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Reichsbürger in Brandenburg: Vortrag unter Polizeischutz

Andreas Speit stellte Buch über Reichsbürger vor.

Potsdam - Der Vortrag hat unter Polizeischutz stattgefunden: Der Journalist Andreas Speit stellte am Dienstagabend in der brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam den Sammelband „Reichsbürger – Die unterschätzte Gefahr“ vor. Spätestens seit 2016 ein Reichsbürger im bayrischen Georgensgmünd einen SEK-Beamten erschossen hat, sind die Sicherheitsbehörden bei dem Thema besonders wachsam.

Diese tödlichen Schüsse waren es, die einen Wendepunkt für die Wahrnehmung der Szene, aber auch für ihre Radikalisierung markierten, sagte Herausgeber Speit bei der Buchvorstellung. Zuvor seien die Reichsbürger fälschlicherweise oft als Spinner oder „Papier-Terroristen“ abgetan worden, die ihre Personalausweise abgaben oder Behördenpost ungeöffnet zurücksandten. Und das, obwohl die Reichsbürger schon damals wiederholt Behördenmitarbeiter verbal und körperlich attackiert hatten, schreibt Speit in seinem Buch. Im Februar 2012 etwa hatte die „Reichsbewegung – Neue Gemeinschaft von Philosophen“ Drohbriefe an Moscheen und jüdische Gemeinden verschickt. Darin forderten sie „alle wesensfremden Ausländer in Deutschland, insbesondere Türken, Muslime und Negroide“ zur Ausreise auf und drohten Zuwiderhandelnden mit Erschießung. Erst Anfang dieser Woche machte die Szene Schlagzeilen: In mehreren Bundesländern hat es Razzien wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung gegeben. Ein Gruppe Reichsbürger soll versucht haben, eine Partisanenarmee aufzubauen, sich aktiv scharfe Waffen zu besorgen. Neben Thüringen und Berlin hat es auch in Brandenburg Durchsuchungen gegeben.

Im Kampf gegen die Szene gilt das Land als Vorreiter.

In Brandenburg allerdings, räumte Speit ein, waren die Sicherheitsbehörden in puncto Reichsbürger schon wesentlich früher sensibilisiert. Im Kampf gegen die Szene gilt das Land sogar bundesweit als Vorreiter. Schon Anfang 2016 hatten Verfassungsschutz und Landeskriminalamt ein Handbuch für Behördenmitarbeiter herausgegeben, um den Umgang mit den Querulanten zu vereinheitlichen. Als Experte für die Szene gilt Michael Hüllen vom brandenburgischen Verfassungsschutz. Ihm zufolge gibt es neben fünf festen Gruppen wie „Freistaat Preußen“ oder „Deutsches Reich“ in Brandenburg auch ein Reichsbürgermilieu – also wenig bis gar nicht organisatorisch gebundene Personen, die sich von der Szene beeinflussen lassen. Reichsbürger-Ideen würden auch andere Gruppen – wie Bio- und Vegan-Anhänger sowie Esoteriker – immer stärker beeinflussen, hatte Hüllen im vergangenen Jahr gewarnt. „Sie nehmen nicht mehr am Gemeinwesen teil. Das ist ein politisches Problem und ein Problem für die Sicherheitsbehörden.“

Aktuell rechnen die brandenburgischen Sicherheitsbehörden 588 Personen der Szene zu. Im vergangenen Jahr hatte Brandenburgs Polizei 70 Straftaten von Reichsbürgern registriert, darunter zehn Gewaltdelikte. 25 Szene-Angehörigen wurden die Waffenscheine entzogen. Denn: Reichsbürger werden grundsätzlich als unzuverlässig im Waffenrecht beurteilt, weil sie die Gesetze der Bundesrepublik nicht anerkennen. 

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