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Verhandeln verbindet. Die Parteichefs Ingo Senftleben (CDU, l.) und Dietmar Woidke (SPD) kommen sich nach längerer Funkstille wieder näher, auch weil sich die Arbeit einer möglichen großen Koalition im Bund im Wahljahr 2019 auf das Land Brandenburg auswirken könnte.

© Sebastian Gabsch

Brandenburg: Rot-schwarze Achse für die Mark

Im Bund wird für eine große Koalition verhandelt. Endet die Eiszeit zwischen SPD und CDU im Land?

Potsdam - In Brandenburg, wo seit 2009 ein rot-rotes Bündnis von SPD und Linken regiert, bahnt sich womöglich eine Wiederannäherung zwischen SPD und CDU an. Dieser Nebeneffekt dürfte durch die Berliner Koalitionsverhandlungen für eine neue SPD/CDU-Bundesregierung zu erwarten sein, die nach der Hängepartie seit dem 24. September und dem gescheiterten Jamaika-Bündnis nun beginnen. Wenn jetzt in Berlin eine große Koalition für die Bundesrepublik geschmiedet wird, hat das zwangsläufig auch Rück- und Wechselwirkungen auf Brandenburg. Objektiv aber geht es zunächst einmal um das Menschliche: Verhandeln verbindet. Man kommt sich näher.

Die roten und schwarzen Verhandlungstrupps aus der Mark, das SPD-Quartett angeführt von Ministerpräsident Dietmar Woidke, das CDU-Trio von Partei- und Fraktionschef Ingo Senftleben, haben nun jenseits der Parteienkonflikte die Aufgabe, das Beste für das Land bei einer Neuauflage der großen Koalition herauszuholen. Für die war Woidke ja schon am Abend der krachenden Wahlniederlage der SPD in Bund und Land am 24. September.

Im Vorfeld der Verhandlungen ist bereits die rot-schwarze Brandenburger Achse in der Energiepolitik am augenfälligsten. So forderte Senftleben am Freitag nach einer von der CDU verbreiteten Erklärung im Vorfeld der Gespräche „mehr Realismus“ in der Debatte um die Zukunft der Energieregion: „Die Strukturentwicklung der Lausitz ist eine Aufgabe für Jahrzehnte“, sagte er. „Wir müssen diesen Prozess jetzt engagiert und mit Augenmaß angehen. Tausende Kumpel leben von der Energieerzeugung.“ Man dürfe und werde keinen von ihnen im Stich lassen. Je schneller die Lausitz fit für die Zukunft gemacht werden könne, desto besser. Senftleben versprach: „Wir werden die Energiewende unter der Berücksichtigung von Versorgungssicherheit, Sauberkeit und Wirtschaftlichkeit weiter gestalten. Strukturbrüche müssen dabei verhindert werden.“ Dafür sei das Sondierungsergebnis eine gute Grundlage.

So also Senftleben, der Mitglied der Verhandlungsgruppe Energie, Klima und Umwelt sein wird. Es sind Sätze und Positionen, die wortgleich auch von Ministerpräsident Dietmar Woidke oder von Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (beide SPD) stammen könnten. Und Gerber sitzt in der gleichen Verhandlungsgruppe zur Energiepolitik. Für Brandenburg wird viel davon abhängen, ob und in welchem Umfang die neue mögliche GroKo-Regierung ein Programm für den Strukturwandel in der Lausitz auflegt.

Für die SPD verhandelt auch Klara Geywitz mit, als Bundesvorstandsmitglied wie Woidke – er ist noch Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Wirtschaft – in der großen Verhandlungsrunde. Geywitz, als frühere Generalsekretärin der Landespartei im Willy-Brandt-Haus gut vernetzt, koordiniert in der SPD Ost-Themen, sitzt in der Arbeitsgruppe Kultur, Digitales, Kreativwirtschaft. Mit dabei auch Infrastrukturministerin Katrin Schneider (SPD), eine Pragmatikerin. Auf Unionsseite die altgedienten Bundestagsabgeordneten Michael Stübgen und Jens Koeppen.

Dabei hatten sich vor allem in den letzten zwei Jahren die Fronten zwischen beiden Parteien in Brandenburg immer mehr verschärft. Die CDU sitzt der SPD in Umfragen im Nacken, gewann die Bundestagswahl im Land, mobilisierte erfolgreich gegen die am Ende von Woidke abgesagte Kreisreform. Und es gibt eine klare Kampfansage an die SPD, die seit 1990 noch nie so geschwächt war: Senftleben hat für seine Partei das Ziel ausgegeben, alle Wahlen – Kommunal-, Europa- und Landtagswahl – zu gewinnen, und bei der Brandenburg-Wahl 2019 erstmals seit 1990 die SPD im „roten“ Brandenburg zu stürzen. Er will Ministerpräsident werden. Das trennt.

Aber es geht auch um künftige Koalitionen nach 2019, die in Brandenburg traditionell – so war es in der Regierungszeit von Manfred Stolpe, noch mehr unter Regierungschef Matthias Platzeck – auch vom menschlichen Verhältnis des Spitzenpersonals untereinander abhängen. Zwischen Woidke und Senftleben herrschte lange Funkstille, gab es nicht einmal Vier-Augen-Treffen, was sich dem Vernehmen nach bereits geändert hat.

Beide Parteien, beide Vorsitzenden müssen, schon wegen der labilen Stimmungslage in der Bevölkerung, ein Interesse an einer starken Bundesregierung haben. Auch weil sich die Abstände zwischen SPD, CDU, Linke und AfD verringert haben. Der Ausgang der Landtagswahl in Brandenburg 2019, die große Unbekannte, wird vom Bundestrend beeinflusst. Ernüchterungen, Enttäuschungen in der Bevölkerung über eine mögliche GroKo-Regierung würden sich negativ auf die Ergebnisse von SPD und CDU auswirken, mit dem Risiko eines weiteren Erstarkens der AfD, ja eines Wahlsieges wie in Sachsen. Auch das verbindet.

nbsp;Thorsten Metzner

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