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Bei seiner Regierungserklärung am Donnerstag thematisierte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unter anderem das oft schwierige Verhältnis zwischen Bürgern und der Politik. 

© Soeren Stache/dpa

Regierungserklärung: Woidke muss sich Kritik der Linken stellen

In der Generaldebatte im Landtag punktete vor allem Linke-Fraktionschef Walter mit seiner Kritik am Politikstil von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Und AfD-Chef Kalbitz?

Potsdam - Und dann holte Linke-Fraktionschef Sebastian Walter aus. Er pickte sich just jene Stelle in der Regierungserklärung heraus, in der Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) über die aktuellen Kommunikationsprobleme der Politik gesprochen hatte, die derzeit viele nur schwer erreiche, wo „Sender und Empfänger“ oft nicht so zusammenkämen wie es sein sollte.

Ja, so hatte es Woidke gesagt, und einen Satz aus dem in der Kenia-Koalition abgestimmten Manuskript: „Vielleicht, weil ein Rauschen in der Leitung ist“ weggelassen. Und Walter? „Sie gehen davon aus, dass es die Bürgerinnen und Bürger sind, die die Politik nicht richtig vernehmen“, konterte der 29-Jährige, der die Linke-Fraktion in der neuen Oppositionsrolle führt. „Ich denke, es ist umgekehrt: Sie sind es, der durch das Rauschen die Bürgerinnen und Bürger nicht richtig wahrnimmt. Das Rauschen liegt bei Ihnen, Herr Ministerpräsident!“

Sebastian Walter (Die Linke).
Sebastian Walter (Die Linke).

© Soeren Stache/dpa

In der Sache geißelte der Linke-Vormann, dass Woidke bei Allgemeinplätzen, PR, Versprechungen bleibe, aber konkrete soziale Probleme der kleinen Leute vernachlässige, etwa die seines KfZ-Mechanikers, der demnächst mit 560 Euro Rente zu Hause sitze, der seit fünf Jahren vergeblich auf die Genehmigung einer Nebenhalle wartet und dem anders als Tesla „keine Task Force hilft“.

Anerkennung für Walter

Walter hat einen schwierigen Job in dieser Debatte, aber auch generell einen, der einen Spagat erfordert: Er muss den SPD-Regierungschef und das Kenia-Bündnis präzise, hart, substanziell kritisieren – und gleichzeitig um die Oppositionsführerschaft vor der AfD ringen, die zahlenmäßig die größte Oppositionsfraktion stellt. Es sei Walter gelungen, hieß es danach anerkennend, in den eigenen Reihen ohnehin, aber selbst aus der Koalition.

Das belegte prompt die Rede von CDU-Fraktionschef Jan Redmann, der sich zuerst Walter vornahm. Denn der hatte nach Privatisierungen die Rückerlangung des Öffentlichen gefordert. „Was er meint, ist die Verteufelung des Unternehmertums. Er meint Verstaatlichung zu volkseigenen Betrieben. Was er meint, ist Sozialismus!“ Dem Fraktionschef der AfD, Andreas Kalbitz, attestierte Redmann eine „substanzlose Pöbelrede“.

Pöbel-Rede von Kalbitz

Der hatte gleich nach Woidke gesprochen, mit aggressiven, polemischen Tönen. Es sei keine Brandenburg-Koalition, die das Land jetzt regiere, sondern eine „Frankenstein-Koalition“, sagte Kalbitz etwa. Da die Grünen sich in der Koalition als Gewinner durchgesetzt hätten, werde der Weg „den Zerfall der bürgerlichen Gesellschaft“ im Land beschleunigen, und die CDU helfe mit. Es dominierten Schlagworte, ob „unkontrollierte Masseneinwanderung“, oder „Statt deutsche Leitkultur Migration als Bringschuld“, der Ruf nach Abschiebungen, „Minderheitenfetischismus“, „Weltsamaritertum“. Wenn er Woidke von Gewinnerregion sprechen höre, kämen ihm Länder in den Sinn wie Kenia, Afghanistan, Simbabwe.

Er werde seine Rede nicht verschwenden, „um über jedes Stöckchen zu springen, das Sie uns hingehalten haben“, sagte SPD-Fraktionschef Erik Stohn, zugleich Generalsekretär seiner Partei, dazu. „Wir alle kennen Ihre Methode: Sticheln und provozieren und hinterher in die Kamera heulen.“ Stohn betonte die Gemeinsamkeiten des Bündnisses aus SPD, CDU und Grünen. Anders als die große Koalition in Berlin trete man bei Konflikten nicht ans Mikrofon, sondern greife zum Telefon. Stohn zählte auf, wer jetzt im Land alles gewinnen werde: Pendler, Radfahrer, Familien, Kinder, Patienten, Mieter, Arbeitnehmer, Universitäten, die Feuerwehr, Sportler, Landräte und natürlich das Klima. Vorsorglich wandte er sich direkt an Walter: „Ich hoffe, dass Sie nicht immer nur das Haar in der Suppe suchen. Sie dürfen gern loben, wo Lob angebracht ist und Sie sollen kritisieren, wo Kritik nötig ist!“ Das war vor dem Auftritt des Oppositionsführers.

Heiterkeit am Ende der Sitzung

Versöhnlich blieb Péter Vida, Fraktionschef der Freien Wähler, der Ministerpräsident und Regierung gleich mal in seine Gebete einschloss. Vor allem aber warb Vida für einen Stopp des Windkraftausbaus und einen Schlussstrich in der Altanschließerproblematik. „Ich rufe zu einer überparteilichen Lösung zur Rückzahlung aller Beiträge auf.“ Er erinnerte daran, dass das bei Straßenausbaubeiträgen auch gelungen sei.

Die fast vierstündigen Debatte endete mit Benjamin Raschke, Ko-Fraktionschef der Grünen, der in seinem Plädoyer versehentlich den eigenen neuen Umweltminister Axel Vogel mit „unser Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger“ anredete. Das war der frühere SPD-Amtsinhaber, der für die Grünen immer ein rotes Tuch war. Der Fauxpas sorgte für Heiterkeit, auch bei Woidke, der in seiner Regierungserklärung auch das sagte: Man habe bei Bildung der Kenia-Koalition gemerkt, dass „wir gemeinsam lachen können“.

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