zum Hauptinhalt

Rechtsrock in Brandenburg: Zunahme von Nazi-Konzerten befürchtet

Das Innenministerium warnt nach einem Großevent in Thüringen mit rund 6000 Rechtsextremisten vor weiterem Zulauf bei Konzerten - auch in Brandenburg.

Potsdam - Brandenburgs Innenministerium warnt vor einer neuen Welle rechtsextremistischer Konzerte und mehr Zulauf. Grund ist etwa eine Großveranstaltung von Neonazis in Thüringen. Daher befürchtet das Innenministerium in Potsdam, dass Rechtsextremisten, auch aufgrund des mutmaßlichen finanziellen Erfolges, versuchen, wieder vermehrt Konzerte zu organisieren. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Landtagsabgeordneten Andrea Johlige (Linke) hervor.

Insbesondere Großveranstaltungen in der Öffentlichkeit bereiten der Landesregierung Sorgen, da diese „ein breiteres Publikum anziehen und dem Besucher ein deutlicheres Vitalitätsgefühl der Szene vermitteln“ würden, als es beispielsweise bei „klandestin durchgeführten Konzerten mit wenigen Dutzend Teilnehmern der Fall“ sei.

6000 Rechtsextremisten aus ganz Deutschland und aus Europa

Bei einem Szene-Großevent am 15. Juli 2017 im thüringischen Themar sollen allein bis zu 6000 Rechtsextremisten aus ganz Deutschland und aus Europa teilgenommen haben, während der Schnitt bei gewöhnlichen Neonazi-Konzerten eher zwischen 100 bis 200 Teilnehmern läge.

Zwar ist Brandenburg aus Sicht des Innenministeriums aufgrund des „hohen Drucks“ der Sicherheitsbehörden „relativ unattraktiv für Konzertveranstaltungen“. Aber Brandenburger Neonazi-Musiker seien „aufgrund ihrer Aktivität und der Vielzahl der Bands für die Szene von hoher Bedeutung“. Insgesamt gäbe es zurzeit 22 aktive rechtsextremistische Musikgruppen und 14 so genannte Liedermacher. Diese seien in nahezu allen Regionen des Landes anzutreffen. Lokale Schwerpunkte seien aber Potsdam, Cottbus und Beeskow. Hier liegen den Behörden Erkenntnisse über mehrere aktive Musikgruppen vor.

Live-Auftritte Brandenburger Rechtsrock-Bands finden hingegen vor allem außerhalb der Landesgrenzen statt. Ausdrücklich nennt das Innenministerium vor allem Thüringen und Sachsen. In einer zusätzlichen Auflistung fällt auch die Region Roßlau-Coswig in Sachsen-Anhalt als Auftrittsort häufig auf. Hier spielten die Brandenburger Rechtsrocker aber offenbar selten vor mehr als 100 Zuschauern.

Wen die Brandenburger Sicherheitsexperten offenbar übersehen haben

Die Bands sind bis weit über die Landes- und Bundesgrenzen hinaus bekannt. So traten etwa die Brandenburger Rechtsrock-Bands „Confident of Victory“ aus Senftenberg, „Exzess“ aus Strausberg und „Frontalkraft“ aus Cottbus bei einem Konzert am 15. Oktober 2016 in St. Gallen in der Schweiz auf. An der Großveranstaltung sollen bis zu 5000 Rechtsextremisten teilgenommen haben. Am 15. Juli 2017 im thüringischen Themar lockte auch die Potsdamer Musikgruppe „Uwocaust“ des Potsdamers Uwe Menzel Tausende Besucher an. Derzeit prüft auch der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags, inwieweit er in die Unterstützung des Terrortrios und die Anschläge der „Nationalen Bewegung“ zur Beginn des Jahrtausends in und um Potsdam verwickelt ist. Menzel hat laut Innenministerium Kultstatus in der Szene und ist bundesweit vernetzt.

Unter den Besuchern beim Themar-Konzert waren auch 40 Brandenburger Rechtsextremisten, wie die Sicherheitsbehörden „im Rahmen der noch laufenden Auswertung“ feststellten. Einige waren einst Mitglied in den verbotenen Kameradschaften „Hauptvolk“ aus dem Landkreis Havelland und „ANSDAPO“ aus Märkisch-Oderland. Zudem wurden Neonazis der „Freien Kräfte“ aus der Prignitz und Neuruppin-Osthavelland sowie Mitglieder der rechtsextremistischen Bruderschaften „Bruderschaft H8“ und „Barnimer Freundschaft“ festgestellt. Letztere nahmen laut Innenministerium „SecurityAufgaben vor Ort wahr“. Ein in Brandenburg wohnhaftes Mitglied des III. Weges hielt während des Konzertes einen Redebeitrag. Auch zwei Kommunalpolitiker der NPD nahmen teil: der Kreistagsabgeordnete Michael Müller aus Rathenow (Havelland) und der Stadtverordnete Robert Wolinski aus Velten (Oberhavel). Letzterer ist als umtriebiger Konzertveranstalter bundesweit in der rechten Musikszene bekannt, etwa unter dem Signum „Märkische Skinheads 88“. Einen dritten NPD-Mann, André Schär aus Bad Belzig, Kreistagsmitglied in Potsdam-Mittelmark, haben die Brandenburger Sicherheitsexperten offenbar übersehen.

Volksverhetzung, Verunglimpfung des Staates und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Die Polizei in Thüringen ermittelt wegen der Songtexte und Hitlergrüßen bei dem Konzert wegen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Staates und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Ob auch gegen Brandenburger Neonazis ermittelt wird, ist dem Innenministerium nicht bekannt.

Auch wenn die Sicherheitsbehörden in Brandenburg bislang keine Hinweise darauf haben, dass auch hier größere Konzerte von Neonazis geplant sind, wird in Themar schon das nächste Rechtsrock-Event vorbereitet. Bei einem „Rock gegen Links“ sollen auch die Brandenburger Bands „Confident of Victory“, „Frontalkraft“ und „Hausmannskost“ auftreten.

Hardy Krüger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false