl abwartet. Er könnte Minister in einer schwarz-roten Koalition werden. Oder müsste bei einem schlechten Ergebnis und wegen des Dauerkonflikts mit Parteichef Sigmar Gabriel sogar um seinen Posten als Fraktionschef fürchten und könnte sich dann für Brandenburg entscheiden. Immerhin führt er die Landesliste der märkischen SPD zur Bundestagswahl an, hat seinen Wahlkreis im Westen des Landes.

Neben Steinmeier gehört auch Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) zu den Nachfolgekandidaten. Er gilt unter den Ministern mit SPD-Parteibuch in Platzecks Kabinett als einziger von Format, einer, der am ehesten wie Platzeck mit den Menschen kann, sonst ist da niemand, weder in der Partei noch in der als farblos geltenden Landtagsfraktion, alles ist auf Platzeck ausgerichtet, Nachfolger wurden nicht aufgebaut. Andere SPD-Politiker sind den Umfragen zufolge im Land kaum bekannt.

Bliebe einzig Woidke. Er kam 1994 erstmals in den Landtag und wurde 2004 Umweltminister. Es ist bekannt, dass er mit der rot-roten Koalition Bauchschmerzen hatte. Er übernahm 2009 ohne Murren den Vorsitz der SPD-Fraktion. Nach dem Rücktritt von Platzecks Vertrauten Rainer Speer als Innenminister übernahm Woidke den Posten und hat dabei durch eine Kommunikationsoffensive und mildere Vorgaben zum Personalabbau den Streit um die Polizeireform entschärft. Und er hat damit Führungsstärke bewiesen. Doch auch Woidke weist vorerst alles von sich. Am Mittwoch sagte er, er teile die Auffassung, dass Platzeck „Brandenburg auch weiter an der Spitze der Landesregierung dienen wird“. Alles andere seien willkürliche Spekulationen ohne jede Grundlage.

Da sind noch andere Stimmen, wie die des Potsdamer Politikwissenschaftlers Bernhard Muszynski. Was er über Platzeck und die SPD sagt, klingt wie vergiftetes Lob: „Der Punkt ist, dass er völlig unumstritten ist, insbesondere in der Partei. Er hat überhaupt keine Konkurrenz. Es will auch gar keiner auf seinen Posten.“

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