zum Hauptinhalt

Regierungsbildung in Brandenburg: Auf der Kippe

"Kenia" oder Rot-Grün-Rot: Bei den Sondierungen sind Grüne und Linke wegen der SPD frustriert. Wie geht es nun weiter? 

Potsdam - Brandenburgs Regierungsbildung steuert nach dem knappen Sieg von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bei der Landtagswahl auf eine Klippe zu. Nach PNN-Recherchen sind die Sondierungen der SPD mit Grünen und Linken so konfliktbelastet, dass die SPD womöglich nicht wie geplant am Dienstag auf einem  „Kleinen Parteitag“ in Potsdam entscheiden kann, mit wem Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden.

Öffentliche Rufe nach "Kenia"

Für Empörung sorgte am Wochenende bei Grünen und Linken, dass parallel zu den laufenden Sondierungen aus der SPD – vom Landesschatzmeister Harald Sempf, aber auch von SPD-Landräten wie Wolfgang Blasig aus Potsdam-Mittelmark – öffentlich ein Kenia-Bündnis gefordert wurde. 
Ein solches Bündnis aus SPD, CDU und Grünen hätte im Landtag eine Mehrheit von sechs Stimmen und wird nach PNN-Informationen auch von Woidke favorisiert. Die Grünen wollen – im Verbund mit den Linken – dagegen ein rot-grün-rotes Bündnis durchsetzen, das eine Stimme Mehrheit im Landtag hätte. Schon in der SPD-Landtagsfraktion mit ausschließlich direkt gewählt Abgeordneten wäre dem Vernehmen nach die Zustimmung dafür nicht garantiert. 

Die Grünen, die in beiden Konstellationen am Kabinettstisch säßen, sind nach dem Verlauf der Sondierungen frustriert und ernüchtert. Am Sonntag verwahrte sich Grünen-Parteichef Clemens Rostock in ausführlichen Erklärungen in sozialen Netzwerken gegen den öffentlichen Druck aus der SPD für  Kenia. Das widerspreche allen Absprachen zur Vertraulichkeit: „Hanebüchend“ sei nicht nur der Stil, sondern auch die Argumentation, erklärte Rostock. „Die SPD kann schlecht alleine entscheiden, da wir sowohl bei Kenia als auch bei Rot-Grün-Rot dabei wären“. Wer eine bestimmte Konstellation wolle, müsse die Grünen überzeugen. 


Neben gravierenden inhaltlichen Differenzen vor allem zwischen SPD und Grünen geht es um die Zwei-zu–Eins-Kräfteverhältnisse, die jedes Dreier-Bündnis mit sich brächte: Bei Rot-Grün-Rot befürchtet die SPD, dass Grüne und Linke dominieren. Bei "Kenia" befürchten die Grünen, von SPD und CDU untergebuttert zu werden. Erst Recht, weil Mittelmark-Landrat Blasig, der auch Präsident des Landkreistages ist, in einem MAZ-Interview sein Plädoyer für "Kenia" auch mit der Notwendigkeit einer konsequenteren Abschiebepolitik begründet hat.

Auch in der SPD stößt das auf Widerspruch, so beim Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), der im Rathaus ein rot-grün-rotes Bündnis geschmiedet hat und sich im Verbund deutscher Städte für Seenotrettung im Mittelmeer engagiert. „Eine bessere Unterstützung der Kommunen in der Flüchtlingspolitik ist wichtig. Aber wir sollten sie nicht zur Gretchenfrage der Sondierungen machen“, sagte Schubert den PNN. „Das ist weder eine vielversprechende Strategie für den Zusammenhalt im Land noch für die Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten.“

Ziehen die Linken die Reißleine?

Bei den rot-grün-roten Dreier-Sondierungen, die am Donnerstagabend unterbrochen worden waren und am Sonntagabend fortgesetzt wurden, war dies aber ein wesentlicher Knackpunkt. Die SPD drängt auf eine Abschiebehaftanstalt in Brandenburg, was Linke und Grüne ablehnen. Die Linken, die nach zehn Regierungsjahren bei der Wahl mit 10,7 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1990 eingefahren hatten, wollen nach der Abwahl von Rot-Rot nicht um jeden Preis in die Regierung. Im Linke-Verhandlungsteam ist die Ernüchterung über die SPD groß. Es gilt nicht einmal als ausgeschlossen, dass die Linken selbst die Reißleine ziehen. 

Zur Startseite