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Pfarrerin Beatrix Spreng kam in den neunziger Jahren nach Joachimsthal.

© Doris Spiekermann-Klaas

Rechts rockt nicht: Pfarrerin Beatrix Spreng erhält Brandenburger Freiheitspreis

Pfarrerin Beatrix Spreng hat Joachimsthal vorbildhaft zu einem besseren Ort gemacht. Für ihre Arbeit gegen Rechtsextremismus erhält sie den Brandenburger Freiheitspreis.

Sie hat Morddrohungen bekommen und andere schlimme Drohbriefe. Wenn die Pfarrerin Beatrix Spreng nach Hause kam, standen manchmal die rechten Typen vor der Tür und verweigerten ihr den Zutritt. Und wenn sie drinnen war und es draußen dunkelte, flogen die Steine gegen das Pfarrhaus. Immer wieder wurde eingebrochen. 

Alles haben sie mitgenommen, was sich irgend verscherbeln ließ, Musikanlage, Fernseher, Werkzeuge. An der Kirche haben sie die Blumenbeete zertrampelt, den Senioren ihre Geldkasse geklaut. Angst war da, klar. Und doch findet Beatrix Spreng das, was sie getan hat, um Jugendliche vor dem Abdriften in einen rechten Sumpf zu bewahren, eigentlich ganz einfach. Die Mehrheit, sagt sie, sei ja nicht so. „Die Mehrheit ist ganz anders.“ 

Verleihung kurzfristig verschoben

Dafür, dass sie aus Joachimsthal vorbildhaft einen besseren Ort gemacht hat, erhält sie den Brandenburger Freiheitspreis. Die für den gestrigen Sonntag geplante Verleihung wurde wegen Corona kurzfristig verschoben, aber für ihre Jugendlichen bedeute die Anerkennung viel, sagt sie. Und für Elke Büdenbender, die Frau des Bundespräsidenten, die der Pfarrerin im persönlichen Gespräch begegnete und die ihre Laudatio schon vorbereitet hatte, ist die Preisträgerin „eine mutige Frau, die ihre Meinung fest vertritt, sich durch Anfeindungen nicht irre machen lässt, sich Verbündete sucht und die Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, nicht aufgibt“.

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Immer wieder hat Spreng Jugendlichen andere, bessere Wege gezeigt als die, zu denen die Rechtsradikalen sie verleiten wollten. Hat mit Fantasie attraktivere Angebote entwickelt, als die Verführer es je vermocht hätten.

1994 erfolgte die Versetzung in die Uckermark

1994 wurde die in der Gegend von Kassel geborene Pfarrerin in die Uckermark versetzt. Zuvor war sie Pfarrerin in Frankfurt am Main und zuletzt in Berlin im Leitungsgremium der Aktion Sühnezeichen aktiv. Ihr Mann arbeitet als Lehrer in Kreuzberg viel mit türkischen Jugendlichen zusammen. Da geht es vor allem um musikalische Bildung. In Joachimsthal war alles ganz anders. Die rechten Kameradschaften, die versuchten, aus kleinen Ortschaften sogenannte „national befreite Zonen“ zu machen, waren seit dem Anfang ihrer Amtszeit da. 

Sie versuchten, die jungen Leute mit Rechtsrock auf ihre Seite zu ziehen. Beatrix Spreng organisierte ein Konzert, zu dem alle kommen konnten, Ossis, Wessis, aus Berlin auch türkische Jugendliche, Kreuzberger Kids. Das Konzert wurde überfallen. Rechtsradikale aus Schwedt und Eberswalde hatten die Polizei mit einem fingierten Unfall abgelenkt. Als die Jugendlichen nach dem Konzert losfahren wollten, fingen andere rechte Jugendliche an, einen Bus bedrohlich zu schaukeln. 

Die Pfarrerin gab nicht auf. Beriet sich mit dem Gemeindevorstand. Sie sprach die Jugendlichen an, die an dem Überfall beteiligt waren, aber nicht zum harten rechten Kern gehörten. Viele seien nur gelangweilt gewesen, seien gern zu den Konzerten am See gegangen, zu denen die Rechten sie einluden. „Den Jugendlichen war schließlich alles an organisierten Jugendaktivitäten, die es in der DDR gegeben hatte, wie die FDJ, weggebrochen.“ 

Jugendliche gründeten Demokratieprojekt

Beatrix Spreng fand Sponsoren für eine Musikanlage, engagierte zwei Breakdancer, die mit den Jugendlichen arbeiten sollten. „Wichtig“, sagt sie, „ist das Selbstwertgefühl. Dass die Jugendlichen in der Lage sind, den Rechten zu sagen: Ich will nicht.'“ Bald gab es Tanzgruppen und mehrere Bands, die in der Winterkirche probten. Sie lernten, sich aufeinander einzustellen, im Team zu arbeiten. Sie hatten Spaß zusammen. Reisen nach Kroatien gehörten dazu. Eigentlich ganz einfach. Nur machen muss man es halt.

„Inhaltlich“, das war ihr wichtig, „sind wir immer ganz klar geblieben.“ Wer rechtsradikale Abzeichen trug, kam in die Kirche nicht hinein, durfte nicht mitmachen beim Breakdance oder in den Bands. „Bratwurst braten mit Rechten kam für uns nie infrage“, sagt sie. „Da darf man keine Kompromisse machen.“

So wichtig ihr inhaltliche Klarheit war, so bedeutsam fand sie es auch, die Menschen nicht im Stich zu lassen. Unheimlich war es trotzdem, „wenn sich die Glatzen mit den Baseballschlägern auf den öffentlichen Plätzen versammelten“. 

Unter ihrer Regie gründeten die anderen Jugendlichen, die durchaus nicht alle zur Gemeinde gehörten, ein Demokratieprojekt, besuchten Gedenkstätten. Was immer passierte, ihre Überzeugung, dass man die Werteentwicklung beeinflussen kann, ließ sich nicht erschüttern. „Bald war aus jeder Familie mindestens einer bei uns.“ Auch Corona hat das nicht verändert. Längst haben sich die Jugendlichen zu digitalen Projekten, etwa zum gemeinsamen Songschreiben zusammengeschlossen. Rund 50 bis 70 Jugendliche sind in die Projekte derzeit involviert. Ein Deutschrocker leitet die Bands.

Den harten Kern der Rechten erreicht sie nicht

Spreng sieht die Kontakte, die sich durch die Jugendarbeit ergeben, vor allem als Chance. Den harten Kern der Rechten erreicht sie nicht, das ist ihr klar, und sie verschwendet keine Kraft auf den Versuch. Aber die Mitläufer und die Verschwörungstheoretiker als Menschen ernst zu nehmen, sie im Ganzen zu sehen und mit ihnen ernsthaft zu reden, das sieht sie als eine große Möglichkeit. 

Wie sich der Ort in kleinen Schritten verändert hat, das hat sie wahrgenommen. Ihre Tochter studiert inzwischen. Nur an dieser Stelle, als von der 21-Jährigen die Rede ist, lässt Beatrix Spreng, seit Kurzem offiziell im Ruhestand, sich mal einen Hauch von Stolz anmerken. Ihre Flüchtlingsarbeit erwähnt sie mehr am Rande, 17 Mal hat sie Kirchenasyl gegeben. Vieles, sagt die 66-Jährige, stimme strukturell nicht. Die individuellen Menschen und ihre Geschichte würden überhaupt nicht berücksichtigt. Nach wie vor ist ihr Engagement breit gefächert. Auch als Notfallseelsorgerin ist sie unterwegs.

Inzwischen wohnt sie mit ihrem Mann, der immer noch nach Berlin pendelt, zwei Dörfer weiter. Als sie in den Ruhestand verabschiedet wurde, gaben die Bands ein Konzert für sie - trotz Corona. Sie will sich weiter engagieren für BAFF (Bands auf festen Füßen). Vor allem deshalb freut sie sich sehr über das Preisgeld in Höhe von 15 000 Euro. Trotz der sichtbaren Erfolge ihrer Arbeit sei es 26 Jahre lang nicht möglich gewesen, eine geregelte Jahresfinanzierung zu bekommen. Man hangelte sich so durch von 1000 Euro hier und da, die es mal gab: „Aber es war immer schwierig.“ Auch das betrachtet sie als „strukturelles Problem“.

Ihren Optimismus hat sie darüber freilich nicht verloren. „Wenn man die Menschen ernst nimmt, mit ihnen redet, kann man vieles verändern.“ Eigentlich. „Begegnung“, auch das sagt sie, „findet über gemeinsames Tun statt“. Dazu muss man sich eigentlich nur aufraffen.

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