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Brandenburg: Rechtsbeuger im Rechtsstaat

Wer durfte in Brandenburg als Jurist arbeiten? Nach Ex-DDR-Richtern und -Staatsanwälten geraten nun auch Anwälte ins Zwielicht

Potsdam - Brandenburgs Justiz wird die Debatte um die DDR-Vergangenheit von Richtern, Staatsanwälten und nun auch Rechtsanwälten nicht los. Diesmal geht es um frühere DDR-Juristen, die an Unrechtsurteilen mitgewirkt haben und dennoch als Rechtsanwälte tätig sein durften. Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke), der wegen seiner Ablehnung einer neuen Stasi-Überprüfung von Richtern in der Kritik steht, will sich nun mit einem vom RBB-Politmagazin „Klartext“ publik gemachten Fall genauer befassen – einem Fall, der für die Opfer besonders schlimm ist.

Es geht um Eva-Maria Müller. Sie war vom Landgericht Cottbus im Jahr 2000 zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden – wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung. Als leitende Staatsanwältin der DDR-Justiz hatte sie bis zum Zusammenbruch des SED-Regimes in Cottbus an „Haftbefehlsanträgen, Haftfortdaueranträgen, Anklageerhebungen, Anträgen von Freiheitsstrafen gegen Ausreisewillige“ mitgewirkt. Rainer Schröder, Professor für Rechtsgeschichte an der Humboldt-Uni Berlin, wo solche Fälle untersucht wurden, spricht von Willkürurteilen, mit denen sich Staatsanwälte und Richter zu Vollstreckern der Staatssicherheit machten.

Konkret ging es um ein Verfahren gegen vier Freunde aus Cottbus, die die DDR verlassen wollten. Müller als Staatsanwältin war daran beteiligt, als sie zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Ines Kirsche, eines der Opfer, sagte "Klartext": „Man hat es ihr angesehen und gespürt, dass sie es genossen hat, als unsere Urteilsverkündung kam.“ Dieter Menk, Vater eines damals Verurteilten, sagte, er habe sich von der Staatsanwältin erniedrigt gefühlt.

Nach der Wende erlebte Menk dieses Gefühl erneut. Im September 1990 erhielt Müller ihre Zulassung als Rechtsanwältin, bis 2008 war sie in Cottbus tätig - trotz des 2000 ergangenen Urteils gegen sie.

Müllers Taten wären nach DDR-Recht lediglich ein Vergehen gewesen, nach bundesdeutschem Recht aber ein Verbrechen, das nach der Anwaltsordnung vom Beruf ausschließt, sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Unter dem Gesichtspunkt, dass die mildere Strafe – nämlich nach BRD-Recht – erging, sei die Anwaltszulassung trotz Verurteilung nicht aberkannt worden.

Auch der Richter, der an den Hafturteilen beteiligt war, ist seit 2006 als zugelassener Rechtsanwalt in Cottbus tätig. Alfred Czerwiatiuk war nach der Wende sogar Direktor des Amtsgerichts Finsterwalde (Elbe-Elster), im September 1991 beantragte er seine Anwaltszulassung, die zehn Jahre später abgelehnt wurde. Zwischenzeitlich war Czerwiatiuk auf der Flucht, denn die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelte gegen ihn wegen der Unrechtsurteile, er wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht. Als die Taten zehn Jahre nach der Wiedervereinigung verjährt waren, kehrte der Jurist aus Polen nach Brandenburg zurück. Im Jahr 2006 bekam er dann unbehelligt von den alten Taten seine Zulassung. Der Präsident der zuständigen Rechtsanwaltkammer, Frank Engelmann, wollte die konkreten Fälle nicht bewerten.

CDU-Rechtsexperte Danny Eichelbaum kritisierte die Überprüfung der ehemaligen Staatsanwältin als „viel zu lasch“, zumal der Fall Müller öffentlich bekannt war. Dass belastete DDR-Juristen weiter als „Organe der Rechtspflege“ tätig waren oder noch sind, sei „absolut nicht akzeptabel“. Nach früheren Angaben Schöneburgs hatte es damals keine Regelüberprüfung von Anwälten in Brandenburg gegeben. Scharfe Kritik kam vom Vorsitzenden des Berufsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, Markus Hartung: „Die Frau hat im Prinzip das Schlimmste gemacht, was ein Jurist tun kann, nämlich das Recht gebeugt.“ Wer so nachhaltig zeige, dass ihm das Recht der Leute nichts bedeute, könne unmöglich als Anwalt arbeiten.

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