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Rechte Hetze gegen Asylbewerber in Brandenburg: Applaus für Vulgärausfälle der Neonazis

Nach der NPD hetzt jetzt auch die Brandenburger Landespartei „Die Rechte“ gegen Asylbewerber. Am Samstag hielt sie eine Kundgebung gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Oderberg ab – vor skurriler Kulisse und ohne Gegenprotest. Ein Ortstermin

Oderberg – Am Ende sind es nur 25 Jugendliche, dazu fast eine Hundertschaft der Polizei, die sich dieses Spektakel ansehen. Und das ist es für Oderberg, eine Kleinstadt im Nordosten des Landes, in der äußersten Ecke des Barnim, die Oder ist nicht weit. 35 Neonazis, überwiegende Männer, meist schwarz gekleidet stehen auf einem Platz im Zentrum der Stadt und protestieren gegen eine von den Behörden geplante Unterkunft für Flüchtlinge, wie an so vielen Orten in Brandenburg in den vergangenen Wochen.

Es gab Brandanschläge, Aufmärsche mit rund 200 Teilnehmnern, angebliche Bürgerinitiativen haben sich im Internet gegründet, alle gegen Flüchtlingsheime.  Doch dahinter stecken dann doch meist nur Neonazis und NPD-Leute, wie sich schnell herausgestellt hat. Bislang aber ohne Erfolg bei der Bevölkerung.

Nun also Oderberg, kalt und neblig ist es am frühen Samstagnachmittag.  Die  Stadt am nördlichen Rand des Oderbruchs hatte mal eine florierende Wirtschaft, im 19. Jahrhundert gab es hier unzählige Sägewerke, Schiffswerften,  Fabriken für Stärke, Kitt, Fässer und eines der größten Holzlager Deutschlands. Und dann die Fischerei. Die Zeit ist lange vorbei. Ein paar Denkmale gibt es, erhaltende Fachwerkhäuser, die Ruine einer Festung, einen Burgwall und ein Schifffahrtsmuseum. 1995 wurde der Bahnverkehr eingestellt, die Zahl der Einwohner hat sich seit den 1950er-Jahren halbiert, heute sind es noch rund 2100. Viele leer stehende Gebäude bieten einen trostlosen Anblick. Wenn es so etwas wie abgehängte Regionen in Brandenburg gibt, dann gehört Oderberg dazu.

Hier nur versucht der Landesverband der rechtsextremen Splitterpartei „Die Rechte“ Stimmung zu machen gegen Flüchtlinge. Neugierig versammeln sich an diesem Samstagnachmittag rund 25 Jugendliche und beobachten die Rechten auf der anderen Straßenseite. 90 Teilnehmer hatte der Landeschef der Partei, Klaus Mann, für die Kundgebung unter dem Motto „Nein zum Asylantenheim“ angemeldet. Mann war mal Landeschef der DVU, die von 1999 bis 2009 im Landtag war und sich 2011 auflöste. Auf seinem Grundstück in Finowfurt (Barnim) veranstaltet er regelmäßig Rechtsrockkonzerte. Mehrfach war die Polizei bei Konzerten im vergangenen Sommer eingeschritten, weil verbotene Lieder gespielt wurden.

„Asylantenheim. Wir sagen Nein!“ steht auf der Kleidung von Klaus Mann und seiner Frau Sybille. Auf der Facebookseite des Landesverbandes werden diese Shirts zum Verkauf angeboten. Was die NPD versucht, will nun offenbar auch die „Die Rechte“ – mit Hetze gegen Asylsuchende die Ängste von Bürger instrumentalisieren. Die Partei sieht sich nach eigenen Angaben radikaler als die rechtspopulistischen REPs und die Pro-Bewegung und weniger radikal als die NPD. In ihren ersten Absatz des Parteiprogramms beruft sie sich auf die Freiheitlich-demokratische Grundordnung. Doch so ganz überzeugt die „gemäßigte Radikalität“ nicht. Auf der Kundgebung finden sich Mitglieder der 2009 vom Berliner Innensenat verbotenen Kameradschaft „Frontbann 24“, die heute den Landesverband Berlin stellen, sowie Mitglieder der gewaltbereiten Kameradschaft Märkisch Oder Barnim (KMOB), die 2010 mit einer angeblichen Selbstauflösung einem Verbot zuvorkam. 

Welch Geistes die nach Oderberg gekommenen Neonazis sind, zeigen sie auf ihrer Kleidung. Ein kahl rasierter, tätowierter Neonazis läuft mit einer Bomberjacke herum, darauf der Schriftzug der britischen Neonazi-Band „Screwdriver“, ein T-Shirt des in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood and Honour“ und mit Emblem des Hilter-Stellvertreters Rudolf Hess. Später hält er eine Rede.

Für  13 bis 18 Uhr war die Kundgebung angemeldet. Doch das Spektakel geht verspätet los. Klaus Mann kündigt den ersten Redner, den Berliner Landesvorsitzenden der Splitterpartei, Uwe Dreisch, an. Zwar sollen die Asylsuchenden in Wohnungen untergebracht werden, da sie aber auf einem Fleck hocken, sagt Dreisch, ist die Unterbringung mit einen Asylheim gleichzusetzen. Martialisch liest er seinen Redebeitrag vom Blatt ab und redet von angeblichem Asylmissbrauch, vom Anstieg der Kriminalitätsrate und Überfremdung.

Über das „Problem der Rotationseuropäer“ will Daniela Fröhlich reden. Als Aktivistin der „Bürgerinitiative Marzahn Hellersdorf“ schildert sie die Situation in Berlin. „Ihr spinnt doch“  liest sie stotternd ihre Hetzrede vor. „Schluss mit den ewigen Schuldkult“,  sagt sie. Ihre Rede endet mit den Worten: „Wir sind das Volk“. Nur vom Volk ist in Oderberg nicht viel zu sehen. 

Klaus Mann kündigt eine fünfzehnminütige Pause an, „Nein zum Heim“-Rufe ertönen aus der hintersten Ecke der Kundgebung. Eine junge Frau aus Eberswalde hält ein selbstgemaltes Schild hoch, „Hupen gegen Nazis“ und „Solidarität statt Ausgrenzung“ steht dort, eine andere schwingt die Antifa-Fahne, tanzt und singt dabei. Mit schnellem Schritt bewegen sich die Neonazis zu den Mädchen, beschimpfen sie, es wird vulgär, Polizeibeamte gehen später dazwischen.

Von Gegenprotest gegen den braunen Aufzug ist in Oderberg – bis auf die beiden jungen Frauen - keine Spur. Andernorts gab es bei den Aufmärschen gegen Flüchtlingsheime stets auch Gegenaktionen. Erst am Mittwoch hielt der NPD Kreisverband Barnim-Uckermark eine Kundgebung gegen eine geplante Sammelunterkunft in Zepernick bei Bernau (Barnim) ab. 50 Neonazis, darunter die gleichen Teilnehmer wie in Oderberg, wurden von 200 Gegendemonstranten ausgebuht. In Pätz (Dahme-Spreewald) zündeten die Bürger bei einem rechten Aufmarsch mit 200 Teilnehmern Kerzen an, kehrten danach mit Besen den braunen Unrat von der Straße. Viele Einwohner löschten das Licht in ihren Wohnungen, die Gemeinde schaltete die Straßenlaternen ab.

Nicht so in Oderberg, ganz im Gegenteil. Als die Rechten die beiden jungen Frauen beschimpfen, klatschen auf der anderen Straßenseite die Jugendlichen, nicht für die Polizei, sondern für die Vulgärausfälle der Neonazis. Die merken das, zwei von ihnen eilen auf die andere Straßenseite und verteilen Flyer an die Jugendlichen, es sind mehr Mädchen als Jungen. „Wirf die Scheiße doch weg“, sagen zwei Jungs, die vor einem leer stehenden Haus sitzen und eine Wasserpfeife rauchen. Interessiert lesen die anderen Jugendlichen die Handzettel der Neonazis. Nur zwei ältere Männer legen die Flyer gleich wieder weg: „Das können wir nicht lesen.“

Klaus Mann spricht noch einmal, er nuschelt seine Rede in Mikrophon. Er spricht von Übergriffen, Vergewaltigungen und gar Mord durch Ausländer an Deutschen. Eine Million Übergriffe soll es gegeben haben, mehrere Tausend Tote. Woher die Zahlen stammen, sagt er nicht. Er liest einige Namen von angeblich Getöteten vor und ruft zu einer Schweigeminute auf. Einige Neonazis schwatzen dennoch einfach weiter. Dann ist der Spuck vorbei. Zurück bleiben die Jugendlichen mit den Zetteln und der rechten Hetze gegen Asylbewerber.

Ney Sommerfeld

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