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Viele Abschiede. Rot-Rot in Brandenburg hat einige Kabinettsmitglieder verloren. Doch nicht alle kehrten der Politik komplett den Rücken. 

© Patrick Pleul/dpa

Rot-Rot in Brandenburg: Ein Gehen und Kommen

Seit neun Jahren regiert Rot-Rot in Brandenburg. In der Zeit wurden neun Minister und ein Ministerpräsident ausgetauscht – aus unterschiedlichsten Gründen. Ein Überblick über alle Abgänge.

Potsdam - Das Farbenspiel war umstritten: Nach der Landtagswahl 2009 koalierte der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck mit den Linken, entschied sich gegen eine Wiederauflage einer Groko – nach zehn gemeinsamen Jahren der Sozialdemokraten mit der CDU. SPD und Linke halten es nun fast schon genauso lange miteinander aus. Doch mit der Landtagswahl 2019 könnte Schluss sein für die rot-rote Ehe, in deren Verlauf beide Seiten viel Personal lassen mussten. Ein Blick zurück auf die Ex-Minister der rot-roten Jahre.

JUTTA LIESKE (SPD)

Die „Superministerin“ hielt sich nur drei Monate: Jutta Lieske, nach der Regierungsbildung 2009 Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft, trat bereits im Februrar 2010 aus gesundheitlichen Gründen zurück. Lieske, vor der Wende Krippenerzieherin und seit 2004 Landtagsabgeordnete, galt als überfordert, ihr fehlte der fachliche Hintergrund. Ihre Ernennung verwunderte viele. Ihr Rücktritt nach Antritt wenige. Im Landtag sitzt sie noch heute, ist Vize-Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Wohnungsbau. 2009 tritt sie nicht mehr an. Ihr Nachfolger auf dem Ministerstuhl damals: Jörg Vogelsänger (SPD). Er hielt sich bis heute, ist Agrarminister. Wie er das geschafft hat? Wunder gibt es immer wieder.

RAINER SPEER (SPD)

Auf wundersame Weise kam im Herbst 2009 der Laptop von Innenminister und Platzeck-Adlatus Rainer Speer abhanden. Rocker sollen das Gerät entwendet und brisante Daten an Medien verkauft haben. So kam die Unterhaltsaffäre ans Licht, die Speer, ein Urgestein der Brandenburger Politik, schließlich zu Fall brachte. Speer war vorgeworfen worden, als Chef der Staatskanzlei zwischen 1999 und 2004 seine Ex-Geliebte, mit der er ein uneheliches Kind hat, bei deren Verbeamtung protegiert zu haben. Eigentlicher Knackpunkt: Die heimliche Ex-Freundin des Verheirateten bezog vom Staat Unterhalt – und nicht vom Staatsdiener Speer. Sein Nachfolger im Innenministerium: Dietmar Woidke (SPD), der heutige Ministerpräsident.

HOLGER RUPPRECHT (SPD)

Den früheren Rektor des renommierten Potsdamer Humboldt-Gymnasiums, Holger Rupprecht, kostete nicht etwa die Liebe zu Frauen, sondern zu schicken Autos das Amt, das er 2004 übernahm. Im Januar 2011 trat er wegen einer Dienstwagenaffäre zurück. Er hatte sich einen rund 100 000 Euro teuren Allrad-BMW als angeblichen Testwagen für einen zweiwöchigen Skiurlaub verschafft, ohne dafür zu zahlen. Rupprecht, als Parteiloser ins Amt gekommen, dann der SPD beigetreten, ist weiterhin im Landtag, leitet den NSU-Untersuchungsausschuss. Aber nach der Legislatur soll für ihn Schluss sein. Rupprechts Rücktritt löste eine Rochade im Kabinett aus: Auf ihn folgte Martina Münch (SPD), die bis dato Wissenschaftsministerin war. Auf Münch wiederum folgte die zunächst parteilose Präsidentin der Universität Potsdam, Sabine Kunst.

MATTHIAS PLATZECK (SPD)

Knapp zwei Jahre nach der Rupprecht-Affäre ging in Brandenburg überraschend eine Ära zu Ende: Ministerpräsident Matthias Platzeck erklärte seinen Rücktritt, die angeschlagene Gesundheit zwang ihn dazu. Zwei Monate zuvor hatte er einen leichten Schlaganfall erlitten. Seit 2002 führte der frühere Potsdamer Oberbürgermeister als Nachfolger von Manfred Stolpe (SPD) die Landesregierung. Auf den populären Platzeck wiederum folgte der Speer-Nachrücker, Innenminister Dietmar Woidke.

VOLKMAR SCHÖNEBURG (LINKE)

Seine erste Kabinettskrise musste Woidke vor fünf Jahren bewältigen: Im Dezember 2013 trat Linke-Justizminister Volkmar Schöneburg in der Liebeszellen-Affäre zurück. Er zog die Konsequenzen aus den Vorwürfen, er habe zwei Sexualstraftäter begünstigt, für die er als Anwalt die gemeinsame Unterbringung in einer Zelle in der JVA Brandenburg/Havel durchgesetzt hatte. Die beiden unter dem Namen „Störche“ bekannten Gewalttäter, die 1999 eine 13-Jährige entführt und brutal vergewaltigt hatten, riefen über Jahre hinweg aus der JVA auf dem Handy des Ministers an. Er ist weiter Landtagsabgeordneter. Sein Nachfolger im Justizressort wurde im Januar 2014 der bisherige Minister der Finanzen Helmuth Markov (Linke).

SABINE KUNST (SPD)

Ex-Unipräsidentin Sabine Kunst, die auf Martina Münch im Wissenschaftsressort gefolgt war, zog es wieder an die Uni. Im Januar 2016 wurde sie zur Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität gewählt. Was folgte, ist eine Art Ringelpiez: Denn ihre Nachfolgerin war die Frau, der sie selbst nachgefolgt war. Martina Münch wurde zum zweiten Mal Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Ihr Amt als Bildungsministerin hatte sie nach der Landtagswahl 2014 an den Parteikollegen Günter Baaske verloren.

HELMUTH MARKOV (LINKE)

Der neue im Justizressort, Helmuth Markov, blieb nicht sehr lange: Im April 2016 trat der Justizminister im Zuge einer Dienstwagenaffäre zurück. Während der Zeit als Finanzminister und stellvertretender Ministerpräsident hatte er im Sommer 2010 einen Transporter des Landesfuhrparks privat genutzt, um sein Motorrad in die Werkstatt zu bringen. Sein Nachfolger wurde Parteikollege Stefan Ludwig.

GÜNTER BAASKE (SPD)

Dieser war zuvor lange Sozial- und Arbeitsminister, im November 2014 wechselte der ehemalige Lehrer dann ins Bildungsressort – und hielt bis September 2017 durch. Dann trat er – für viele sehr überraschend – aus persönlichen Gründen zurück. Er wolle mehr Zeit für seine Familie haben, erklärte Baaske. Mit seiner zweiten Ehefrau hat Baaske eine Tochter, die damals fünf Jahre alt war. Bei seinen inzwischen erwachsenen Kinder habe er viel versäumt, das wolle er nun anders machen. Damit war eine Institution der Brandenburger SPD – früher sogar als potenzieller Ministerpräsident gehandelt – von der großen Bühne verschwunden. Baaske ist aber weiter Landtagsabgeordneter.

ALBRECHT GERBER (SPD)

Auch er galt wie Baaske als Regierungsprofi, SPD-Größe: Doch im August erklärte Wirtschaftsminister Albrecht Gerber überraschend seinen Rücktritt. Sein Schritt hatte wie bei Baaske allein private Gründe. Ein Familienmitglied soll schwer erkrankt sein. Auf den Regierungsprofi folgte ein Politikneuling: Der Cottbuser Hochschulpräsident Jörg Steinbach wechselte vom Hörsaal in den Plenarsaal. Gerber indes scheint sich ganz ohne Beschäftigung zu langweilen. Er will einen Minijob auf einem Bauernhof antreten und in der Döberitzer Heide Weidezäune kontrollieren. Mit dem Ministergesetz ist das vereinbar, entschied das Kabinett.

DIANA GOLZE (LINKE)

Anders bei Diana Golze. Bei der Ex-Gesundheitsministerin war die Lage nicht so eindeutig. Nach ihrem Rücktritt im Zuge des Pharmaskandals um illegale Krebsmedikamente diesen Sommer wollte die Co-Landesvorsitzende der Linken bei der Arbeiterwohlfahrt anheuern. Nun verzichtet sie darauf. Der Skandal offenbarte auch große Defizite bei der Medikamentenaufsicht, die Golze zu verantworten hatte. Nachfolgerin Susanna Karawanskij (Linke) versprach, die Affäre weiter aufzuklären. Dabei gilt es als gesetzt, dass sie nur eine Übergangsbesetzung bis zur Wahl ist.

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