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Razzia. 260 Polizisten durchsuchten am 19. Juni Räume des „Widerstandes Südbrandenburg“. Innenminister Woidke (SPD) hatte die Neonazigruppe verboten.

© dpa/dapd

RECHTSEXTREMISMUS: „Widerstand“ gegen das Verbot

Die rechtsextreme Gruppierung „Widerstand Südbrandenburg“ zieht wegen Auflösung vor Gericht. Der Szene-Anwalt Nahrath vertritt Neonazis:

Von Matthias Matern

Potsdam - Mit einer groß angelegten Polizeiaktion hat das brandenburgische Innenministerium vor zwei Wochen die sogenannte „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“ aufgelöst. Nun will die rechtsextremistische Vereinigung vor dem Oberverwaltungsgericht berlin-Brandenburg gegen das Verbot vorgehen. „Am 29. Juni ist bei uns eine Klage gegen das Verbot eingegangen“, bestätigte am Dienstag Gerichtsprecherin Christiane Scheerhorn gegenüber den PNN. Über den Inhalt des Anwaltschreibens, etwa eine Begründung der Klage, wollte Scheerhorn keine Angaben machen. Zur Verhandlung könne es möglicherweise in einem halben Jahr kommen.

Nach PNN-Informationen wird die Gruppierung vom einschlägig bekannten Szene-Anwalt Wolfram Nahrath aus Birkenwerder (Oberhavel) vertreten. Die meist nur „Widerstand Südbrandenburg“ genannte Gruppierung fiel jahrelang immer wieder mit gespenstischen Videoclips ihrer Spontandemonstrationen auf, außerdem unterwanderten die Neonazis die regionale Kampfsportszene. Die kurzen Filmsequenzen, bei denen Mitglieder der Vereinigung häufig nur hinter weißen Masken verborgen zu sehen waren, wurden unter anderem über das Internetportal „Spreelichter“ verbreitet.

Mit insgesamt 260 Polizisten ging Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) am 19. Juni gegen den „Widerstand Südbrandenburg“ vor. 27 Objekte wurden durchsucht, der Schwerpunkt der Razzia war bei acht Neonazis in Lübben und drei in Bersteland (Dahme-Spreewald). Aber auch in Cottbus, Vetschau (Oberspreewald-Lausitz), Spremberg, Forst und Drachhausen (Spree-Neiße) sowie in Teltow (Potsdam-Mittelmark) rückten die Beamten an. Beschlagnahmt wurden Computer, CDs, Transparente und weiteres Material, darunter Beweismittel zu einem Überfall von Neonazis auf linke Jugendliche in Spremberg im Mai.

Im Landesinnenministerium reagierte man am Dienstag gelassen auf die Klage der Neonazis. „Dass die Bewegung möglicherweise Rechtsmittel einlegen würde, überrascht uns nicht. Wir stehen zu unserer Verbotsverfügung und sehen einem möglichen Rechtsstreit gelassen entgegen“, bestätigte am Dienstag Ministeriumssprecher Ingo Decker. Das Verbot der Gruppe „Widerstand Südbrandenburg“ sei umfassend und sorgfältig auf 60 Seiten begründet worden. Allerdings sei es nicht unüblich, dass solche Organisationen nach einem erfolgten Verbot Klage erheben, so Decker. „Die Instrumente des Rechtsstaats stehen auch seinen Gegnern zur Verfügung.“

Tatsächlich lagen und liegen beim Oberverwaltungsgericht viele Klagen gegen erklärte Vereinsverbote vor. So geht derzeit etwa der Berliner Ableger des Rockerklubs „Hells Angels City“ gegen das jüngst erlassene Verbot vor. Auch die Rocker des Chicanos MC Barnim, der 2009 vom brandenburgischen Innenministerium verboten wurde, hatten geklagt. Aus der rechten Szene hatten es etwa die Berliner Kameradschaft Thor oder die Kameradschaft „Ansdapo“ aus dem Raum Strausberg (Märkisch-Oderland) versucht. Die Chancen sind meist gering. Allein das Land Brandenburg hat seit Anfang der 90er Jahre sechs rechtsextremistische Vereinigungen verboten. „Bislang hatten alle unsere Verbotsverfügungen Bestand“, betonte der Ministeriumssprecher.

Auch von der Nachhaltigkeit der Aktion ist man im Innenministerium und beim Verfassungsschutz des Landes überzeugt. Lange Zeit hätten sich solche Gruppierungen in der Szene für unangreifbar gehalten, weil sie offiziell nicht als Vereine geführten wurden, erläuterte Decker. Deshalb habe die Zerschlagung des „Widerstandes Südbrandenburg“ die Szene verunsichert. Das glaubt auch Verfassungsschützer Axel Heidrich. In einschlägigen Internetforen seien Kommentare wie „Schwerer Schlag“ oder „Wo wohnt Woidke?“ zu lesen gewesen, andere rechte Internetnutzer hätten einen Polizeistaat ähnlich zu Russland oder der DDR bejammert. Insgesamt seien die Reaktionen im Internet jedoch verhaltener als bei früheren Verboten, sagte Heidrich weiter. Der Grund sei, dass zuletzt mehrere Polizeiaktionen bundesweit die wichtigsten Kommunikationsforen empfindlich getroffen hätten. So sei etwa der Betreiber der einschlägig bekannten Plattform Altermedia, Axel Möller, vor Kurzem verurteilt, die Räume des Internetportals Thiazi am 14. Juni durchsucht und sämtliche Rechner beschlagnahmt worden. „Bei Thiazi waren etwa 30 000 Nutzer registriert.“

Insgesamt zählt der Verfassungsschutz rund 40 Aktivisten und 150 Sympathisanten zum „Widerstand Südbrandenburg“. Wegen ihrer oftmals kreativen Videoclips habe sich die Gruppe auch bundesweit Renommee erworben, berichtete Heidrich weiter. „Das sind keine Feld-, Wald- und Wiesenskinheads, sonder die betrachten herkömmliche rechte Schläger eher von oben herab als Fußvolk.“ Im Schnitt dürften die Mitglieder etwa 25 Jahre alt sein und mehrheitlich arbeiten oder studieren.

Dass sich die führenden Köpfe jetzt zur NPD wenden, glaubt Heidrich nicht. „Aus deren Sicht ist die NPD eine verweichlichte Systempartei.“ Viel mehr würden die Mitglieder versuchen, ähnliche Strukturen neu aufzubauen. Aus dem Umfeld der Sympathisanten sei dagegen mit Solidaritätsbekundung wie jüngst im niedersächsischen Celle zu rechen, meinte der Verfassungsschützer. Dort sei vor knapp einer Woche ein entsprechendes Plakat aufgestellt und ein Feuerwerk abgebrannt worden. (mit axf/fan)

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