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Etwa 180 Flüchtlingsgegner beteiligten sich am Abendspaziergang in Oranienburg.

© S. Kohlhuber

Rechter Aufmarsch in Oranienburg: Späte Anzeige: Polizisten übersehen Hitlergruß

Am Mittwochabend versammelten sich Flüchtlingsgegner in Oranienburg zu einem Abendspaziergang, darunter viele NPD-Mitglieder und Neonazis. Eine Rednerin kritisierte die "Schuldkultur". Am Rande ging die Polizei nur zögerlich gegen eine Straftat vor.

Oranienburg/Cottbus - An einem erneuten Abendspaziergang von Flüchtlingsgegnern durch Oranienburg (Oberhavel) beteiligten sich abermals zahlreiche NPD-Kader. Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD) traf sich im Vorfeld mit dem Organisator der Proteste – wohl vergebens. Bisher versuchten die Veranstalter, jeglichen Bezug zu Rechtsextremem zu leugnen. Doch diesmal kündigte der Veltener NPD-Stadtverordnete Robert Wolinski schon im Vorfeld an, sich „mit einigen Mitgliedern“ beim „Abendspaziergang für eine angemessene Asylpolitik“ einreihen zu wollen.

Nachdem die PNN bereits im Dezember berichtet hatten, dass der Abendspaziergang angeblich besorgter Bürger maßgeblich von Neonazis gesteuert wird, ziehen nun auch Experten vom Mobilen Beratungsteam und die Sicherheitsbehörden nach. Sie stufen die Aufmärsche inzwischen Proteste wie in Brandenburg/Havel, deren Vorbild angeblich die Dresdner Pegida-Bewegung ist, vom äußersten rechten Rand gesteuert, von NPD/JN, Republikanern, der Partei die Rechte und Freien Kräften der Neonazi-Szene.

Weniger Demonstranten und Gegendemonstranten

In Oranienburg trat wie bei den vorangegangenen Demonstrationen Martin U. als Redner auf – nach PNN-Informationen ist er Aktivist beim NPD-Nachwuchs „Junge Nationaldemokraten“ (JN) und machte bei der 2009 vom Bundesinnenministerium wegen Wesensverwandschaft zu NSDAP und Hitlerjugend verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) mit.

Auch unter den Personen des eingesetzten Ordnungsdienstes befanden sich erneut einzelne Personen aus den Reihen der NPD. Insgesamt gingen beim dritten Abendspaziergang 180 Flüchtlingsgegner auf die Straße – zuletzt waren es noch 250. Aber auch die Anzahl der Gegendemonstranten ging leicht zurück: Waren es Ende Januar noch 250, zeigten am Mittwoch noch rund 220 Personen Flagge gegen rechts.

Gespräch zwischen Bürgermeister und Anmelder der Spaziergänge

Mit dabei waren auch die Landtagsabgeordneten Gerrit Große (Die Linke), Björn Lüttmann (SPD) sowie Oranienburgs Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke. Im Vorfeld traf dieser sich laut dem Anmelder der Abendspaziergänge mit ihm. Ein Ergebnis des Gesprächs lieferte der Anmelder seiner Zuhörerschaft am Mittwochabend nicht. JN-Aktivist Martin U. wetterte dennoch gegen das Gesprächsangebot, da Laesicke die Abendspaziergänger als Nazis bezeichnen würde. Das offene Mikrofon wurde von drei Personen genutzt. Eine Frau forderte ein Ende der „Schuldkultur“, ein Mann, der beim letzten Mal über Drogenhandel an Oranienburgs Schulen sprach, forderte dieses Mal härtere Strafen bei Kindesmissbrauch. Er erntete großen Applaus.

Nach Informationen der PNN fertigte Robert Wolinski erneut Fotos für die „Nein zum Heim Oranienburg“-Kampagne an, die bisher jeden Bezug zu Neonazis von sich wies. Noch während die Demonstration lief, wurden die Fotos auf die Facebook-Seite hochgeladen. Die Seitenbetreiber beteuern immer wieder, mit der NPD nichts zu tun zu haben. In den vergangenen Tagen wurde der Ton besonders gegenüber dem Mobilen Beratungsteam, den lokalen Zeitungen und Neonazigegnern rauer, bis hin zu gewalttätigen Anspielungen gegenüber den Asylbewerbern.

Hitlergruß: Beamte schreiten nicht ein

Die Polizei war diesmal mit einem deutlich kleineren Aufgebot im Einsatz. Als Teilnehmer des Abendspaziergangs einen Journalisten, der auch schon für die PNN tätig war, bedrängten, schritten sie ein. Am Rande der Demonstration der Initiativen „Oberhavel Nazifrei“ zeigte eine Person einen Hitlergruß. Obwohl die Beamten die Straftat – das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - beobachteten, schritten sie nicht ein. Sie nahmen den 22-Jährigen erst weitaus später in Gewahrsam, nachdem Demonstrationsteilnehmer Anzeige erstattet und gegenüber den Beamten identifiziert hatten.

Cottbus erlebte derweil am Mittwochabend den ersten Aufzug des Pegida-Ablegers Cogida. Etwa 300 Menschen beteiligten an dem Protestzug durch die Mittelmark. Nach PNN-Recherchen gibt es enge Verbindung der Organisatoren zur Pegida in Dresden, aber auch zu Neonazis und Hooligans, darunter auch Anhänger der Hogesa, Hooligans gegen Salafisten.

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