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Reichsbürger in Brandenburg: Kein Reich am Gericht

Reichsbürger behindern das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in Cottbus mit kruden Klagen und aggressivem Vorgehen. In ihrer Verzweiflung rufen sie sogar aus dem Gerichtssaal die Polizei, die sie wie die Bundesrepublik nicht anerkennen.

Potsdam/Cottbus - Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in Cottbus wird immer mehr von Reichsbürgern mit irrsinnigen Verfahren torpediert und in seiner Arbeit behindert. Das berichtete der Vize- Präsident des Gerichts, Thomas Stapperfend, am Donnerstag im Rechtsausschuss des Landtags Brandenburg. Seit zwei Jahren steige die Zahl der Klagen von Reichsbürgern, die die Existenz der Bundesrepublik und ihrer Behörden nicht anerkennen. Etwa fünf Prozent der 5300 Verfahren pro Jahr gingen auf Reichsbürger zurück.

Richter sollen sich vor Reichsbürgern legitimieren

Der Arbeitsaufwand für das Gericht bei derlei Verfahren sei größer als üblich, zudem führten die Reichsbürger ihre Verfahren mit „großer Aggressivität“, sagte Stapperfend. „Die Verfahren werden recht intensiv begründet, selten hat eine Begründung unter 15 bis 20 Seiten“, sagte der Vize-Gerichtspräsident. Derlei seien die Richter am Finanzgericht „nicht gewohnt.“ So würden Reichsbürger etwa von den Richtern verlangen, sich zu legitimieren, etwa durch Vorlage der Staatsexamensurkunde und der Geburtsurkunde. „Wir müssen das dann schriftlich zurückweisen, sonst riskieren wir Befangenheitsanträge“, sagte Stapperfend. „Sie belasten uns vor allem mit ihrer Art und Weise, die Randerscheinungen beschäftigen uns sehr“, sagte er. „Den Hardcore-Vertretern geht es nur darum, Sand ins Getriebe der Gerichte zu streuen.“

Bei Verfahren von Reichsbürgern müssten eigens Sicherheitsdienste ins Gericht beordert werden, da die Fachgerichte keinen eigenen Wachdienst der Justiz haben. Bei einem Verfahren im vergangenen Jahr musste zudem die Polizei hinzugezogen werden. Anhänger der Reichsbürger-Bewegung hatten über das Videoportal Youtube zur Teilnahme an einem Gerichtstermin aufgerufen. „Es kamen 50 Besucher, die dem Gericht gegenüber nicht ganz friedlich gestimmt waren“, sagte Stapperfend. „Das stellt uns vor Probleme, die Verfahren in den Griff zu bekommen.“

Kuriose Steuerklagen

Die Verfahren sind durchaus kurios. Meist richteten sich die Klagen gegen Steuerbescheide. „Wenn für die Reichsbürger die Bundesrepublik nicht existiert, dann existieren auch die Steuergesetze und die Finanzämter nicht“, sagte Stapperfend. Ein „Reichsbürger“ verlangte vor Gericht etwa, dass alle seine seit dem Jahr 1956 ergangenen Steuerbescheide aufgehoben werden. „Da kommt an Streitwert einiges zusammen“, sagte Stapperfend. Zumal in solchen Fällen die Betroffenen meist schon mehrere Firmen hatten, aber wirtschaftlich selten erfolgreich waren und mehrere Insolvenzen hinter sich hatten.

Erst vor drei Wochen habe ein Beschuldigter während der Verhandlung die Polizei gerufen, weil er mit der Verfahrensführung des Gerichts nicht einverstanden war. Die Polizei habe den Richter dann gefragt, warum sie kommen soll, „die erkennen uns doch auch nicht an“.

Dass die Klagewelle der Reichsbürger abebbt, glaubt Stapperfend nicht und verwies auf Gespräche mit dem Verfassungsschutz im Sommer. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass es sich nur um eine vorübergehende Modeerscheinung handelt“, sagte der Jurist. Die Reichsbürger würden sogar gegen einzelne Mitarbeiter der Finanzämter klagen. Es gebe einen besonders hartnäckigen Kern in der Szene, aus dem heraus immer wieder Klagen erhoben werden. Stapperfend berichtete von einem Steuerberater, der in die Reichsbürger-Szene abgeglitten sei und bei vielen Verfahren beteiligt war. Inzwischen sei dem Mann die Zulassung entzogen worden.

Etwa 200 Reichsbürger in Brandenburg

Die Reichsbürger werden von den Sicherheitsbehörden als „eine Art rechtsextremistische Sekte” eingestuft, einige gelten einfach als Verschwörungstheoretiker und Esoteriker, andere als klar rechtsextrem. In Brandenburg gibt es rund 200 Reichsbürger, die den Behörden seit einigen Jahren zu schaffen machen: Sie verweigern die Zahlung von Bußgeldern und Steuern, schreiben seitenlange Widersprüche, fälschen Autokennzeichen, basteln sich eigene Führerscheine und bombardieren Behörden mit Schriftsätzen, in denen sie die Existenz der Bundesrepublik verneinen und als illegales Nachkriegskonstrukt bezeichnen, weil das „Deutsche Reich“ in den Grenzen von 1937 fortbestehe. Und sie gründen eigene kleine Reichsregierungen, es gab auch eine eigene Miliz.

Brandenburg hat als eines der ersten Bundesländer reagiert: Im vergangenen Jahr gab es zahlreiche Info-Veranstaltungen des Verfassungsschutzes für Mitarbeiter kommunaler Behörden, Justizangehörige und Polizisten. Insgesamt fanden 2014 elf Veranstaltungen mit rund 420 Teilnehmern statt. 2013 waren es zehn Veranstaltungen mit etwa 700 Teilnehmern. Der Verfassungsschutz warnt die Behörden davor, sich mit Reichsbürgern auf Diskussionen einzulassen. Sie würden bewusst Verwirrung stiften, um vom gebotenen Verwaltungshandeln abzulenken.

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