zum Hauptinhalt
Zufrieden. Martin Gorholt (SPD) begrüßt das Urteil des OVG.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburg: Rechtssicherheit für die Anrainer

Nach Schallschutz-Urteil macht BER-Koordinator Martin Gorholt Druck gegenüber dem Flughafen

Potsdam - Brandenburgs Landesregierung hat das neue BER-Schallschutzurteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg begrüßt, das die rechtswidrige, rigide Bewilligungspraxis der Flughafengesellschaft beim Lärmschutz für Anwohner des künftigen Airports erneut korrigiert hat. Nach dem Urteil muss die Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) nun auch den Schallschutz für niedrige Wohnräume, für Küchen mit Essplatz und für als Erweiterung von Wohnzimmern errichtete Wintergärten bezahlen, was die FBB bislang verweigert hat. Seit 2013 gab es um diese Fälle permanent Streit.

Brandenburgs Staatskanzleichef Martin Gorholt, der neue BER-Koordinator von Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD), fordert von der Flughafengesellschaft nun eine Verwirklichung der OVG-Auflagen im Schallschutzprogramm der Flughafengesellschaft. „Das muss jetzt schnell umgesetzt werden. Das Urteil ist sehr zu begrüßen“, sagte Gorholt am Mittwoch dieser Zeitung. „Es schafft für die Anwohner des BER endlich Rechtssicherheit.“ Klar sei, dass vor der Inbetriebnahme des neuen Airports der Schallschutz fertig sein müsse. Gorholt verwies darauf, dass die Landesregierung bereits vor dem Urteil klar die Position vertreten habe, dass der BER-Schallschutz „im Einklang mit der veränderten Brandenburger Bauordnung zu befriedigen“ sei.

Die Flughafengesellschaft hielt sich am Tag nach dem Urteil – eine Woche vor der nächsten Sitzung des Aufsichtsrates – über die Konsequenzen bedeckt. Es äußerten sich weder Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup noch der Aufsichtsratsvorsitzende Rainer Bretschneider, der früher BER-Koordinator Brandenburgs war. Für die FBB kommentierte Ralf Wagner, der Schallschutz-Chef der Firma, den Ausgang: „Die FBB nimmt die gestrigen Urteile des OVG Berlin-Brandenburg zur Kenntnis. Wir warten die schriftliche Urteilsbegründung ab und prüfen die nächsten Schritte.“

Unklar ist bislang, wie viele Anrainer von den Präzedenzurteilen profitieren. Nach Schätzungen sind es rund 2500 Haushalte im so genannten Tagschutzgebiet, der Höllenlärm-Kernzone mit den höchsten Belastungen unmittelbar um den BER, in dem es 11 600 Haushalte gibt. Die Flughafengesellschaft hat die erneute juristische Niederlage selbst provoziert, nachdem sie die Schallschutzauflagen des Planfeststellungsbeschlusses gegen alle Warnungen und Forderungen seit 2013 bei niedrigen Wohnräumen, Wohnküchen und durch Wintergärten vergrößerte Wohnräume zu Lasten der BER-Anwohner auslegte – und für diese Räume Schallschutz verweigerte. Dabei hatten das Dialogforum der Anrainer-Kommunen, der Landtag in einem Beschluss sowie der BER–Sonderausschuss eine andere Praxis gefordert. Die FBB hatte sogar „Vollzugshinweise“ der Gemeinsamen Oberen Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 missachtet, darin die Auflage, dass zu niedrige Raumhöhen „nicht mehr als Ausschlusskriterium für die Gewährleistung von Schallschutz gelten“. Der Flughafen machte weiter. Und das auch noch, als Brandenburgs Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) im November 2017 in einem Schreiben an den Aufsichtsrat eine andere Praxis anmahnte und vor dem absehbaren OVG-Urteil warnte. „Aus meiner Sicht ist es im Interesse aller Beteiligten aber weitaus hilfreicher, eine schnelle außergerichtliche Lösung zu finden.“ Im Aufsichtsrat standen die Brandenburger damit allein. Eine Rolle spielte dabei, dass das Flughafenmanagement die Mehrkosten eine bürgerfreundlichere Bewilligungspraxis mit 145 Millionen Euro bezifferte. Andere Schätzungen gehen von 40 bis 60 Millionen Euro aus. Aktuell liegt der Schallschutzetat bei 730 Millionen Euro.

Im Landtag gab es nach dem Urteil scharfe Kritik an der Flughafengesellschaft, auch aus den Reihen der rot-roten Koalition. Es sei unverständlich, warum die FBB den Landtagsbeschluss und die Vollzugshinweise der Behörden ignoriert hat, so der SPD-Abgeordnete Helmut Barthel, „sondern immer erst ein Gericht braucht, das ihr die Aufgaben ins Stammbuch schreibt“. So schaffe man Frust. Und die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Tina Fischer, erklärte: „Das kleinliche Feilschen der Flughafengesellschaft um wenige Zentimeter und Quadratmeter hat nun hoffentlich ein Ende.“ Deutlicher wurde Grünen-Fraktionschef Axel Vogel: „Der Versuch der Flughafengesellschaft, die Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses zum Lärmschutz zu Lasten der Betroffenen auszuhebeln, ist einmal mehr am Rechtsstaat gescheitert“, sagte er. „Brandenburgs Landesregierung hätte dieser Vorgehensweise der staatseigenen Flughafengesellschaft längst Einhalt gebieten müssen.“ Für den Abgeordneten Christoph Schulze von den Freien Wählern, der in der BER-Region 2014 das Direktmandat holte, ist mit dem Urteil erneut ein „Schallschutzbetrug am BER vom Gericht bestätigt“ worden. Schulze beantragt wegen des Urteils eine Sondersitzung des BER-Sonderausschusses.

Zur Startseite