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Alles geregelt? Der Landesentwicklungsplan bestimmt, wo in Brandenburg und Berlin beispielsweise Windparks zulässig sind. Ob er juristisch haltbar ist, wird von Experten bezweifelt.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Riskante Operation

Infrastrukturministerin setzt vom Oberverwaltungsgericht gekippte Landesplanung wieder in Kraft

Potsdam - Die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg hat wieder einen geltenden Landesentwicklungsplan. Das für beide Länder geltende übergreifende Planwerk für neue Einkaufszentren, Windparks, Wohn- und Gewerbegebiete, Flughäfen und Tagebaue ist nach einem von Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (parteilos) vorbereiteten Kabinettsbeschluss am Mittwoch wieder in Kraft getreten. „Damit gilt der gemeinsame Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg nun wieder in beiden Bundesländern“, teilte Steffen Streu, Sprecher des Infrastrukturministeriums, am Mittwoch mit. Hinter der lapidar klingenden Mitteilung verbirgt sich ein Politikum. Und der Auftakt zu neuen Auseinandersetzungen.

Vor knapp einem Jahr hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) den berlin-brandenburgischen Landesentwicklungsplan wegen eines Formfehlers für ungültig erklärt, und zwar ohne Revision zuzulassen. Begründet wurde dies damit, dass in einer Rechtsverordnung zum Plan ein Hinweis auf die gesetzliche Grundlage fehle. Nun hieß es, dass nach dem Beschluss des rot-roten Kabinetts vom April eine neue Rechtsverordnung erlassen und veröffentlicht worden sei. Der frühere Fehler sei damit behoben „und der Landesentwicklungsplan von der Landesregierung rückwirkend neu erlassen“ worden, so das Ministerium. Damit sei „für alle Beteiligten in Brandenburg die Planungssicherheit wiederhergestellt“.

Das ist die Hoffnung. Denn genau diese Operation ist hochumstritten und wird angezweifelt, bei Juristen, im Landtag, und beim Städte- und Gemeindebund Brandenburgs. Zumal das Gericht damals signalisiert hatte, dass die Panne nicht auf diesem Wege behoben werden kann. Nicht ohne Grund hat das Ministerium ein Jahr gebraucht, ehe es den riskanten Heilungsversuch nun in Angriff nimmt. Beim Landesentwicklungsplan geht es nicht um eine Formalie, sondern um ein Planungs-Instrument gegen „Wildwuchs“ und um eine Grundlage der Förder- und Finanzverteilpolitik im Land Brandenburg. Der Plan, der 2014 vom OVG gekippt wurde und nun wieder gilt, stammt aus dem Jahr 2007. Ähnlich wie jetzt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mit der geplanten Kreis- und Verwaltungsreform hatte damals Vorgänger Matthias Platzeck (SPD) mit der damaligen Novelle einen Anlauf für den Umbau Brandenburgs in Angriff genommen, mit dem das Land in seinen Strukturen auf knappere Kassen und weniger Einwohner vorbereitet werden sollte. Brandenburgs damalige SPD/CDU-Regierungskoalition straffte mit der Novelle unter dem Motto „Stärken stärken“ die im Landesentwicklungsplan ausgewiesenen zentralen Orte, um das Gießkannen-Prinzip der Ära des früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) zu beenden. Seitdem sind dort neben den drei großen „Oberzentren“ Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus weitere 50 Städte als Mittelzentren festgelegt. Die Ebene der Grundzentren aber, rund 100 kleine Ackerbürgerstädte und größere Gemeinden, fiel damals ersatzlos weg. Seitdem ist Brandenburg das einzige Bundesland, das darauf verzichtet. Für die Verlierer-Kommunen hatte das die Folge, dass sie weniger Zuschüsse erhalten. Diese Reform war schon damals umstritten. Und seit dem OVG-Urteil fordern nun erst recht der Städte- und Gemeindebund, aber auch CDU, Grüne und FDP, einen Neuanfang in der Landesplanung – und eine Neueinführung von Grundzentren. Vor dem schreckt, offenbar auch aus Sorge um rückwirkende Ausgleichszahlungen an die damaligen Verlierer, aber wegen der Kollision mit der Kommunalreform, die rot-rote Regierungskoalition zurück. Im Zusammenhang mit der „Heilung“ hat Infrastrukturministerin Schneider aber angekündigt, dass in einem geordneten Verfahren der Landesentwicklungsplan reformiert und nachgebessert werden könnte. Unabhängig davon prüft die Landesregierung in Abstimmung mit den kommunalen Planungsträgern, hieß es dazu am Mittwoch, „inwieweit neuere Entwicklungstendenzen eine Fortentwicklung des im Jahr 2009 in Kraft getretenen Landesentwicklungsplans erforderlich machen.“

Zwei Gemeinden hatten erfolgreich gegen den Plan geklagt, weil sie ihre Entwicklung eingeschränkt sahen. Unter Verweis auf den Landesentwicklungsplan hatte ihnen die gemeinsame Landesplanungsabteilung beider Länder geplante neue Einkaufszentren untersagt. Nun ist Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (parteilos) darauf eingestellt, dass die juristischen Auseinandersetzungen wohl in die nächste Runde gehen. Der „Lausitzer Rundschau“ sagte Schneider: „In der jetzigen Situation würde es mich nicht wundern, wenn dagegen geklagt wird.“ Allerdings wäre diesmal Schneider verantwortlich, wenn die Landesregierung erneut vor Gericht Schiffbruch erleiden sollte, diesmal, weil sie nicht gleich einen neuen Landesentwicklungsplan vorlegt.

nbsp;Thorsten Metzner

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