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Rockermord in Berlin: Polizei und Justiz ermitteln beim Berliner LKA

Nahmen drei LKA-Beamte Rockermord in Kauf? Gericht bestätigt indirekt Mordauftrag von Hells Angels.

Berlin - Zu den Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft gegen drei Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) kommen seit Montag auch neue Disziplinarverfahren. „Die gravierenden Vorwürfe haben zur Entscheidung geführt, gegen die Betroffenen ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte bis auf Weiteres auszusprechen“, teilte das Polizeipräsidium mit. Die LKA-Leitung werde die Staatsanwaltschaft „vollumfänglich unterstützen“. Die Behörden setzten alles daran, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD), die Lage aufzuklären: „Ich warne jedoch davor, jetzt voreilige Schlüsse zu ziehen. Es gilt, die Ermittlungen abzuwarten.“

Gegen die drei LKA-Beamten wird wegen des Verdachts des Totschlags durch Unterlassen ermittelt. Hintergrund ist die Tötung des 26 Jahre alten Tahir Ö. im Januar 2014. Seit vier Jahren stehen elf Angeklagte – darunter zehn Hells Angels – wegen Mordes vor dem Berliner Landgericht. Wie berichtet hatte das Landgericht in dem Prozess vor einigen Tagen in einem rechtlichen Hinweis erklärt: Im LKA habe man gewusst, das spätere Opfer sei durch die Rocker gefährdet gewesen. Dennoch sei der ebenfalls unter Kleinkriminellen verkehrende Tahir Ö. nicht gewarnt worden, vielleicht hätten Beamte gar „unter billigender Inkaufnahme“ keine Schutzmaßnahmen ergriffen. Dies könnte geschehen sein, so eine Interpretation, um später wirksamer gegen den örtlichen Hells-Angels-Boss Kadir P. vorzugehen. Berlins CDU-Fraktionschef Burkhard Dregger sagte, er erwarte „einen klärenden Beitrag“ von Senator Geisel im zuständigen Ausschuss. Sollten die Vorwürfe zutreffen, handle es sich „um einen außerordentlich gravierenden Fall“. Personelle Konsequenzen zu fordern, halte er nach aktuellem Stand aber für unverantwortlich.

Schon kurz nach der Tat 2014 waren Disziplinarverfahren gegen Beamte eröffnet worden – ohne dass Verstöße festgestellt wurden. Allerdings haben sich erst im Laufe des Prozesses die Anhaltspunkte auf Vergehen durch Polizisten verdichtet. Auslöser war ein polizeiinterner Sonderermittler, der im Verfahren aussagte. Das teilte Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra am Montag auf einer Pressekonferenz mit. Der Schutz von Menschen gehe immer vor Ermittlungserfolgen, sagte Kamstra, der im Verfahren gegen die zehn Rocker die Anklage vertritt.

In Sicherheitskreisen hieß es, das LKA-Rocker-Dezernat sei dafür bekannt, schwer kontrollierbar zu sein. „Die haben sich Freiheiten genommen, die andere Dienststellen nicht hatten“, sagte ein Kenner und nannte das Dezernat ironisch „black box“. Es habe aber keine „Verschwörung von 19 Beamten“ gegeben. Nebenklage-Anwälte hatten eigenen Angaben zufolge 19 LKA-Beamte namentlich identifiziert, die von einem Plan, Tahir Ö. zu töten, gewusst haben sollen. In Justizkreisen hieß es am Montag allerdings auch, der rechtliche Hinweis der Landgerichtskammer beinhalte de facto, es habe einen Mordauftrag gegeben – denn nur, wenn die Tötung in Auftrag gegeben worden ist, können Beamte sie auch bewusst ignoriert haben. Die Verteidiger der zumeist türkischen Hells Angels aus Wedding und Reinickendorf bestreiten vor Gericht, dass es einen solchen Auftrag durch Rockerboss Kadir P. gegeben hat. Im rechtlichen Hinweis geht es auch um etwaigen Strafrabatt. Womöglich verhängte Freiheitsstrafen könnten reduziert werden.

Durch den neuen Fall sei der LKA-Chef Christian Steiof „maximal angezählt“, sagte der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber nun. Steiof hatte schon kurz nach dem Mord zunächst behauptet, Polizeibeamte hätten keine Kenntnisse gehabt, die den Mord womöglich hätten verhindern können. Später musste sich Steiof korrigieren, gab Ermittlungs- und Informationspannen zu. Auch war Steiof nicht über das Vorgehen der LKA-Beamten informiert. Markus Wessel, Anwalt der Angehörigen des Opfers in der Nebenklage, sagte dem Tagesspiegel: „Es ist für mich schwer vorstellbar, dass ein Behördenchef schlecht informiert wird", sagte Wessel. Doch wenn das so war, dann würde das nicht für den Chef sprechen.

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