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Riesenlaster: Kaum Interesse an Gigalinern

Für die langen Lastwagen gibt es weniger Kunden als erwartet, da sie sich nicht immer rechnen.

Potsdam - Vor gut einem Jahr war Burghard Fromm optimistisch, dass bald auch in seiner Spedition ein über 25 Meter langer Riesenlaster fährt. Alles war durchgerechnet, die Straßenverbindung zur Autobahn schon lange genehmigt – doch die Aufträge blieben aus. „Die Umstellung der Logistik auf das größere Ladevolumen ist für unsere Kunden ein zu großer Aufwand, da macht keiner mit“, sagt der Chef des 50-Mann-Betriebes in Oranienburg (Oberhavel).

Der 2012 in sieben Bundesländern begonnene Feldversuch der bis zu 44 Tonnen schweren und bis zu 25,25 Meter langen Trucks wird seit 2017 als Regelbetrieb fortgeführt. Zu dieser Zeit hatten sich für das bis dahin auf 11.600 Kilometer ausgewachsene sogenannte Positivnetz bundesweit 60 Speditionen mit 160 Sattelschleppern gemeldet. Unklar ist, wie viele wirklich fuhren. Mittlerweile haben die Lang-Lkw, wie sie amtlich heißen, nur noch in Berlin Fahrverbot.

Gegner befürchten negative Klimabilanz

Das Projekt war von Anfang an umstritten. Die Befürworter argumentieren mit Kostensenkungen und positiven Klimafolgen, da zwei Riesenlaster drei herkömmliche Lkw ersetzten. Die Gegner befürchten eine negative Klimabilanz, da mehr Güter von der Schiene auf die Straße verlagert würden.

Brandenburg beteiligte sich seit Mai 2016 an dem Feldversuch. Danach steuerten die Gigaliner zwei Firmen an: das Logistik-Unternehmen Fiege in Großbeeren (Teltow-Fläming) und das Bosch und Siemens Hausgerätewerk in Nauen (Havelland). Seit Mitte 2017 ruht im Hausgerätewerk der Lang-Lkw-Verkehr, der im Februar aber wieder starten soll. Seit Oktober des vergangenen Jahres beliefern die Riesenlaster auch das Nutzfahrzeugwerk von Daimler-Benz in Ludwigsfelde (Teltow-Fläming).

Noch bei der Streckenanmeldung habe es ein deutlich stärkeres Interesse gegeben, sagt der Geschäftsführer des Verbands Verkehr und Logistik Berlin-Brandenburg, Klaus-Dieter Martens. Dass nun im Regelbetrieb nur wenige Lang-Lkw fahren, sei bedauerlich. „Womöglich hängt das mit der Struktur der Güter zusammen, nicht für alle rechnet sich das.“

Pro Schiene kritisiert "Salamitaktik"

Ende Dezember 2017 erweiterte das Bundesverkehrsministerium das Positivnetz abermals – zum mittlerweile achten Mal. Für den Interessenverband Allianz pro Schiene ist das eine „Salamitaktik“, wie es ihr Verkehrsexperte Martin Roggermann nennt. „Nach und nach werden mehr Strecken freigegeben; seit dem Jahreswechsel auch zu Grenzübergängen nach Frankreich, Belgien und den Niederlanden.“ Damit wolle die Bundesregierung den Grenzverkehr zu Ländern vorbereiten, in dem bereits 60-Tonnen-Gigaliner zugelassen sind.

Unterstützt wird die Allianz pro Schiene von einer Studie der Technischen Hochschule Wildau und der Technischen Universität Berlin, wonach wegen der verbilligten Lkw-Verkehre 7,6 Prozent des Schienengüterverkehrs auf die Straßen gebracht werden könnten. Ein im Vorjahr veröffentlichtes Gutachten in Auftrag der Landesregierung Baden-Württembergs und des Lkw-Herstellers Daimler-Benz rechnet nur mit einem um elf Prozent verringerten CO2-Ausstoß durch die rollenden Kolosse – statt 15 bis 25 Prozent, wie vom Bundesverkehrsministerium angegeben.

Ingo Hodea vom Deutschen Speditions- und Logistikverband sieht in den extralangen Sattelschleppern dennoch ein zukunftsweisendes Konzept. „Der Lang-Lkw ist umweltfreundlich und wirtschaftlich und sollte flächendeckend ausgeweitet werden.“ Sinnvoll wäre es, die wirtschaftlichen Zentren und Logistik-Standorte außerhalb der Innenstädte durch ein Streckennetz zu verbinden. „Da sich die Fahrzeuge vorzugsweise für Stückgut und großvolumige Güter eignen, sind Verlagerungseffekte von der Schiene auf die Straße nicht zu erwarten“, ist Hodea überzeugt.

Für Spediteur Fromm steht fest: „Für uns kommen die Lang-Lkw erst einmal nicht in Frage.“ Und er fügt hinzu: „Schade um die Zeit ist es schon.“ (dpa)

Manfred Rey

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