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Rechte Gewalt: Ist der Osten fremdenfeindlicher als der Westen?

Die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer warnten davor, Fremdenfeindlichkeit als rein ostdeutsches Problem abzutun. Doch wie braun ist der Osten wirklich?

Berlin/Dresden/Potsdam - Ministerpräsidenten aus dem Osten warnen davor, Fremdenhass als alleiniges Problem der neuen Länder abzutun. Aber was sagen die Zahlen: Ist der Osten fremdenfeindlicher als der Westen?

Ein Blick in die Kriminalstatistik: Im vergangenen Jahr wurden bundesweit rund 17 000 rechtsmotivierte Straftaten registriert. Vor allem die Zahl der rechten Gewalttaten stieg rasant - gegenüber dem Vorjahr um fast 23 Prozent auf 1029 Delikte. 409 davon wurden in Ostdeutschland gezählt - das ist ein Anteil von fast 40 Prozent.

Mehr Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte im Osten

Auch bei der Zahl der rassistischen Gewalttaten lag der Osten weit vorne. Jede zweite (61 von bundesweit 130) dieser explizit fremdenfeindlich motivierten Taten wurde dort verübt. Dabei stellen die Ost-Länder weniger als 20 Prozent der gesamtdeutschen Bevölkerung. Rechte Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte wurden im ersten Halbjahr 2015 ebenfalls zu mehr als 40 Prozent im Osten registriert. Auch in Brandenburg gibt es vermehrt Übergriffe. In der vergangenen Woche wurde die geplante Asylbewerberunterkunft in Nauen angezündet. In Schwedt wurde außerdem ein Flüchtling aus Somalia angegriffen, eine serbische Familie wurde in Potsdam angepöbelt.

Die Aussagekraft der Kriminalstatistiken ist allerdings umstritten. Kritiker beklagen, viele rechtsextreme Straftaten tauchten dort gar nicht auf, weil die Polizei den eigentlichen Hintergrund nicht richtig erfasse. Unabhängige Stellen kommen auf höhere Fallzahlen.

Überall gibt es ausländerfeindliche Einstellungen

Und wie sieht es in den Köpfen aus - gibt es hier Unterschiede zwischen Ost und West? Forscher untersuchen seit Jahren in regelmäßiger Folge, wie weit rechtsextreme Einstellungen in der Gesellschaft verbreitet sind. Offensive rechte Positionen finden demnach immer weniger Zustimmung. Was zunimmt, sind aber Ressentiments gegenüber bestimmten Gruppen wie Asylbewerbern. Die Wissenschaftler haben auch die regionale Ausprägung rechter Positionen ausgewertet. Ein Ergebnis: Ausländerfeindliche Einstellungen gibt es überall, am ausgeprägtesten aber im Osten.

Wie profitieren rechte Parteien davon? Die rechtsextreme NPD - zwischenzeitlich fast in der Bedeutungslosigkeit verschwunden - konnte nach der Wende wieder zulegen und vor allem im Osten Fuß fassen. 2004 zog sie in Sachsen erstmals seit 1968 wieder in ein Landesparlament ein. Schon fünf Jahre zuvor war das der rechtsextremen DVU in Brandenburg gelungen. Heute ist die NPD nur noch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten. In Städten und Kommunen ist sie aber noch vielerorts verankert, allerdings mit regional großen Unterschieden. In Brandenburg ist allerdings auch die rechtsextreme Splitterpartei "Der III. Weg" aktiv, die Mitglieder machen Stimmung gegen geplante Asylbewerberunterkünfte. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen warnte erst kürzlich vor der Neonazi-Partei.

AfD zog in der Länderparlamente ein

Die AfD, die bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr im Osten ebenfalls mit nationalen und teils rechtspopulistischen Themen um Stimmen warb, schaffte in Sachsen mit 9,7 Prozent erstmals den Sprung in ein deutsches Landesparlament. Thüringen und Brandenburg folgten kurze Zeit später mit 10,6 beziehungsweise 12,2 Prozent. Die Fraktionen im Landtag Brandenburg distanzierten sich allerdings von der AfD.

Eine sächsische Besonderheit ist Pegida. Auch wenn es um die selbst ernannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" in den vergangenen Monaten ruhiger geworden ist, nahm die Teilnehmerzahl bei den montäglichen Demonstrationen in Dresden zuletzt wieder zu, auf rund 3000. Bei der Oberbürgermeisterwahl kam die Pegida-Kandidatin auf fast 10 Prozent.

Fazit: Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt sind keineswegs ein rein ostdeutsches Phänomen. Allerdings sind die Probleme im Osten stärker ausgeprägt als in anderen Teilen der Republik. (dpa)

Christiane Jacke, Martin Fischer

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