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Wiederbelebt. Der Kombibus in der Uckermark orientiert sich am alten Postbus, der früher ebenfalls Personen, Paketsendungen und Waren in die Dörfer und heraus brachte.

© dpa

Brandenburg: Reisen in Brandenburg: Auf den letzten Kilometern ausgebremst

Viele Touristiker kritisieren den Nahverkehr. Experten fordern ein Umdenken

Von Matthias Matern

Potsdam - Häufig ist im Reiseland Brandenburg kurz vor dem Ziel Schluss. Wer mit Bus oder Bahn zu seinem Hotel in der Prignitz möchte oder sich schon auf seine kuschlige Pension im Spreewald freut, wird oft kalt erwischt. Zwar kommt man, etwa von Berlin aus, mit ICE, Regional-Express, Regionalbahn und Bus problemlos in alle Landesteile, doch die letzten Kilometer sind meist die schwersten. Taxis sind oft Fehlanzeige und werkstags ab 20 Uhr sowie am Wochenende fährt auch kein Bus mehr. „Die letzte Meile ist die Achillesferse“, räumt Dieter Hütte, Geschäftsführer der Landestoursimusgesellschaft Tourismus-Marketing Brandenburg (TMB) ein.

Einer aktuellen Umfrage der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) zufolge sind 30 Prozent aller touristischen Betriebe im Kammerbezirk mit ihrer Erreichbarkeit unzufrieden. 69 Prozent aller Restaurantbesitzer, Hoteliers und Tourismusanbieter im Westen Brandenburgs wünschen sich zudem ein verbessertes Angebot im Nahverkehr, 41 Prozent sehen sogar akuten Handlungsbedarf. Über alternative Transportmittel vor Ort, wie Rufbusse, Sammeltaxis oder Bürgerbusse, wissen rund 15 Prozent der Befragten gar nicht Bescheid. Auch Manfred Wäsche, Leiter des Bereichs Wirtschaft in der Potsdamer IHK, sieht Nachsteuerungsbedarf. „Da ist Kreativität gefragt.“

Verkehrsexperten wie Professor Heiner Monheim von der Universität Trier sehen vor allem die lokalen Busbetreiber und die touristischen Betriebe selbst in der Pflicht und fordert ein Umdenken. „Die letzten 15 Kilometer sind entscheidend. Die Gäste müssen von unten bedient werden“, findet der Wissenschaftler, der bereits sowohl auf Landes- , aber auch Bundesebene in Verkehrsverwaltungen gearbeitet hat und zudem Mitbgründer des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) ist. Tourismus geschehe in der Regel werktags ab 20 Uhr und am Wochenende. „Da schlafen aber die meisten Busfahrer schon oder machen etwas anderes“, kritisiert der Wissenschaftler. Der Freizeit- und Tourismusverkehr werde unterschätzt, dabei fallen dort mehr Fahrtkilometer an als im Pendelverkehr. „Man muss es nur wollen.“ Fahrkartenautomaten etwa seien für Touristen abschreckend. Zudem sei es unverständlich, dass es meist unmöglich sei, Fahrräder im Bus mitzunehmen. In anderen europäischen Reisezielen sei es außerdem fast selbstverständlich, dass selbst die kleinste Pension auf ihrer Internetseite das Nahverkehrsangebot abbildet, und zwar bis zu zu den kleinsten lokalen Buslinien. Die Angst vor Geisterbussen sei unbegründet, meint der Verkehrsexperte. Das würden mehrere Beispiele etwa in Nordrhein-Westfalen belegen. „Teuer ist nur ein schlechter Öffentlicher Nahverkehr.“

Um alternative Angebote zu finanzieren, erhalten Brandenburgs Kommunen gemäß des neuen ÖPNV-Gesetzes künftig etwas mehr Geld. Einige innovative Lösungen gibt es bereits. So existieren derzeit vier Bürgerbuslinien, eine weitere ist geplant. Betrieben werden die Linien durch Vereine. Die Fahrer sind ehrenamtlich und können bis zu acht Fahrgäste mitnehmen. Außerdem gibt es mehrere Rufbusse. Dabei handelt es sich um Linienbusse, die bei Bedarf telefonisch bestellt werden können. Mit dem sogenannten Kombibus in der Uckermark erlebt zudem seit Anfang 2012 der alte Postbus eine Renaissance. Indem die Uckermärkische Verkehrsgesellschaft nicht nur Personen befördert, sondern auch den Transport von Gütern, etwa für Einzelhändler, übernimmt, hat sie eine Antwort auf die Frage der rückläufigen Rentabilität des Nahverkehrs aufgrund der demografischen Entwicklung gefunden. Erst im September ist die Gesellschaft dafür in Österreich mit einem Mobilitätspreis ausgezeichnet worden.

Mehr Ideen und Engagement erwartet sich Tourismuschef Hütte auch von den touristischen Betrieben. So könnten sich Hotels zusammenschließen und einen Shuttle-Service aufbauen. „Auch unsere Akteure müssen in neue Denkprozesse gebracht werden“, findet der TMB-Geschäftsführer. Matthias Matern

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