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Die Urlauber Uta Trost und Andreas Schuster stehen mit ihren Fahrrädern neben Findlingen am rekultivierten Geisendorfer Berg.

© ZB

Renaturierung in der Lausitz: Was bleibt, wenn der Bergbau geht?

Mit dem Ende der Braunkohleverstromung stehen in der Lausitz die Zeichen auf Renaturierung.

Cottbus - Hoch oben auf dem Geisendorfer Berg bietet sich ein nahezu lieblicher Ausblick. Eine Wiese, ein Roggenfeld, angepflanzte Bäume, zwischendurch sanfte Hügel und das pittoreske Gutshaus Geisendorf zum Verweilen. Der Blick zur anderen Seite dagegen fängt die Zerstörung der Natur ein: Eine Sandwüste bis zum Horizont, darin Planierraupen, die den Boden für eine zukünftige grüne Landschaft vorbereiten. Dahinter stehen Bagger wie Kolosse, deren Schaufelräder sich auf etwa 800 Hektar Tagebaufläche tief in die Erde graben.

Kompakter kann dem Betrachter der Tagebau Welzow Süd in einer Linie mit der Renaturierung der Bergbaufolgelandschaft kaum gezeigt werden. „An der Stelle hier wurde eine Endmoräne abgebaggert, das Relief wurde durch uns wieder hergestellt“, erklärt der Leiter für Rekultivierung beim Tagebaubetreiber Leag, Ralf Agricola, die Modellierung der Landschaft. Wiederhergestellt wurden neben dem Geisendorfer Berg der Wolkenberg und der Steinitzer Berg.

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5800 Hektar wurden bereits ausgekohlt

Die Leag muss durch behördliche Auflagen auch im Tagebaugebiet Welzow Süd Rekultivierungsmaßnahmen umsetzen. 6600 Hektar umfasst die Fläche insgesamt. 5800 Hektar wurden bereits ausgekohlt, davon sind 2600 Hektar rekultiviert. Die Endmoränenlandschaft am Tagebau Welzow Süd geotechnisch etwa so aufzuschütten, wie sie einmal war, sei eine große Herausforderung gewesen, erzählt Renaturierer Agricola. Der Boden rutschte immer wieder nach. „Wir kamen an unsere Grenzen.“ Per GPS wurden etwa Kalium, Stickstoff und Phosphor eingebracht. Rekultiviert wurde der Boden letztlich einen Meter tief.

Über Bergbaufolgelandschaften und die benötigten Kosten zur Wiedernutzbarmachung wird derzeit mit Blick auf das geplante Ende der Kohle im Jahr 2038 viel diskutiert. Umweltschützer und sozialökologische Studien kommen unter anderem zu dem Schluss, dass die aktuell getroffenen Regelungen des Bergbaubetreibers Leag über finanzielle Rückstellungen nicht ausreichen, um die Finanzierung der Bergbaufolgekosten langfristig sicherzustellen.

Die Leag verweist hingegen darauf, dass Vorsorgevereinbarungen mit den Ländern Brandenburg und Sachsen getroffen wurden und Rückstellungen in Zweckgesellschaften angespart würden. Zudem müsse einem Wirtschaftsprüfer regelmäßig nachgewiesen werden, dass die Mittel für die Wiederherstellung von Landschaften angemessen sind, erläutert Leag-Sprecher Thoralf Schirmer.

Umweltschützer beklagen mangelnde Transparenz

Dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Landesverband Brandenburg sind die Auskünfte der Leag über die Rekultivierungskosten nicht transparent genug. Er klagt deshalb gegen eine Entscheidung des Landesbergamtes (LBGR), die den Umweltschützern den Zugang zu Informationen über Einzelheiten der Ansparung der Gelder verwehrt hat. „Es geht darum, überhaupt Informationen zu bekommen, ob die Mittel für die Nachsorge ausreichend und sicher genug angelegt sind für eine langfristige Wiedernutzbarmachung“, sagt BUND-Geschäftsführer Axel Kruschat.

Das Unternehmen hat seine Renaturierungsfläche inzwischen für Besucher geöffnet. Sie sollen nachvollziehen können, welche Lebensräume der Bergbaubetreiber anlegt: Trockensteinmauern für Eidechsen, Feuchtbiotope für Frösche, Streuobstwiesen, Baumpflanzungen - darunter Schwarzkiefer, Lärche, Eiche und Linde. Aber auch etwa 9000 Esskastanien als Reminiszenz an Pflanzungen eines ehemaligen Gutsherrn vor 200 Jahren sind im Renaturierungsgebiet bereits gut angewachsen.

Zahlreiche Dörfer mussten der Kohle weichen

In der Rekultivierungsfläche sind nach Angaben der Leag 70 Prozent der Baumbestände Laubgehölze, nur 30 Prozent Nadelgehölz. „Möglicherweise ist die Landschaft intakt wie vorher und noch mehr“, meint Agricola auch mit Blick auf angepflanzte, geschützte Arten wie die Flatterulme. Die abgebaggerte Endmoränenlandschaft beherbergte zahlreiche Dörfer, die in den vergangenen Jahrzehnten der Kohle weichen mussten – darunter auch Geisendorf. 41 Einwohner wurden im Jahr 2001 umgesiedelt. Sie wohnen heute im Nachbarort Neupetershain. Moderne Einfamilienhäuser mit gepflegten Gemüsegärten lassen nicht ahnen, dass dort „Umsiedler“ wohnen – nur eine Feldsteinmauer und Findlinge erinnern äußerlich daran, dass Menschen wegen der Kohle ihren Heimatort verlassen mussten. Das Dorf war wegen der Lage an einer eiszeitlichen Straße von Feldstein-Häusern geprägt.

Wolfgang Müller hat die Umsiedlung der Geisendorfer im Jahr 2001 miterlebt. „Die Einwohner konnten bei der Gestaltung Ideen mit einbringen, das lief schon recht demokratisch“, erinnert sich der ehemalige Bürgermeister von Neupetershain. Müller ging damals häufig zu Geburtstagen der Neubewohner. „Ich hatte den Eindruck, die Leute waren froh, dort gelandet zu sein“, erzählt er. Ihre Bräuche, wie etwa das Zampern, hätten sie am neuen Siedlungsort weiter gepflegt und auch das errichtete Gemeinschaftshaus sei rege genutzt worden.

Weinanbau statt Kohleförderung

Auf dem 135 Meter hohen Wolkenberg scheint die Sonne auf die Weinreben. Die Ortslage sorgt beim Betrachter für kurze Verwirrung. Weinanbau in der Lausitz hat immer noch so etwas wie einen Exotenstatus. Dabei hat die Gegend – wie auch Weinanbaugebiete in den alten Bundesländern – an die 2000 Sonnenstunden im Jahr, wie Südbrandenburger Weinbauern versichern. Der Wolkenberg als Rekultivierungsfläche am Tagebau Welzow Süd ist der erste aufgeschüttete Weinberg der Lausitz. Nach einer Testphase wird auf dem Kippenboden seit 2014 großflächig Wein angebaut. Inzwischen stehen 26 600 Rebstöcke auf sechs Hektar.

Der Start sei nicht leicht gewesen, erzählt Betreiberin Bettina Muthmann. „Wir hatten keine Erfahrung, der Boden war zu Beginn mausetot.“ Eine Humusschicht aufzubringen, reichte nicht aus. Der pH-Wert musste angehoben und eine Schicht Geschiebemergel aufgebracht werden. Zudem mussten die Rebsorten winterfrost-hart und widerstandsfähig gegen Pilze sein. Das erste Gewitter damals habe den Boden wieder weggeschwemmt, erinnert sie sich. Inzwischen stellen Muthmann und ihr Geschäftspartner, Kellermeister Martin Schwarz aus Meißen, bis zu 31 000 Flaschen Wein im Jahr her – für den Fachhandel und Restaurants. Sogar aus den alten Bundesländern kämen Bestellungen, sagt sie nicht ohne Stolz.

Ein unabhängiges Kuratorium aus Bodenkundlern hat im vergangenen Jahr den Kippenboden als Boden des Jahres ausgezeichnet. Dabei habe die Anreicherung organischer Substanz im Humusprofil eine herausragende Rolle gespielt, hieß es in der Begründung der Experten.

Silke Nauschütz

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